Benedikt unterwegs: „Die Kirche ist keine politische Macht"
„Ich komme, um zu
ermutigen und zu lernen“ – mit diesen Worten auf den Lippen ist Papst Benedikt XVI.
an diesem Freitag unterwegs nach Lateinamerika. Wie üblich, gab der Papst im Flugzeug
eine kleine Pressekonferenz. Er verlieh bei dieser Gelegenheit seiner Freude darüber
Ausdruck, auf den Spuren Johannes Paul II. unterwegs zu sein und das Werk des polnischen
Papstes in Mexiko weiterzuführen. Johannes Paul hatte das Land erstmals 1979 in einer
rechtlich unbestimmten Lage zwischen Kirche und Staat besucht. Seine Reise habe dann,
so Papst Benedikt, eine neue Phase der Zusammenarbeit eingeläutet. Auf die Frage,
wie er sich bei der Reise fühle, sagt er:
„Für mich ist die Reise eine große
Freude und erfüllt mir einen lang gehegten Wunsch. Um meinen Gefühlen Ausdruck zu
verleihen, kommen mir die Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils in den Sinn: “gaudium
et spes, luctus et angor”, Freude und Hoffnung, aber auch Trauer und Angst. Ich teile
die Freude und die Hoffnung, aber auch die Trauer und die Schwierigkeiten dieses großartigen
Landes. Ich komme, um zu ermutigen und zu lernen, um im Glauben, in der Hoffnung und
in der Nächstenliebe zu bestärken, und das Engagement für das Gute und im Kampf gegen
das Böse zu bestärken. Hoffen wir auf Gottes Hilfe!“
Die Schwierigkeiten,
die Papst Benedikt bei seinem Besuch in Mexiko antreffen wird, sind ihm dabei wohl
bewusst:
„Wir kennen die Schönheit Mexikos sehr wohl, aber auch das große
Problem des Drogenhandels und der Gewalt. Das ist sicherlich eine große Verantwortung
für die katholische Kirche in einem Land, in dem 80 Prozent der Bevölkerung katholisch
ist. Wir müssen alles Menschenmögliche gegen dieses zerstörerische Übel für die Menschheit
und unsere Jugend unternehmen.“
Dabei betont Papst Benedikt aber auf die
Frage, ob eine positive Weiterentwicklung der Grundideen der Befreiungstheologie möglich
sei, dass die Kirche keine politische, sondern vielmehr eine moralische Instanz sein
muss:
„Die Kirche muss sich immer fragen, ob man genug für die soziale Gerechtigkeit
in diesem großartigen Kontinent tut. Das ist eine Gewissensfrage, die wir uns immer
stellen müssen. Was muss die Kirche tun, was kann und was darf sie nicht tun? Die
Kirche ist keine politische Macht, keine Partei, sondern eine moralische Instanz,
sie hat moralische Macht. Der erste Gedanke der Kirche ist es, das Gewissen zu bilden
und so das notwendige Verantwortungsbewusstsein zu schaffen; das Gewissen muss einerseits
im Individuum, und andererseits aber auch im öffentlichen Bereich geschaffen werden
– und hier gibt es wohl noch Handlungsbedarf. Man sieht in Lateinamerika, aber auch
andernorts bei nicht wenigen Katholiken eine gewisse Diskrepanz zwischen individuellem
und öffentlichem Moralbewusstsein.“
Auf die Frage, ob er die Öffnung Kubas
im Sinne Johannes Paul II. wünsche, antwortet der Papst mit der Überlegung, dass er
nicht nur nur in absolutem Einklang mit den Worten Wojtylas sei, sondern dass der
Wunsch nach einer gegenseitigen Öffnung Kubas und der Welt nach wie vor aktuell sei.
Diese Öffnung müsse von der Kirche mit Geduld und Entschiedenheit unterstützt werden,
nicht zuletzt, um die Freiheit des Einzelnen auch im Spirituellen zu ermöglichen.
„Es ist heute offensichtlich, dass die marxistische Ideologie, wie sie einst formuliert
wurde, keine Antworten mehr auf die Fragen der Gegenwart gibt“, fügte Benedikt XVI.
mit Blick auf Kuba an.