Zum Tod von Papst Schenuda: Gespräch mit dem koptischen Bischof Anba Damian
„Bestürzt und traurig“:
So haben die koptischen Christen im deutschen Sprachraum die Nachricht vom Tod ihres
Papstes Schenuda aufgenommen. Das sagte der koptische Bischof Anba Damian, der im
deutschen Höxter residiert, in einem Telefoninterview mit Radio Vatikan an diesem
Montag.
„Wir haben den Tod schon erwartet, weil Papst Schenuda schon sehr
krank war; wir hielten das für seine persönliche Erlösung, aber jede Stunde, jede
Minute, die er gelebt hat, war für die koptische Kirche sehr wichtig und sehr sinnvoll
– vor allem in dieser außerordentlich kritischen Zeit! Aber natürlich überschreiten
die plötzliche Trennung und der Verlust jede Vorstellungskraft: Dass man sein Lächeln
nicht mehr erleben kann, seine Weisheit, seine Gebete, seinen Segen, seine Predigten
in der Kathedrale, seine Gottesdienste – dass man das nicht mehr haben kann, das tut
sehr weh.“
Er hat seine Kirche sehr lange geführt – was waren seine wichtigsten
Akzente aus Ihrer Sicht?
„Papst Schenuda legte sehr großen Wert auf die
Bildung seines Volkes. Er hat die Kirche befreit von alten Hierarchien und Irrlehren;
er legte sehr großen Wert auf die Jugendarbeit, er hat die Ökumene sehr geliebt und
hat eine Pionierleistung erbracht in Bezug auf die Christologie. Das, was uns – Katholiken
und Kopten – fünfzehn Jahrhunderte lang voneinander getrennt hat, hat er behoben,
und damit hat er eine historische Leistung in der Wiederherstellung der kirchlichen
Einheit erbracht. Papst Schenuda hat sich immer auch um die einzelnen Menschen gekümmert:
Nicht nur, dass er in der Kathedrale für tausende Menschen gepredigt hat, er hat auch
die einzelnen Menschen als sehr wertvoll betrachtet und behandelt und keinen im Stich
gelassen, egal ob sie Fragen hatten oder Hilfe brauchten.“
Papst Schenuda
wurde ausgerechnet am Ende seines Lebens vor die große Herausforderung gestellt: Er
musste seine Kirche durch eine Zeit der Unruhen in Ägypten und des so genannten Arabischen
Frühlings hindurchführen. Das war sicher schwierig für ihn – wie ist ihm das gelungen?
„Er
war so weise! Ich denke, die Weisheit der Wüstenväter erlebten wir bei ihm. Er fand
genau die passenden Worte. Er wusste genau, mit welchen Worten er die Themen behandeln
kann. Er hatte eine unbeschreibliche Weisheit im Umgang mit seinem Umfeld. Er hatte
es nicht leicht; jedes Wort hat er auf die Goldwaage gelegt, und es gelang ihm, zur
richtigen Zeit zu sagen, was zu sagen war, ohne dabei seine Kirche in Gefahr zu bringen.
Also, er hatte eine außerordentliche Weisheit in seiner Wortwahl, und zu jedem Anlass
konnte er genau entscheiden, ob Reden zu diesem Anlass das Richtige war, oder ob es
nicht besser war zu schweigen. Das ist ihm sehr, sehr gut gelungen.“
Manche,
vor allem junge, koptische Demonstranten auf dem Tahrir-Platz haben gesagt: Papst
Schenuda ist zu vorsichtig, zu nah am alten System, und jetzt kommen die ganzen Brandanschläge
und Koptenverfolgungen vor allem in Oberägypten! Was würden Sie denen antworten?
„Papst
Schenuda hat es nicht diktiert, was die Jugendlichen politisch entscheiden sollten,
aber er sorgte für die Stabilität und für den Schutz seiner Kirche! Selbstverständlich
hat die Facebook-Generation diese ehrenvolle Revolution in Gang gebracht, und das
hat er auch in einem Schreiben zusammen mit anderen Vertretern der Konfessionen in
Ägypten gewürdigt und hat sogar seine Zustimmung und seine Unterstützung gegeben.
Er hat in keiner Weise gesagt, dass die Jugendlichen nicht demonstrieren dürften;
er hat aber Gewalt nicht akzeptiert! Man darf legitime Mittel verwenden, von seinem
politischen Recht Gebrauch machen – im Gegenteil, er hat uns immer ermuntert, zum
Wahllokal zu gehen, von unserem Stimmrecht Gebrauch zu machen. Aber Gewalt oder Aggression,
das hat er verhindert.“
Wie wird jetzt ein Nachfolger für den verstorbenen
koptischen Papst bestimmt, und was sollte dieser Nachfolger vor allem mitbringen?
„Die
Synode der koptischen Kirche tagt, und es werden drei Kandidaten ausgesucht, die gewisse
Kriterien erfüllen, z.B. fünfzigjähriges monastisches Leben. Sie müssen die koptische
Sprache beherrschen, sie müssen ihre Dienste ohne Beanstandungen oder Strafen geleistet
haben. Die Namen dieser drei Kandidaten werden auf Zettel geschrieben, der dienstälteste
Bischof – das ist jetzt Metropolit Pachomios – leitet einen Gottesdienst in der Kathedrale,
und am Ende der Zeremonie holt die Gemeinde ein unbekanntes Kind, das zieht ein Los,
und das wird der künftige Papst der koptischen Kirche.
Was der Papst an
Eigenschaften mitbringen sollte, was wir dringend brauchen?
„Wir brauchen
einen Papst, der Wissenschaft und Spiritualität hat, der die Kirche mit ihrem sehr,
sehr reichen Erbe weiterhin begleitet und diesen Erbschatz, den wir haben, nicht zerstört
– und dass er die Ökumene fördert und pflegt.“