Der koptische Papst Schenuda III. ist tot. Das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche
starb am Samstag im Alter von 88 Jahren. Das teilte das ägyptische Fernsehen am Abend
in Kairo mit. Die genaue Todesursache war zunächst unklar; der Patriarch habe jahrelang
mit Leber- und Lungenproblemen zu kämpfen gehabt, so der Sender. Vor Schenudas Bischofskirche
in Kairo versammelten sich am Abend Tausende von Kopten zum Gebet. Am Sonntag defilierten
viele Gläubige in der Markuskathedrale an den sterblichen Überresten des Verstorbenen
vorbei. Das Requiem soll am Dienstag gefeiert werden; danach wird Schenuda im Bischoi-Kloster
im Wadi Natrun zwischen Kairo und Alexandria begraben.
„Papst von Alexandrien“
„Papst
von Alexandrien und Patriarch des Stuhles vom Heiligen Markus“: Das war der offizielle
Titel des Mannes, der seit 1971 einer der ältesten und wichtigsten christlichen Kirchen
vorstand. Weltweit gibt es rund zwölf Millionen Kopten; in Ägypten sind sie zehn Millionen
und stellen - genaue Zahlen gibt es nicht - zwischen sechs und zehn Prozent der Bevölkerung.
Laut der Tradition war Schenuda der 117. Nachfolger des Evangelisten Markus. Am 3.
August 1923 war er als Nasir Gayid Rafail in Abnoub in der oberägyptischen Provinz
Assiut geboren worden. Nach Studien der Theologie, Geschichte und Archäologie trat
er 1954 ins Kloster ein. Der damalige Kopten-Papst Kyrillos VI. ernannte ihn zu seinem
Privatsekretär. 1962 folgte die Bischofsweihe. Am 31. Oktober 1971 wurde er als Schenuda
III. zum Oberhaupt der koptischen Kirche gewählt.
al-Azhar: „Er war einer
unserer weisesten Führer“
Aus aller Welt treffen Würdigungen von Schenuda
ein, auf den sich seit letztem Jahr mit Ausbruch des Arabischen Frühlings viele Hoffnungen
und Erwartungen richteten. Die islamische Gemeinschaft in Ägypten sprach von einem
großen Verlust für das ganze ägyptische Volk. Auch die Arabische Liga, die ihren Sitz
in Kairo hat, kondolierte. Parteienvertreter, darunter auch die Partei der Muslimbrüder,
würdigten die politische Umsicht des Verstorbenen. Zum ersten Mal in der Geschichte
hatten im Januar an den koptischen Weihnachtsfeiern Schenudas auch Vertreter der Muslimbrüder
teilgenommen.
„Ägypten verlor in einem sensiblen Augenblick einen seiner seltensten
und weisesten Führer“, sagte der Großimam der al-Azhar-Universität, Scheich Ahmed
el-Tayib. Schenuda habe „vor allem die Jerusalem-Frage und das Palästinenserproblem
in der Öffentlichkeit wachgehalten“. „Ägypten weint“, titelt die unabhängige Tageszeitung
„al-Masry al-Yom“ an diesem Sonntag; „Lebe wohl, Papst Schenuda“, schreibt die Regierungszeitung
„Al-Ahram“. Der iranische Vize-Außenminister würdigte von Teheran aus die Friedensarbeit
des Verstorbenen. Die letzten Amtsjahre Schenudas III. waren von wiederholten gewaltsamen
Übergriffen auf die christliche Minderheit in Oberägypten überschattet. Unter anderem
starben zu Silvester 2010/2011 vor einer Kirche in Alexandria 23 Menschen bei einem
Bombenattentat. Nach dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak im Februar 2011 nahmen
Anschläge auf Kirchen und christliche Einrichtungen noch zu. Im Oktober wurden in
Kairo bei Zusammenstößen zwischen Muslimen und Kopten 26 Menschen getötet und rund
hundert verletzt. Schenuda III. bemühte sich um einen Kurs politischer Zurückhaltung
und warnte vor allem die christliche Jugend vor einer Radikalisierung.
Der
römische Papst kondoliert
Papst Benedikt XVI. kondolierte noch am Samstag
zum Tod des Kopten-Papstes, dem er persönlich nie begegnet ist. Die katholische Kirche
vereine sich in Trauer und Gebet mit den koptischen Christen, erklärte Vatikansprecher
Federico Lombardi am Samstagabend. „Der Herr möge diesen großen Hirten bei sich aufnehmen“,
so Lombardi wörtlich. Der Jesuit erinnerte an die Begegnung Johannes Pauls II. mit
Schenuda in Kairo im Jahr 2000: Das sei „ein wichtiger Moment des Dialogs im gemeinsamen
christlichen Glauben“ gewesen. Papst Schenuda war 1973, also zwei Jahre nach seinem
Amtsantritt, das erste Oberhaupt der koptischen Christen seit dem Konzil von Chalkedon
gewesen, das den römischen Papst besuchte. In Chalkedon war es 451 zum Auseinanderdriften
der Kirchen gekommen.
Am Sonntag wurde dann auch eine offizielle Trauerbotschaft
von Papst Benedikt bekannt. Darin erinnert er „voller Dankbarkeit an sein Engagement
für die Einheit der Christen“ und an Schenudas häufige Treffen mit Päpsten, angefangen
von Paul VI. in Rom. Benedikt wörtlich: „Die ganze katholische Kirche nimmt Anteil
an der Trauer der orthodoxen Kopten und bittet Jesus, der die Auferstehung und das
Leben ist, seinen treuen Diener bei sich aufzunehmen.“
Trauer auch
in Deutschland und Österreich
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz,
Erzbischof Robert Zollitsch sagte: „Der Brückenbauer der koptischen Christen ist von
uns gegangen.“ Sein Mitgefühl gelte vor allem allen koptischen Christen in Deutschland.
Schenuda III. habe sein Leben lang für die Rechte der koptischen Christen in Ägypten
gekämpft. Seinen Einsatz habe er mit einer langjährigen Exilierung unter Präsident
Anwar el-Sadat bezahlen müssen. Zollitsch betonte, Schenuda III. sei stets bemüht
gewesen, zur Beruhigung zwischen den immer neu aufflammenden Konflikten zwischen Muslimen
und Kopten zu vermitteln: „Er war ein Mann des Dialogs mit dem Islam und ein Garant
für einen lebendigen ökumenischen Dialog“.
„Mit dem Tod von Papst Schenuda
verliert die Christenheit einen der profiliertesten und nachhaltig wirksamsten Oberhirten.“
So reagierte der Wiener Kardinal Schönborn auf die Nachricht vom Tode Schenudas, mit
dem Schönborn über viele Jahre persönlich verbunden war. Wie kaum ein anderer Oberhirte
habe Schenuda über Jahrzehnte die Menschen seiner Kirche geformt und geprägt. „Unter
seinem Hirtendienst ist die koptische Kirche spürbar erstarkt, hat ein inneres und
äußeres Wachstum erlebt, das sich in der Lebendigkeit der koptischen Klöster, in dem
hohen Bildungsniveau der Gläubigen, in einem überzeugenden christlichen Engagement
ausgeprägt hat“, hielt Kardinal Schönborn fest. Der koptische Papst sei „wirklich
der Lehrer seines Volkes“ gewesen. Schönborn wörtlich: „Von seinen Gläubigen wurde
er innig geliebt und verehrt. Sein Humor bleibt allen unvergessen. Ich sehe vor mir
unvergessliche Bilder mit Papst Schenuda umringt von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen:
Er war ihnen wirklich Vater.“
Versöhnlich mit Muslimen, kritisch
gegenüber Israel
Seit der ägyptischen Revolution von 1952 sind
fast zwei Millionen koptische Christen aus Ägypten ausgewandert. Dadurch entstanden
auch in Europa, Nordamerika und Australien koptische Gemeinden. Für sie hat Patriarch
Schenuda reguläre Kirchenstrukturen aufgebaut. Auch dem kirchlichen Leben in Ägypten
verlieh er starke neue Impulse. Berühmt waren seine Mittwochsgebete in der Kathedrale
in Kairo, bei der er jede Woche spontan und geduldig die Fragen von Besuchern beantwortete.
Für sein Engagement im ökumenischen Dialog der Kirchen hat der koptische Papst international
zahlreiche Auszeichnungen erhalten, etwa von der Weltkulturorganisation Unesco. Sehr
kritisch trat Schenuda III. allerdings gegenüber Israel auf.
Ein Verantwortlicher
der koptischen Kirche Nordägyptens, Anglos Ishaq, kündigte an, dass der älteste koptische
Bischof bis zur Wahl eines Nachfolgers für Schenuda die Amtsgeschäfte übernehmen wird.
Vor der Beisetzung Schenudas würden die Gläubigen „genug Zeit haben, um von seinen
sterblichen Überresten Abschied zu nehmen“. Die Nachrichtenagentur Reuters spricht
von vielen traurigen Reaktionen auf die Todesnachricht bei einfachen Kopten in Ägypten.
Tenor: „Er hat uns in einer sehr harten Zeit verlassen – er war unser Fels – jetzt
helfe uns Gott.“ Christliche Intellektuelle sparten aber auch nicht mit Kritik an
Schenuda: Seine demonstrative Staatsnähe habe sich für die Kopten kaum ausgezahlt,
die Christen würden in Ägypten immer mehr wie eine Sekte wahrgenommen.