2012-03-18 09:57:20

Ägypten: Papst Schenuda III. gestorben


Der koptische Papst Schenuda III. ist tot. Das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche starb am Samstag im Alter von 88 Jahren. Das teilte das ägyptische Fernsehen am Abend in Kairo mit. Die genaue Todesursache war zunächst unklar; der Patriarch habe jahrelang mit Leber- und Lungenproblemen zu kämpfen gehabt, so der Sender. Vor Schenudas Bischofskirche in Kairo versammelten sich am Abend Tausende von Kopten zum Gebet. Am Sonntag defilierten viele Gläubige in der Markuskathedrale an den sterblichen Überresten des Verstorbenen vorbei. Das Requiem soll am Dienstag gefeiert werden; danach wird Schenuda im Bischoi-Kloster im Wadi Natrun zwischen Kairo und Alexandria begraben.

„Papst von Alexandrien“

„Papst von Alexandrien und Patriarch des Stuhles vom Heiligen Markus“: Das war der offizielle Titel des Mannes, der seit 1971 einer der ältesten und wichtigsten christlichen Kirchen vorstand. Weltweit gibt es rund zwölf Millionen Kopten; in Ägypten sind sie zehn Millionen und stellen - genaue Zahlen gibt es nicht - zwischen sechs und zehn Prozent der Bevölkerung. Laut der Tradition war Schenuda der 117. Nachfolger des Evangelisten Markus. Am 3. August 1923 war er als Nasir Gayid Rafail in Abnoub in der oberägyptischen Provinz Assiut geboren worden. Nach Studien der Theologie, Geschichte und Archäologie trat er 1954 ins Kloster ein. Der damalige Kopten-Papst Kyrillos VI. ernannte ihn zu seinem Privatsekretär. 1962 folgte die Bischofsweihe. Am 31. Oktober 1971 wurde er als Schenuda III. zum Oberhaupt der koptischen Kirche gewählt.

al-Azhar: „Er war einer unserer weisesten Führer“

Aus aller Welt treffen Würdigungen von Schenuda ein, auf den sich seit letztem Jahr mit Ausbruch des Arabischen Frühlings viele Hoffnungen und Erwartungen richteten. Die islamische Gemeinschaft in Ägypten sprach von einem großen Verlust für das ganze ägyptische Volk. Auch die Arabische Liga, die ihren Sitz in Kairo hat, kondolierte. Parteienvertreter, darunter auch die Partei der Muslimbrüder, würdigten die politische Umsicht des Verstorbenen. Zum ersten Mal in der Geschichte hatten im Januar an den koptischen Weihnachtsfeiern Schenudas auch Vertreter der Muslimbrüder teilgenommen.

„Ägypten verlor in einem sensiblen Augenblick einen seiner seltensten und weisesten Führer“, sagte der Großimam der al-Azhar-Universität, Scheich Ahmed el-Tayib. Schenuda habe „vor allem die Jerusalem-Frage und das Palästinenserproblem in der Öffentlichkeit wachgehalten“. „Ägypten weint“, titelt die unabhängige Tageszeitung „al-Masry al-Yom“ an diesem Sonntag; „Lebe wohl, Papst Schenuda“, schreibt die Regierungszeitung „Al-Ahram“. Der iranische Vize-Außenminister würdigte von Teheran aus die Friedensarbeit des Verstorbenen. Die letzten Amtsjahre Schenudas III. waren von wiederholten gewaltsamen Übergriffen auf die christliche Minderheit in Oberägypten überschattet. Unter anderem starben zu Silvester 2010/2011 vor einer Kirche in Alexandria 23 Menschen bei einem Bombenattentat. Nach dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak im Februar 2011 nahmen Anschläge auf Kirchen und christliche Einrichtungen noch zu. Im Oktober wurden in Kairo bei Zusammenstößen zwischen Muslimen und Kopten 26 Menschen getötet und rund hundert verletzt. Schenuda III. bemühte sich um einen Kurs politischer Zurückhaltung und warnte vor allem die christliche Jugend vor einer Radikalisierung.

Der römische Papst kondoliert

Papst Benedikt XVI. kondolierte noch am Samstag zum Tod des Kopten-Papstes, dem er persönlich nie begegnet ist. Die katholische Kirche vereine sich in Trauer und Gebet mit den koptischen Christen, erklärte Vatikansprecher Federico Lombardi am Samstagabend. „Der Herr möge diesen großen Hirten bei sich aufnehmen“, so Lombardi wörtlich. Der Jesuit erinnerte an die Begegnung Johannes Pauls II. mit Schenuda in Kairo im Jahr 2000: Das sei „ein wichtiger Moment des Dialogs im gemeinsamen christlichen Glauben“ gewesen. Papst Schenuda war 1973, also zwei Jahre nach seinem Amtsantritt, das erste Oberhaupt der koptischen Christen seit dem Konzil von Chalkedon gewesen, das den römischen Papst besuchte. In Chalkedon war es 451 zum Auseinanderdriften der Kirchen gekommen.

Am Sonntag wurde dann auch eine offizielle Trauerbotschaft von Papst Benedikt bekannt. Darin erinnert er „voller Dankbarkeit an sein Engagement für die Einheit der Christen“ und an Schenudas häufige Treffen mit Päpsten, angefangen von Paul VI. in Rom. Benedikt wörtlich: „Die ganze katholische Kirche nimmt Anteil an der Trauer der orthodoxen Kopten und bittet Jesus, der die Auferstehung und das Leben ist, seinen treuen Diener bei sich aufzunehmen.“


Trauer auch in Deutschland und Österreich

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch sagte: „Der Brückenbauer der koptischen Christen ist von uns gegangen.“ Sein Mitgefühl gelte vor allem allen koptischen Christen in Deutschland. Schenuda III. habe sein Leben lang für die Rechte der koptischen Christen in Ägypten gekämpft. Seinen Einsatz habe er mit einer
langjährigen Exilierung unter Präsident Anwar el-Sadat bezahlen müssen. Zollitsch betonte, Schenuda III. sei stets bemüht gewesen, zur Beruhigung zwischen den immer neu aufflammenden Konflikten zwischen Muslimen und Kopten zu vermitteln: „Er war ein Mann des Dialogs mit dem Islam und ein Garant für einen lebendigen ökumenischen Dialog“.

„Mit dem Tod von Papst Schenuda verliert die Christenheit einen der profiliertesten und nachhaltig wirksamsten Oberhirten.“ So reagierte der Wiener Kardinal Schönborn auf die Nachricht vom Tode Schenudas, mit dem Schönborn über viele Jahre persönlich verbunden war. Wie kaum ein anderer Oberhirte habe Schenuda über Jahrzehnte die Menschen seiner Kirche geformt und geprägt. „Unter seinem Hirtendienst ist die koptische Kirche spürbar erstarkt, hat ein inneres und äußeres Wachstum erlebt, das sich in der Lebendigkeit der koptischen Klöster, in dem hohen Bildungsniveau der Gläubigen, in einem überzeugenden christlichen Engagement ausgeprägt hat“, hielt Kardinal Schönborn fest. Der koptische Papst sei „wirklich der Lehrer seines Volkes“ gewesen. Schönborn wörtlich: „Von seinen Gläubigen wurde er innig geliebt und verehrt. Sein Humor bleibt allen unvergessen. Ich sehe vor mir unvergessliche Bilder mit Papst Schenuda umringt von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen: Er war ihnen wirklich Vater.“


Versöhnlich mit Muslimen, kritisch gegenüber Israel


Seit der ägyptischen Revolution von 1952 sind fast zwei Millionen koptische Christen aus Ägypten ausgewandert. Dadurch entstanden auch in Europa, Nordamerika und Australien koptische Gemeinden. Für sie hat Patriarch Schenuda reguläre Kirchenstrukturen aufgebaut. Auch dem kirchlichen Leben in Ägypten verlieh er starke neue Impulse. Berühmt waren seine Mittwochsgebete in der Kathedrale in Kairo, bei der er jede Woche spontan und geduldig die Fragen von Besuchern beantwortete. Für sein Engagement im ökumenischen Dialog der Kirchen hat der koptische Papst international zahlreiche Auszeichnungen erhalten, etwa von der Weltkulturorganisation Unesco. Sehr kritisch trat Schenuda III. allerdings gegenüber Israel auf.

Ein Verantwortlicher der koptischen Kirche Nordägyptens, Anglos Ishaq, kündigte an, dass der älteste koptische Bischof bis zur Wahl eines Nachfolgers für Schenuda die Amtsgeschäfte übernehmen wird. Vor der Beisetzung Schenudas würden die Gläubigen „genug Zeit haben, um von seinen sterblichen Überresten Abschied zu nehmen“. Die Nachrichtenagentur Reuters spricht von vielen traurigen Reaktionen auf die Todesnachricht bei einfachen Kopten in Ägypten. Tenor: „Er hat uns in einer sehr harten Zeit verlassen – er war unser Fels – jetzt helfe uns Gott.“ Christliche Intellektuelle sparten aber auch nicht mit Kritik an Schenuda: Seine demonstrative Staatsnähe habe sich für die Kopten kaum ausgezahlt, die Christen würden in Ägypten immer mehr wie eine Sekte wahrgenommen.


(rv 18.03.2012 sk)







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