Autobomben in Damaskus
und - an diesem Sonntag Mittag - in Aleppo, immer neue Gewalt in syrischen Städten,
Flüchtlinge an der Grenze zur Türkei und zum Libanon, das Regime von Baschar al-Assad
weiter im Sattel, die internationale Gemeinschaft tatenlos-gespalten. Aufständische
und Oppositionelle haben für diesen Sonntag zu Großdemonstrationen aufgerufen, weil
der 18. März ihnen als erster Jahrestag des Aufstandes gilt. Vor genau einem Jahr
gingen Tausende von Menschen in Syrien auf der Straße, und in der Stadt Daraa im Süden
des Landes floß das erste Blut. Mehr als 8.000 Menschen sind nach UNO-Angaben seitdem
in Syrien getötet worden: eine vorsichtige Schätzung.
„Diese Revolution
hat mit Kindern angefangen“, sagt im Interview mit uns der syrische Schriftsteller
Shady Hamadi, der in Italien im Exil lebt. „Die Kinder von Daraa waren unter den
ersten, die demonstriert haben. Das ist überhaupt keine islamische Revolution, und
Islamisten spielen in ihr fast keine Rolle – stattdessen standen am Anfang Familien,
vor allem Frauen mit ihren Kindern. Aber dem Regime liegt daran, in diesem Konflikt
Gruppen gegeneinander aufzuhetzen: Die Schuld an allem soll auf die Minderheiten fallen.“
Unter
diesen Minderheiten sind vor allem verschiedene christliche Konfessionen, die in der
Vergangenheit eigentlich immer zur Regierung gehalten haben. Hamadi hofft, dass die
Rechnung der Regierung nicht aufgeht – immerhin seien doch gerade die Christen im
Land immer sehr beliebt gewesen.
„Man schaue sich doch nur die jüngere
Vergangenheit Syriens an: Der populärste Innenminister in der syrischen Geschichte
überhaupt war ein Christ. In Syrien war das Zusammenleben und die Brüderlichkeit mit
den religiösen Minderheiten immer ein fester Bestandteil des Lebens. Pater Paolo Dall`Oglio,
der an Jesus glaubt, aber in den Islam verliebt ist, kann dafür ein Beispiel sein;
er betont, dass das Zusammenleben nicht etwas Neues ist, wie das Regime das immer
darstellt. Als wäre die Brüderlichkeit erst mit dem Sieg der Baath-Partei 1963 in
Syrien ausgebrochen! Nein, das ist eine Frucht von Tausenden von Jahren.“
Der
Jesuit Dall`Oglio, von dem der Schriftsteller spricht, leitet ein Kloster in den Bergen
bei Damaskus, das auch von vielen muslimischen Pilgern besucht wird. Vor kurzem wäre
der gebürtige Italiener beinahe von den syrischen Behörden des Landes verwiesen worden,
doch eine diskrete Intervention der Nuntiatur in Damaskus sorgte dafür, dass der Pater
bleiben darf. Wie Dall`Oglio setzt sich auch Hamadi für einen „glaubwürdigen Dialog“
in Syrien ein, um die „Blockade“ im Land aufzulösen und, wie er sagt, „mein Volk vor
dem Märtyrertod zu retten“. Vor kurzem hat Hamadi einen Offenen Brief an den Papst
geschrieben, der auch im katholischen Magazin „Famiglia Cristiana“, dem auflagenstärksten
in Italien, veröffentlicht wurde.
„Ich habe ihm von der völligen Verzweiflung
geschrieben, die in Syrien herrscht, und ihn gebeten, zum Zustandekommen eines Dialogs
in Syrien beizutragen oder sich sogar als Vermittler anzubieten, damit diese lange
Blutspur an ein Ende kommt. Mir ging es auch darum, zu betonen, dass man keine Angst
vor der Zukunft zu haben braucht: Natürlich wissen wir nicht genau, was später mal
in Syrien kommt, aber jetzt geht es erstmal darum, die Menschen zu retten und die
Beziehungen, die sie untereinander haben!“