2012-03-18 10:34:40

Syrien: Tote, Flüchtlinge, Angst


RealAudioMP3 Autobomben in Damaskus und - an diesem Sonntag Mittag - in Aleppo, immer neue Gewalt in syrischen Städten, Flüchtlinge an der Grenze zur Türkei und zum Libanon, das Regime von Baschar al-Assad weiter im Sattel, die internationale Gemeinschaft tatenlos-gespalten. Aufständische und Oppositionelle haben für diesen Sonntag zu Großdemonstrationen aufgerufen, weil der 18. März ihnen als erster Jahrestag des Aufstandes gilt. Vor genau einem Jahr gingen Tausende von Menschen in Syrien auf der Straße, und in der Stadt Daraa im Süden des Landes floß das erste Blut. Mehr als 8.000 Menschen sind nach UNO-Angaben seitdem in Syrien getötet worden: eine vorsichtige Schätzung.


„Diese Revolution hat mit Kindern angefangen“, sagt im Interview mit uns der syrische Schriftsteller Shady Hamadi, der in Italien im Exil lebt. „Die Kinder von Daraa waren unter den ersten, die demonstriert haben. Das ist überhaupt keine islamische Revolution, und Islamisten spielen in ihr fast keine Rolle – stattdessen standen am Anfang Familien, vor allem Frauen mit ihren Kindern. Aber dem Regime liegt daran, in diesem Konflikt Gruppen gegeneinander aufzuhetzen: Die Schuld an allem soll auf die Minderheiten fallen.“


Unter diesen Minderheiten sind vor allem verschiedene christliche Konfessionen, die in der Vergangenheit eigentlich immer zur Regierung gehalten haben. Hamadi hofft, dass die Rechnung der Regierung nicht aufgeht – immerhin seien doch gerade die Christen im Land immer sehr beliebt gewesen.


„Man schaue sich doch nur die jüngere Vergangenheit Syriens an: Der populärste Innenminister in der syrischen Geschichte überhaupt war ein Christ. In Syrien war das Zusammenleben und die Brüderlichkeit mit den religiösen Minderheiten immer ein fester Bestandteil des Lebens. Pater Paolo Dall`Oglio, der an Jesus glaubt, aber in den Islam verliebt ist, kann dafür ein Beispiel sein; er betont, dass das Zusammenleben nicht etwas Neues ist, wie das Regime das immer darstellt. Als wäre die Brüderlichkeit erst mit dem Sieg der Baath-Partei 1963 in Syrien ausgebrochen! Nein, das ist eine Frucht von Tausenden von Jahren.“


Der Jesuit Dall`Oglio, von dem der Schriftsteller spricht, leitet ein Kloster in den Bergen bei Damaskus, das auch von vielen muslimischen Pilgern besucht wird. Vor kurzem wäre der gebürtige Italiener beinahe von den syrischen Behörden des Landes verwiesen worden, doch eine diskrete Intervention der Nuntiatur in Damaskus sorgte dafür, dass der Pater bleiben darf. Wie Dall`Oglio setzt sich auch Hamadi für einen „glaubwürdigen Dialog“ in Syrien ein, um die „Blockade“ im Land aufzulösen und, wie er sagt, „mein Volk vor dem Märtyrertod zu retten“. Vor kurzem hat Hamadi einen Offenen Brief an den Papst geschrieben, der auch im katholischen Magazin „Famiglia Cristiana“, dem auflagenstärksten in Italien, veröffentlicht wurde.


„Ich habe ihm von der völligen Verzweiflung geschrieben, die in Syrien herrscht, und ihn gebeten, zum Zustandekommen eines Dialogs in Syrien beizutragen oder sich sogar als Vermittler anzubieten, damit diese lange Blutspur an ein Ende kommt. Mir ging es auch darum, zu betonen, dass man keine Angst vor der Zukunft zu haben braucht: Natürlich wissen wir nicht genau, was später mal in Syrien kommt, aber jetzt geht es erstmal darum, die Menschen zu retten und die Beziehungen, die sie untereinander haben!“

(rv 18.03.2012 sk)








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