Joachim „Blacky“ Fuchsberger wird 85: Schauspieler, Menschenfreund, Rebell
Joachim Fuchsberger
braucht dem breiten Publikum nicht vorgestellt zu werden. Unzählige Filme, Fernsehauftritte,
Talkshows, Moderationen, langjähriger Unicef-Botschafter, Chefsprecher der Olympiade
in München, Großer-Fernsehpreis-Träger und und und haben das Multitalent weit über
die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gemacht. Der heute 85 Jahre alte Künstler
kann auf eine fabelhafte Karriere zurückblicken. Joachim Fuchsberger, alias Blacky,
ist ein Mensch, der mit Haltung durchs Leben geht. Seitdem er – in Stuttgart geboren
und in Heidelberg aufgewachsen – im Alter von 15 Jahren in den Krieg geschickt wurde,
als Soldat in russische Gefangenschaft geriet und mit 18 Veteran des Zweiten Weltkrieges
war, hat er sich als Lebensprinzip geschworen, „unabhängig” zu bleiben. Seine Lebens-Erfahrungen
bringt er in einem Buch mit dem aufschlussreichen Titel: ‚Altwerden ist nichts für
Feiglinge’ zum Ausdruck. Es ist ein hohes Lied auf alte Menschen, voll Klugheit und
Philosophie, Heiterkeit und Lebensweisheit. Ein Bestseller. Vor zwei Jahren haben
Joachim Fuchsberger und seine Frau Gundula ihren 54-jährigen Sohn Thomas durch einen
Unfall verloren. Es war die schwierigste Zäsur im gemeinsamen Leben einer glücklichen,
nunmehr 60 Jahre währenden Ehe.
Herr Fuchsberger …
„In den zehn Geboten
steht: Du sollst nicht lügen, Du nennst mich Herr Fuchsberger. Das lehne ich ab. Ich
bin Blacky für Dich! Wir haben uns zum freundschaftlichen DU entschlossen und ich
möchte unsere Zuhörer nicht belügen. Für mich bist Du Aldo, mit großem Respekt, und
ich freue mich, dass ich heute in Radio Vatikan sein darf.“
Danke für diese
freundschaftliche Richtigstellung, Blacky – Du sagst, der tägliche Blick in den Spiegel
ist ein Dialog mit sich selbst: sagt er uns die Wahrheit?
„Der Spiegel kann
keine Wahrheit sagen, die Wahrheit liegt in dir selbst. Du musst Dir gegenüber ehrlich
sein und sagen: die Zeit des Ruhmes, die Zeit des Jubelns scheint vorbei zu sein.
Es kommt die Zeit des Nachdenkens und zur Nachdenklichkeit gehört die Ehrlichkeit
vor sich selbst. Ich glaube, eine der schwierigsten Aufgaben für den Menschen ist
es, sich nicht selbst permanent etwas vorzugaukeln, sondern das Altern anzuerkennen
und sich damit abzufinden. Nur so kann die innere Fröhlichkeit erhalten bleiben. Unabhängigkeit
ist der Luxus, n e i n sagen zu können! Zu den Angeboten dieser Zeit, die an Quantitäten
vielleicht zunehmen und an Qualität rapide abnehmen“.
Dein Curriculum vitae
ist zweifellos von Erfolg gekennzeichnet. Aber auch in Deinem Leben mussstet Du –
wie die meisten Menschen – große Hürden überwinden. Welche würdest Du als Deine schwierigste
nennen?
„Lass es mich mit einem Vergleich beantworten: vor vielen Jahren habe
ich einen weltberühmten Jockey interviewt, und habe ihn gefragt, ob er nicht Angst
habe, sich an einem der Rennen das Genick zu zerbrechen? Und er hat mir eine philosophische
Antwort gegeben: Wenn er beim Start schon an jede Hürde denken würde, die er zu überwinden
hat, würde er das Rennen nie beenden. Die härteste Prüfung war ohne Zweifel der Tod
unseres Sohnes, der Diabetiker war und durch einen unglücklichen Zustand der Unterzuckerung
auf schreckliche Weise ertrinken musste. Das war die wohl härteste Prüfung, die uns
ausgerechnet auch im hohen Alter erwischt hat“.
Wir haben es in der Einleitung
erwähnt, Deinen unstillbaren Drang nach Unabhängigkeit. Sie zählt zu den festen Charakterzügen
von Joachim Fuchsberger. Was ist das, ‚Unabhängigkeit’?
„Dass man noch frei
entscheiden kann. Oder: Du hast kurze Sätze verlangt: Unabhängigkeit ist der Luxus,
‚Nein’ sagen zu können! Zu den Angeboten dieser Zeit, die an Quantitäten vielleicht
zunehmen und an Qualität rapide abnehmen. Ich habe immer daran gedacht: was muss
i c h dazu tun, um unabhängig zu bleiben? Was mir dabei ungeheuer geholfen hat, war
mein Bekenntnis zu den zehn Geboten – ohne die Religion. Weil ich denke, die 10 Gebote
sagen den Menschen, was er tun muss, um mit sich selbst zufrieden zu sein, um mit
sich selbst ins Reine zu kommen. Und vor sich selbst Verantwortung zu übernehmen.
Nicht immer alles anderen zuschieben und nicht immer die Hilfe von wo anders zu erwarten.“
Was steht hinter der Erfolgsformel Deiner langjährigen glücklichen Ehe?
„Es
sind die vier V. Verstehen, Vertrauen, Verzeihen, Verzichten! Das hört sich sehr einfach
an, aber wenn du es praktizieren musst, dann merkst du, wie schwer es ist. Ich habe
meiner Frau immer vertraut, ich habe immer versucht, sie zu verstehen - obwohl, ein
Mann versteht eine Frau nie ganz richtig (lacht) – bis an sein Lebensende nicht. Aber
ich habe, um es zu entdramatisieren – zum Schluss gesagt: Ich habe aber immer auf
alles verzichtet. Der Beruf, in dem ich bin, ist gespickt von Versuchungen jeglicher
Art. Und darauf zu verzichten, was angeblich ja so schön ist im Leben, Gefühlen nachzugeben
oder sich treiben zu lassen….Nein, das ist nicht gut.“
Bist Du in Deinem Leben
eher der Vernunft, als Deinen Gefühlen gefolgt?
„Ich glaube, es ist eine Mischung
aus beidem. Manchmal ist das Gefühl gefragt und manchmal ist die Vernunft gefragt.
In der Position, in die mich das Schicksal glücklicherweise geführt hat, hatte ich
oft wichtige Dinge zu entscheiden. Die vielleicht wichtigste Entscheidung, die ich
in meinem Leben treffen musste – das war bei der Schlussfeier der Olympischen Spiele
1972 in München, als es in meiner Hand gelegt war, das Stadion räumen zu lassen oder
einfach den Mund zu halten in Bezug auf die angedrohte Gefahr des Attentats. Und da
habe ich rein nach Gefühl entschieden.“
Ein von Vernunft getragenes Gefühl,
allerdings….
„… und da habe ich dem Gefühl folgend gesagt: das Risiko, dass
ungezählt viele Menschen sterben müssen, bloß weil ich irgend etwas sage, da halte
ich lieber den Mund. Ich habe Angst gehabt, eine falsche Entscheidung zu treffen,
aber es war die richtige Entscheidung. Das war nicht die Vernunft. Die Vernunft hätte
geboten, das Stadion räumen zu lassen.“
Seit den tragischen Kriegserlebnissen
in Deiner frühen Jugendzeit hast Du den Kontakt zur Religion verloren. Du bekennst
Dich zwar zu den 10 Geboten, nennst Dich aber einen Agnostiker?
„Ja.“
Lass’
mich dazu sagen: Die Kirche sucht den Austausch mit Agnostikern, im vermehrten Maße
seit es die Stiftung ‚Vorhof der Völker’ gibt. Was heißt das? ‚Vorhof der Völker’
beruht auf einer Idee Papst Benedikts XVI. und wird vom Kulturminister des Vatikans,
Kardinal Gianfranco Ravasi, geleitet. Die Kirche glaubt nämlich – und das ist wichtig
– dass Agnostiker, Nichtglaubende, Andersdenkende – vielleicht unbefangener als Gläubige
– mögliche Verkrampfungen oder Fehldeutungen religiöser Ideen manchmal besser erkennen
können.
„Wenn das eine durch Benedikt XVI. eingeleitete Institution ist, dann
sei er dafür gelobt! Es ist im Augenblick erkennbar, in welchen Schwierigkeiten vornehmlich
die römisch-katholische Kirche steckt. Und ich glaube, dass die Überwindung dieser
Schwierigkeiten gerade diese Dogmen sind, auf denen aber die Macht der Kirche beruht.
Sie wurde vor 2000 Jahren gegründet, und hat im Laufe dieser langen Zeit sich in eine
Richtung entwickelt, die diametral den heutigen Erkenntnissen entgegen steht. Aus
dem einfachen Grund, weil es heute die Medien gibt, die über alles, was in der Welt
geschieht, permanent und rund um die Uhr nicht nur berichten, sondern es auch zeigen!
Das bringt sehr viele Menschen, die sich weniger kritisch mit der Religion auseinandersetzen
in Verwirrung. Sie vergleichen und sagen: wenn Gott allmächtig ist, warum lässt er
das und jenes zu?“
In der Tat, eine immer wieder gestellte Frage.
„Für
mich ist Gott ein Begriff mit vier Buchstaben. Den jeder Mensch nur für sich selbst
zum Leben erwecken kann. Wer Gott nicht in sich fühlt, sondern dazu eine Institution
braucht, dann habe ich Schwierigkeiten.“
Ein Suchender also? Jeder Mensch
ist auf der Suche nach den großen Fragen des Lebens.
„Nein, ich habe gefunden.
Die Art, wie ich mit Gott umgehe, die habe ich gefunden. Ich suche nicht mehr, denn
ich merke, dass ich mit mir innerlich zufrieden bin, weil ich mich nicht gegen Gott
auflehne. Ich lehne mich auf gegen eine Institution, die mir befiehlt, was ich zu
tun und zu lassen habe. Das entscheide ich selbst!“
Wie gesagt, die Kirche,
in diesem Fall die Stiftung ‚Vorhof der Völker, sucht den Austausch mit Agnostikern.
Sie richtet den Fokus auf Andersdenkende. Deiner Meinung nach haben wir eben gehört,
ist Gott nicht allmächtig, aber allgegenwärtig. Das ist eine interessante Aussage.
„Richtig,
ja…das ist ein Satz….“
Und wer diesen Gott nicht in sich hat, wird ihn nicht
finden.
„Richtig“.
In keiner Kirche, in keinem Dom, schreibst Du ja
in Deinem Buch….
„Ich schreibe, er wird ihn nicht in der Sixtinischen Kapelle
finden. Wir sehen heute Menschen im All herumfliegen, die also diesem versinnbildlichen
Gott viel näher zu sein scheinen. Und alle kommen zurück und haben sich in ihrem Glauben
völlig verändert. Weil sie nicht Gott gesehen haben, aber die Erde aus einem ganz
anderen Blickwinkel. Ich bin eher ein Anhänger der Evolution, aber, und immer wieder
komme ich darauf zurück: das ist schon gewaltig, dass man in zehn Geboten zusammen
fassen kann, wie Menschen leben sollen, um glücklich zu werden. So wie die Kirche
sagt, Du wirst glücklich, wenn Du die zehn Gebote befolgst. Und, um zu deiner Frage
zurück zu kommen: ich finde, dass die Bemühung von Papst Benedikt XVI. - sich mit
den Agnostikern auseinander zu setzen – um dadurch vielleicht eine Möglichkeit zu
finden, diese Diskrepanz friedlich auszufüllen, zu einem besseren Empfinden führen
wird. Viele Menschen fragen sich, ob sie eine Seele haben oder ob das nur das Gewissen
ist, das in uns schlägt. Und da, glaube ich, ist noch sehr viel zu tun. Und wenn die
institutionalisierte Kirche das einsieht, kann sie einen großen Teil ihrer eigenen
Schwierigkeiten vermindern und in den ganz wesentlichen Punkten möglicherweise sogar
vermeiden“.
Eben war die Rede von Unabhängigkeit. Und was ist Ungerechtigkeit?
„Ei,
ei, ei…. Wir haben in Deutschland im Augenblick eine sehr kritische Zeit im Bezug
auf politische Moral, auf Ethik. Ungerechtigkeit ist, wenn es Gesetze gibt, ebenso
so wie verschiedene Dogmen, die nicht mehr einsehbar sind. Warum ein Gericht so oder
so entscheidet, und jeder Mensch sagt: das ist ungerecht. Dann kommen die großen Juristen
und sagen: das Gesetz verlangt es so! Ich bin einer von diesen Rebellen, die immer
sagen, ich sehe Gesetz so lange ein, wie ich sie einsehe. Wenn sie für mich keinen
Sinn machen, bin ich sehr geneigt Gesetz zu umgehen oder sogar sie zu brechen. Sie
nicht einzuhalten, weil ich es als ungerecht empfinde, und dann empfinde ich das Leben
überhaupt als keine Veranstaltung der Gerechtigkeit, sondern es ist für mich mehr
das Ergebnis eigener Bemühungen und das Ergebnis von Glück und – jetzt weiß ich, werden
viele aufheulen – für mich ist es nicht Gottes Fügung – sondern für mich ist es Schicksal.
Ich muss mit mir selbst ins Reine kommen. Du hast vorher den Vergleich gebraucht,
in den Spiegel zu schauen: ich muss in den Spiegel schauen, ob ich mir dabei noch
selbst in die Augen schauen kann’“
Das Wort Moral ist jetzt gefallen. Ist Moral
ein Reizwort, das die Generationen scheidet?
„Ich glaube Ja! Ich glaube die
Auslegung und die Vorstellungen dieses sehr überhöhten Begriffes Moral sind heute
eben anders. Man nimmt es etwas lockerer mit der Moral. Wo fängt Moral an, wo hört
sie auf? Die Moral zum Beispiel in der Politik, die unser Leben ja im wesentlichen
bestimmt, ist die Moral nicht mehr hoch angesehen. Sondern es sind eben einfach die
Erkenntnisse von Menschen, die sich mit bestimmten Dingen befassen und sagen: so ist
das und wir bestimmen was Moral ist. Ich lass mir Moral und Ethik nicht vorschreiben;
sondern ich handle nach meinem Empfinden. Nach meinem Gefühl.“
Wieder dieses
Wort Gefühl.
„Ja! es muss irgendwo eine Verbindung da sein zu dem, was wir
besprochen haben. Dass viele Menschen mir im Laufe unseres Lebens – auch meiner Frau
– immer gesagt haben: also wenn Du ein Pfarrer wärst, dann würden wir wieder in die
Kirche gehen. Und ich bin dann jedes Mal sehr erschrocken, weil ich gesagt habe, ich
glaube nicht, dass ich diese große Verantwortung offiziell übernehmen könnte oder
dürfte. Und dann hat man mir einen Titel gegeben, auf dem ich fast, fast ein bisschen
stolz bin. Man hat mich den wandelnden ‚Seelenmülleimer’ genannt. Sie kamen mit ihren
großen Sorgen immer zu mir. Vor allem: prüfe Dich, ob du den Aufgeben denen du gegenüber
stehst auch gewachsen bist. Und wenn du sagt, ja, diese Aufgabe übernehme ich, dann
tu’s und tu’s mit vollem Einsatz und mit deinem ganzen Herzen und was immer du zur
Verfügung hast.“
Danke für dieses Gespräch, Blacky, in dem es durchaus auch
gemeinsame Frequenzen gegeben hat.
„Ja, da sage ich begeistert Ja. Ich bin
gerne bereit, weiter zu diesem Gedankenaustausch. Es ist ja kein Streit, es ist ein
Gedankenaustausch, im Respekt voreinander. Menschen tun gut daran, wenn sie sich gegenseitig
respektieren. Und nicht ständig sagen: Du bist falsch und ich bin richtig! Sondern
der Respekt voreinander ist die Grundvoraussetzung für das miteinander auskommen.“