2012-03-18 09:58:11

Joachim „Blacky“ Fuchsberger wird 85: Schauspieler, Menschenfreund, Rebell


RealAudioMP3 Joachim Fuchsberger braucht dem breiten Publikum nicht vorgestellt zu werden. Unzählige Filme, Fernsehauftritte, Talkshows, Moderationen, langjähriger Unicef-Botschafter, Chefsprecher der Olympiade in München, Großer-Fernsehpreis-Träger und und und haben das Multitalent weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gemacht. Der heute 85 Jahre alte Künstler kann auf eine fabelhafte Karriere zurückblicken. Joachim Fuchsberger, alias Blacky, ist ein Mensch, der mit Haltung durchs Leben geht. Seitdem er – in Stuttgart geboren und in Heidelberg aufgewachsen – im Alter von 15 Jahren in den Krieg geschickt wurde, als Soldat in russische Gefangenschaft geriet und mit 18 Veteran des Zweiten Weltkrieges war, hat er sich als Lebensprinzip geschworen, „unabhängig” zu bleiben. Seine Lebens-Erfahrungen bringt er in einem Buch mit dem aufschlussreichen Titel: ‚Altwerden ist nichts für Feiglinge’ zum Ausdruck. Es ist ein hohes Lied auf alte Menschen, voll Klugheit und Philosophie, Heiterkeit und Lebensweisheit. Ein Bestseller. Vor zwei Jahren haben Joachim Fuchsberger und seine Frau Gundula ihren 54-jährigen Sohn Thomas durch einen Unfall verloren. Es war die schwierigste Zäsur im gemeinsamen Leben einer glücklichen, nunmehr 60 Jahre währenden Ehe.

Herr Fuchsberger …

„In den zehn Geboten steht: Du sollst nicht lügen, Du nennst mich Herr Fuchsberger. Das lehne ich ab. Ich bin Blacky für Dich! Wir haben uns zum freundschaftlichen DU entschlossen und ich möchte unsere Zuhörer nicht belügen. Für mich bist Du Aldo, mit großem Respekt, und ich freue mich, dass ich heute in Radio Vatikan sein darf.“

Danke für diese freundschaftliche Richtigstellung, Blacky – Du sagst, der tägliche Blick in den Spiegel ist ein Dialog mit sich selbst: sagt er uns die Wahrheit?

„Der Spiegel kann keine Wahrheit sagen, die Wahrheit liegt in dir selbst. Du musst Dir gegenüber ehrlich sein und sagen: die Zeit des Ruhmes, die Zeit des Jubelns scheint vorbei zu sein. Es kommt die Zeit des Nachdenkens und zur Nachdenklichkeit gehört die Ehrlichkeit vor sich selbst. Ich glaube, eine der schwierigsten Aufgaben für den Menschen ist es, sich nicht selbst permanent etwas vorzugaukeln, sondern das Altern anzuerkennen und sich damit abzufinden. Nur so kann die innere Fröhlichkeit erhalten bleiben. Unabhängigkeit ist der Luxus, n e i n sagen zu können! Zu den Angeboten dieser Zeit, die an Quantitäten vielleicht zunehmen und an Qualität rapide abnehmen“.

Dein Curriculum vitae ist zweifellos von Erfolg gekennzeichnet. Aber auch in Deinem Leben mussstet Du – wie die meisten Menschen – große Hürden überwinden. Welche würdest Du als Deine schwierigste nennen?

„Lass es mich mit einem Vergleich beantworten: vor vielen Jahren habe ich einen weltberühmten Jockey interviewt, und habe ihn gefragt, ob er nicht Angst habe, sich an einem der Rennen das Genick zu zerbrechen? Und er hat mir eine philosophische Antwort gegeben: Wenn er beim Start schon an jede Hürde denken würde, die er zu überwinden hat, würde er das Rennen nie beenden. Die härteste Prüfung war ohne Zweifel der Tod unseres Sohnes, der Diabetiker war und durch einen unglücklichen Zustand der Unterzuckerung auf schreckliche Weise ertrinken musste. Das war die wohl härteste Prüfung, die uns ausgerechnet auch im hohen Alter erwischt hat“.

Wir haben es in der Einleitung erwähnt, Deinen unstillbaren Drang nach Unabhängigkeit. Sie zählt zu den festen Charakterzügen von Joachim Fuchsberger. Was ist das, ‚Unabhängigkeit’?

„Dass man noch frei entscheiden kann. Oder: Du hast kurze Sätze verlangt: Unabhängigkeit ist der Luxus, ‚Nein’ sagen zu können! Zu den Angeboten dieser Zeit, die an Quantitäten vielleicht zunehmen und an Qualität rapide abnehmen. Ich habe immer daran gedacht: was muss i c h dazu tun, um unabhängig zu bleiben? Was mir dabei ungeheuer geholfen hat, war mein Bekenntnis zu den zehn Geboten – ohne die Religion. Weil ich denke, die 10 Gebote sagen den Menschen, was er tun muss, um mit sich selbst zufrieden zu sein, um mit sich selbst ins Reine zu kommen. Und vor sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Nicht immer alles anderen zuschieben und nicht immer die Hilfe von wo anders zu erwarten.“


Was steht hinter der Erfolgsformel Deiner langjährigen glücklichen Ehe?

„Es sind die vier V. Verstehen, Vertrauen, Verzeihen, Verzichten! Das hört sich sehr einfach an, aber wenn du es praktizieren musst, dann merkst du, wie schwer es ist. Ich habe meiner Frau immer vertraut, ich habe immer versucht, sie zu verstehen - obwohl, ein Mann versteht eine Frau nie ganz richtig (lacht) – bis an sein Lebensende nicht. Aber ich habe, um es zu entdramatisieren – zum Schluss gesagt: Ich habe aber immer auf alles verzichtet. Der Beruf, in dem ich bin, ist gespickt von Versuchungen jeglicher Art. Und darauf zu verzichten, was angeblich ja so schön ist im Leben, Gefühlen nachzugeben oder sich treiben zu lassen….Nein, das ist nicht gut.“

Bist Du in Deinem Leben eher der Vernunft, als Deinen Gefühlen gefolgt?

„Ich glaube, es ist eine Mischung aus beidem. Manchmal ist das Gefühl gefragt und manchmal ist die Vernunft gefragt. In der Position, in die mich das Schicksal glücklicherweise geführt hat, hatte ich oft wichtige Dinge zu entscheiden. Die vielleicht wichtigste Entscheidung, die ich in meinem Leben treffen musste – das war bei der Schlussfeier der Olympischen Spiele 1972 in München, als es in meiner Hand gelegt war, das Stadion räumen zu lassen oder einfach den Mund zu halten in Bezug auf die angedrohte Gefahr des Attentats. Und da habe ich rein nach Gefühl entschieden.“

Ein von Vernunft getragenes Gefühl, allerdings….

„… und da habe ich dem Gefühl folgend gesagt: das Risiko, dass ungezählt viele Menschen sterben müssen, bloß weil ich irgend etwas sage, da halte ich lieber den Mund. Ich habe Angst gehabt, eine falsche Entscheidung zu treffen, aber es war die richtige Entscheidung. Das war nicht die Vernunft. Die Vernunft hätte geboten, das Stadion räumen zu lassen.“

Seit den tragischen Kriegserlebnissen in Deiner frühen Jugendzeit hast Du den Kontakt zur Religion verloren. Du bekennst Dich zwar zu den 10 Geboten, nennst Dich aber einen Agnostiker?

„Ja.“

Lass’ mich dazu sagen: Die Kirche sucht den Austausch mit Agnostikern, im vermehrten Maße seit es die Stiftung ‚Vorhof der Völker’ gibt. Was heißt das? ‚Vorhof der Völker’ beruht auf einer Idee Papst Benedikts XVI. und wird vom Kulturminister des Vatikans, Kardinal Gianfranco Ravasi, geleitet. Die Kirche glaubt nämlich – und das ist wichtig – dass Agnostiker, Nichtglaubende, Andersdenkende – vielleicht unbefangener als Gläubige – mögliche Verkrampfungen oder Fehldeutungen religiöser Ideen manchmal besser erkennen können.

„Wenn das eine durch Benedikt XVI. eingeleitete Institution ist, dann sei er dafür gelobt! Es ist im Augenblick erkennbar, in welchen Schwierigkeiten vornehmlich die römisch-katholische Kirche steckt. Und ich glaube, dass die Überwindung dieser Schwierigkeiten gerade diese Dogmen sind, auf denen aber die Macht der Kirche beruht. Sie wurde vor 2000 Jahren gegründet, und hat im Laufe dieser langen Zeit sich in eine Richtung entwickelt, die diametral den heutigen Erkenntnissen entgegen steht. Aus dem einfachen Grund, weil es heute die Medien gibt, die über alles, was in der Welt geschieht, permanent und rund um die Uhr nicht nur berichten, sondern es auch zeigen! Das bringt sehr viele Menschen, die sich weniger kritisch mit der Religion auseinandersetzen in Verwirrung. Sie vergleichen und sagen: wenn Gott allmächtig ist, warum lässt er das und jenes zu?“

In der Tat, eine immer wieder gestellte Frage.

„Für mich ist Gott ein Begriff mit vier Buchstaben. Den jeder Mensch nur für sich selbst zum Leben erwecken kann. Wer Gott nicht in sich fühlt, sondern dazu eine Institution braucht, dann habe ich Schwierigkeiten.“


Ein Suchender also? Jeder Mensch ist auf der Suche nach den großen Fragen des Lebens.

„Nein, ich habe gefunden. Die Art, wie ich mit Gott umgehe, die habe ich gefunden. Ich suche nicht mehr, denn ich merke, dass ich mit mir innerlich zufrieden bin, weil ich mich nicht gegen Gott auflehne. Ich lehne mich auf gegen eine Institution, die mir befiehlt, was ich zu tun und zu lassen habe. Das entscheide ich selbst!“

Wie gesagt, die Kirche, in diesem Fall die Stiftung ‚Vorhof der Völker, sucht den Austausch mit Agnostikern. Sie richtet den Fokus auf Andersdenkende. Deiner Meinung nach haben wir eben gehört, ist Gott nicht allmächtig, aber allgegenwärtig. Das ist eine interessante Aussage.

„Richtig, ja…das ist ein Satz….“

Und wer diesen Gott nicht in sich hat, wird ihn nicht finden.

„Richtig“.

In keiner Kirche, in keinem Dom, schreibst Du ja in Deinem Buch….

„Ich schreibe, er wird ihn nicht in der Sixtinischen Kapelle finden. Wir sehen heute Menschen im All herumfliegen, die also diesem versinnbildlichen Gott viel näher zu sein scheinen. Und alle kommen zurück und haben sich in ihrem Glauben völlig verändert. Weil sie nicht Gott gesehen haben, aber die Erde aus einem ganz anderen Blickwinkel.
Ich bin eher ein Anhänger der Evolution, aber, und immer wieder komme ich darauf zurück: das ist schon gewaltig, dass man in zehn Geboten zusammen fassen kann, wie Menschen leben sollen, um glücklich zu werden.
So wie die Kirche sagt, Du wirst glücklich, wenn Du die zehn Gebote befolgst. Und, um zu deiner Frage zurück zu kommen: ich finde, dass die Bemühung von Papst Benedikt XVI. - sich mit den Agnostikern auseinander zu setzen – um dadurch vielleicht eine Möglichkeit zu finden, diese Diskrepanz friedlich auszufüllen, zu einem besseren Empfinden führen wird. Viele Menschen fragen sich, ob sie eine Seele haben oder ob das nur das Gewissen ist, das in uns schlägt. Und da, glaube ich, ist noch sehr viel zu tun. Und wenn die institutionalisierte Kirche das einsieht, kann sie einen großen Teil ihrer eigenen Schwierigkeiten vermindern und in den ganz wesentlichen Punkten möglicherweise sogar vermeiden“.

Eben war die Rede von Unabhängigkeit. Und was ist Ungerechtigkeit?

„Ei, ei, ei…. Wir haben in Deutschland im Augenblick eine sehr kritische Zeit im Bezug auf politische Moral, auf Ethik. Ungerechtigkeit ist, wenn es Gesetze gibt, ebenso so wie verschiedene Dogmen, die nicht mehr einsehbar sind. Warum ein Gericht so oder so entscheidet, und jeder Mensch sagt: das ist ungerecht. Dann kommen die großen Juristen und sagen: das Gesetz verlangt es so!
Ich bin einer von diesen Rebellen, die immer sagen, ich sehe Gesetz so lange ein, wie ich sie einsehe. Wenn sie für mich keinen Sinn machen, bin ich sehr geneigt Gesetz zu umgehen oder sogar sie zu brechen. Sie nicht einzuhalten, weil ich es als ungerecht empfinde, und dann empfinde ich das Leben überhaupt als keine Veranstaltung der Gerechtigkeit, sondern es ist für mich mehr das Ergebnis eigener Bemühungen und das Ergebnis von Glück und – jetzt weiß ich, werden viele aufheulen – für mich ist es nicht Gottes Fügung – sondern für mich ist es Schicksal. Ich muss mit mir selbst ins Reine kommen.
Du hast vorher den Vergleich gebraucht, in den Spiegel zu schauen: ich muss in den Spiegel schauen, ob ich mir dabei noch selbst in die Augen schauen kann’“

Das Wort Moral ist jetzt gefallen. Ist Moral ein Reizwort, das die Generationen scheidet?

„Ich glaube Ja! Ich glaube die Auslegung und die Vorstellungen dieses sehr überhöhten Begriffes Moral sind heute eben anders. Man nimmt es etwas lockerer mit der Moral. Wo fängt Moral an, wo hört sie auf?
Die Moral zum Beispiel in der Politik, die unser Leben ja im wesentlichen bestimmt, ist die Moral nicht mehr hoch angesehen. Sondern es sind eben einfach die Erkenntnisse von Menschen, die sich mit bestimmten Dingen befassen und sagen: so ist das und wir bestimmen was Moral ist. Ich lass mir Moral und Ethik nicht vorschreiben; sondern ich handle nach meinem Empfinden. Nach meinem Gefühl.“

Wieder dieses Wort Gefühl.

„Ja! es muss irgendwo eine Verbindung da sein zu dem, was wir besprochen haben. Dass viele Menschen mir im Laufe unseres Lebens – auch meiner Frau – immer gesagt haben: also wenn Du ein Pfarrer wärst, dann würden wir wieder in die Kirche gehen. Und ich bin dann jedes Mal sehr erschrocken, weil ich gesagt habe, ich glaube nicht, dass ich diese große Verantwortung offiziell übernehmen könnte oder dürfte.
Und dann hat man mir einen Titel gegeben, auf dem ich fast, fast ein bisschen stolz bin. Man hat mich den wandelnden ‚Seelenmülleimer’ genannt. Sie kamen mit ihren großen Sorgen immer zu mir. Vor allem: prüfe Dich, ob du den Aufgeben denen du gegenüber stehst auch gewachsen bist. Und wenn du sagt, ja, diese Aufgabe übernehme ich, dann tu’s und tu’s mit vollem Einsatz und mit deinem ganzen Herzen und was immer du zur Verfügung hast.“

Danke für dieses Gespräch, Blacky, in dem es durchaus auch gemeinsame Frequenzen gegeben hat.

„Ja, da sage ich begeistert Ja. Ich bin gerne bereit, weiter zu diesem Gedankenaustausch. Es ist ja kein Streit, es ist ein Gedankenaustausch, im Respekt voreinander. Menschen tun gut daran, wenn sie sich gegenseitig respektieren. Und nicht ständig sagen: Du bist falsch und ich bin richtig! Sondern der Respekt voreinander ist die Grundvoraussetzung für das miteinander auskommen.“

(rv 18.03.2012 ap)







All the contents on this site are copyrighted ©.