Menschenrechtler,
auch aus dem katholischen Spektrum, begrüßen den Schuldspruch des kongolesischen Milizenführers
Thomas Lubanga durch den Internationalen Strafgerichtshof. Es war der erste abgeschlossene
Prozess überhaupt für Den Haag. Das Gericht hatte Lubanga am Mittwoch zweifelsfrei
für schuldig befunden, in seiner Heimat Hunderte Kinder als Soldaten missbraucht und
in bewaffnete Konflikte im Ostkongo geschickt zu haben. Raoul Bagopha ist Misereor-Referent
für diese Region. Auch er begrüßt den Schuldspruch, merkt aber kritisch an, dass es
für den Internationalen Strafgerichtshof noch viel zu tun gibt.
„Insgesamt
halten wir fest, dass das ein sehr gutes Signal ist, weil es auch ein Zeichen dafür
ist, dass die Straflosigkeit nicht mehr akzeptiert wird und dass diejenigen, die Kinder
in bewaffneten Konflikten missbrauchen, mit Strafen rechnen müssen, egal wo sie sich
befinden. Das kann vor Ort stattfinden, und das hätten wir uns auch gewünscht, dass
das alles im Kongo passiert und er dort verurteilt wird, aber das kann auch woanders
stattfinden wie jetzt in Den Haag. Denn wir befürworten das Subsidiaritätsprinzip:
Wenn die Kongolesen das nicht können, sollte es eine Instanz geben, die das gewährleistet.
Und deshalb sind wir insgesamt froh, obwohl wir meinen, es gibt noch viel zu tun in
diesem Bereich.“
Dieses „viel zu tun“ bezieht sich auf die Tatsache, dass
der Prozess gegen Lubanga der erste überhaupt in der Geschichte des Strafgerichtshofs
war, den die Vereinten Nationen vor zehn Jahren ins Leben riefen. Die Ermittlungen
gegen Lubanga begannen 2004, der Prozess im Januar 2009. Die Kritik an dem Umfeld
des Schuldspruchs geht aber noch weiter. Raoul Bagopha:
„Es gibt viel zu
kritisieren auch an der Weise, wie in Den Haag gearbeitet wird, besonders wie der
bisherige Ermittler Luis Moreno Ocampo gearbeitet hat. Wir halten fest, dass der Internationale
Strafgerichtshof eine sehr willkürliche Auswahl der Fälle an den Tag legt. Man kann
sich fragen, warum Thomas Lubanga und nicht andere Kriegsverbrecher… Wir halten auch
die Ermittlungen gegen Lubanga in vielerlei Hinsicht für zweifelhaft. Das hat man
auch beim Schuldspruch gemerkt, bei den Richtern. Sie haben da auch einiges kritisiert
– das Verfahren sei zu lang, das halten wir auch für katastrophal.“
Für
richtig und besonders schwerwiegend hält der misereor-Mann auch die Kritik, Lubanga
sei nur ein kleiner Fisch, während die Verantwortlichen im großen Stil weiterhin frei
herumlaufen. So sei die Verhandlung gegen Lubanga in Den Haag eine Art Platzhalter,
ein Symbol; es brauche aber Haftbefehle gegen viele andere. Überhaupt, erinnert Bagopha,
ist die Sache mit den Kindersoldaten eingebettet in einen größeren Kontext, der über
den Kongo weit hinausweist.
„Wir wissen, dass es auch um eine gewaltsame
Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Milizen für die Kontrolle von Goldminen
und anderen Rohstoffen in Ituri ging. Man kann sich also fragen, wer waren die Abnehmer
dieser Produte, d.h. auch die geheimen Auftraggeber, wer hat die Waffen geliefert,
um vielleicht am Ende auch Zugang zu haben zu den Rohstoffen, die diese Milizen kontrollieren
sollten, und wer hat dafür gesorgt, dass Thomas Lubanga eine Zeitlang auch frei herumlaufen
konnte im Kongo, wo damals ein großer Krieg stattfand. Wir glauben, dass Lubanga ein
wichtiges Signal ist: Straflosigkeit ist passe´, aber man darf nicht so tun, als wäre
das jetzt ein Riesenerfolg und man könnte jetzt sich zurücklehnen und die Hände in
den Schoß legen. Es gibt noch viel zu tun, das sollte nur der Anfang sein.“