In der Vatikan-Kapelle
Redemptoris Mater haben an diesem Freitag Fastenpredigten für Papst Benedikt und seine
Mitarbeiter begonnen. Kapuzinerpater Raniero Cantalamessa hat bei seinem Predigtzyklus
das im Oktober beginnende „Jahr des Glaubens“ im Blick. Er denkt über die Aktualität
der Kirchenväter nach, wünscht sich für das Glaubensjahr ihre Wiederentdeckung. An
diesem Freitag dachte er über den heiligen Athanasius nach, vor allem über dessen
Lehre zur Natur Christi.
„Die Göttlichkeit Christi ist heute der tatsächliche
Glaubensartikel, mit dem die Kirche steht oder fällt“, führte Cantalamessa in der
Predigt vor dem Papst aus. Zu anderen Zeiten, etwa während der Reformation, bot sich
ein anderes Bild: da wurde „die Göttlichkeit Christi von allen geglaubt, stattdessen
war die Rechtfertigung des Menschen vor Gott das große Thema“.
„Heute ist
das nicht mehr so: Heute glaubt doch niemand, sich überhaupt rechtfertigen zu müssen,
also auch nicht vor Gott. Die Selbst-Rechtfertigung des Menschen gehört zu vielen
religiösen Angeboten von heute, bei New Age etwa. Die Göttlichkeit Christi hingegen
ist ein Grundstein, auf dem zwei zentrale Geheimnisse des christlichen Glaubens aufruhen:
die Dreifaltigkeit und die Inkarnation. Sie sind wie zwei Türen, die sich zusammen
auftun oder schließen. Wenn man diesen Grundstein wegnimmt, stürzt das ganze Gebäude
des christlichen Glaubens in sich zusammen.“
Die Theologen von heute sollten
also nicht an diesen Grundstein rühren, so der Päpstliche Hausprediger. Erst am Donnerstag
hatte die Internationale Theologenkommission des Vatikans ein Dokument veröffentlicht,
das den Glauben und das Eingebundensein in die Kirche zu Bedingungen für das Betreiben
von Theologie erklärt. Cantalamessa zeigte ein gewisses Unbehagen, was universitäre
Theologie heute betrifft:
„Die Wissenschaft verlangt vom Menschen, dass
er seine Materie dominiert und neutral ist gegenüber dem Objekt seiner Wissenschaft.
Aber wie kann der Theologe den, den er als seinen Gott verehrt, dann als seine Materie
dominieren, wie kann er neutral bleiben, wenn er an sein Studienobjekt Christus glaubt?
Das war einer der Gründe, der mich vor vielen Jahren dazu gebracht hat, nicht mehr
an der Universität zu unterrichten, sondern in den Predigtdienst überzuwechseln. Wenn
die Welt der Wissenschaft Christus den Rücken zukehrt – so dachte ich damals –, dann
drehe ich eben der Welt der Wissenschaft den Rücken zu!“
Aber die Lösung
besteht auch nicht im Aufgeben der akademischen Theologie, räumt Cantalamessa ein.
Im Gegenteil: In Italien mache sich doch gerade das Fehlen theologischer Fakultäten
an staatlichen Universitäten negativ bemerkbar. Die katholisch-religiöse Kultur sei
„in einem Ghetto“.
„In den weltlichen Buchhandlungen findet man praktisch
kein religiöses Buch, der Dialog zwischen Theologie und menschlichem Wissen bzw. Philosophie
findet aus gegenseitiger Entfernung statt. Ich sage in universitärem Umfeld öfter:
Folgt nicht meinem Beispiel, der Welt der Wissenschaft den Rücken zu kehren! Das war
ein privater Entschluss. Versucht vielmehr, eurem Forschen auch irgendeine pastorale
Aktivität, die sich damit vereinbaren lässt, an die Seite zustellen. Natürlich darf
man die Theologie nicht aus dem universitären Umfeld herausreißen, aber eines können
die theologischen Akademiker tun: ihre Grenzen anerkennen. Anerkennen, dass ihr Ausdruck
des Glaubens nicht der einzige und noch nicht einmal der höchste ist.“