2012-03-08 11:41:47

Syrien: „Knäuel von politischen und wirtschaftlichen Interessen“


RealAudioMP3 Der UNO-Sondergesandte für Syrien Kofi Annan ruft die syrischen Oppositionsgruppen dazu auf, konstruktiv an einer Lösung des schweren Konflikts mitzuarbeiten. Der frühere UNO-Generalsekretär wird am Wochenende in Damaskus erwartet. Zum ersten Mal seit Beginn der syrischen Unruhen ist offenbar ein ranghohes Regierungsmitglied, nämlich der stellvertretende Ölminister, zu den Aufständischen übergelaufen.

UNO-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos konnte am Mittwoch Homs besuchen – und fand die drittgrößte Stadt „total zerstört“ und nahezu menschenleer vor. Nach schweren Kämpfen hatte die Armee die Stadt vergangene Woche eingenommen. Seither sollen Tausende Zivilisten aus den vormals umkämpften Stadtteilen geflohen sein. Aktivisten hatten in den vergangenen Tagen über Hinrichtungen, Massenfestnahmen, Vergewaltigungen und Plünderungen in Homs berichtet.

Etwa 2.000 Flüchtlinge haben außerdem in den letzten Tagen die Grenze zum Libanon überschritten – erklärt zumindest die UNO. Pater Paul Karam, der Direktor der Päpstlichen Missionswerke, will das im Gespräch mit uns nicht bestätigen. Und er zeigt deutliche Sorge, dass eine Flüchtlingswelle aus Syrien den Libanon (wieder) destabilisieren könnte.

„Wir haben diese Zahl, die die UNO angibt, hier nicht gesehen! Der Libanon ist jedenfalls ein kleines Land und kann nicht alle Flüchtlinge stabil aufnehmen. Wir haben schon die Erfahrung mit palästinensischen Flüchtlingen gemacht, die seit über sechzig Jahren hier sind, und fragen uns: Was haben wir denn erreicht, welche friedliche Lösung kann es denn geben, wenn ein Volk vertrieben wird und in einer anderen Nation in Zelte gesperrt wird – ist das die Lösung, die die internationale Gemeinschaft will? Das libanesische Volk ist wirklich sehr gastfreundlich, aber es braucht Hilfe. Man kann nicht einfach sagen: Kommt hierhin, hier könnt ihr ewig bleiben. Nein! Das ist nicht gerecht!“

Was in Syrien derzeit geschehe, gehe alle Menschen in der Region an, sagt Pater Karam: „Und die Lage ist nicht so, dass wir besonders beruhigt sein könnten.” Keiner wisse, wie der syrische Konflikt enden werde, aber die Gefahren seien groß, schließlich gebe es in der Region „ein Knäuel von politischen und wirtschaftlichen Interessen“. In einer solchen Lage solle der Westen sich bitte um „mehr Gleichgewicht“ bemühen „und nicht zuerst an seine eigenen Interessen denken“.

„Was passiert denn gerade in diesem Prozess, der Arabischer Frühling heißt? Wenn das Ergebnis ein jeweils strengeres Regime als das frühere ist, dann werden wir nie einen wirklichen Arabischen Frühling haben, dann wird das zu einem strengen Winter. Ich will es klar sagen: Erst wenn es in all diesen arabischen Ländern Religions- und Meinungsfreiheit gibt, erst dann können wir überhaupt damit anfangen, von einem Klima der Demokratie zu sprechen!“

(rv 08.03.2012 sk)








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