Das katholische Hilfswerk
„missio“ warnt vor Fehleinschätzungen der Situation in Nigeria. Die Anschläge der
Terrorgruppe „Boko Haram“ galten in erster Linie Muslimen, denen sie Verwestlichung
unterstellen, und dem Staat. Unter den Opfern waren auch Christen. Sie seien aber
nicht das Hauptziel gewesen, so der Länderreferent des Internationalen Katholischen
Missionswerks, Toni Görtz, im Interview mit Radio Vatikan:
„Also es
ist ja in den westlichen Medien immer wieder berichtet worden, dass angeblich Boko
Haram eine Christenverfolgung betreibe, und dass es darum ging, Christen zu treffen.
Da muss man einfach sagen, das ist falsch, und Boko Haram richtet sich jetzt, wenn
man sich die Anschlagsziele anschaut, vor allem gegen die Staatsgewalt. In Kano sind
ja auch vier große Polizeistationen zerbombt worden – Kenner schätzen, dass etwa ¾
der durch Boko Haram getöteten Menschen Muslime sind, das heißt ein Viertel sind Christen.
In der Regel sind es also keine gezielten Anschläge gegen Christen, abgesehen von
einigen wenigen Ausnahmen wie zum Beispiel beim Attentat von Maddala bei Abuja, wo
Christen das direkte Ziel waren.“
Der Konflikt hat laut Görtz also
nur am Rande mit Religion zu tun. Nichtsdestotrotz könne man Boko Harams Wirkungsmacht
durch interreligiöse Kooperation einschränken:
„Eine endgültige Lösung
dieses Problems, dieses Terrorproblems, wird es nur geben, wenn es eine gesamtgesellschaftliche
Lösung gibt – das heißt Christen und Muslime müssen da zusammenarbeiten. Was man in
der Praxis feststellt, zum Beispiel in Kano: Wenn sich Christen zum Gottesdienst treffen,
machen dann sehr häufig Muslime vor der Kirche den Sicherheitsdienst mit. Also die
Leute werden kontrolliert, Autos werden kontrolliert, ob da keine Bomben versteckt
sind, Menschen werden abgetastet und mit Metalldetektoren untersucht. Das machen sehr
häufig vor christlichen Gottesdiensten dann Muslime und freitags umgedreht kommen
dann Christen und helfen.“
In der Stadt Kano kamen bei Anschlägen
Anfang des Jahres mehr als 180 Menschen ums Leben. Als Grund für die Unruhen sieht
Görtz Korruption und die Kluft zwischen arm und reich. Boko Haram hatte angedroht,
den Norden Nigerias mit Anschlägen zur „christenfreien Region“ machen zu wollen.