2012-03-06 12:48:15

UN-Bericht zur Religionsfreiheit: „Enttäuschung über arabischen Frühling“


RealAudioMP3 Von bürokratischen Hürden für Religionsgemeinschaften bis zur blutigen Verfolgung religiöser Minderheiten – religiöse Diskriminierung hat viele Gesichter. Ebenso vielfältig sind die Ursachen für die Einschränkung der Religionsfreiheit, sie reichen von politischem Kalkül und Machtwillen bis hin zu Vorurteilen und niederen Instinkten. Der deutsche UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit Heiner Bielefeldt stellt an diesem Dienstag im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf seinen Jahresbericht zur Religionsfreiheit vor. Im Vorab-Interview mit dem Kölner Domradio erläutert der katholische Theologe anhand von Beispielen, wie sich religiöse Diskriminierung heute zeigt:„Diskriminierungen können zum Beispiel darin bestehen, dass bestimmte religiöse Gruppen, Minderheiten sich jedes Jahr neu registrieren lassen müssen; die müssen also immer wieder bürokratische Verfahren durchlaufen. Ohne Registrierung gelten ihre Aktivitäten zum Teil als illegal. In vielen Staaten ist es so, dass es nur ein bestimmtes Set von erlaubten religiösen Optionen gibt. Da kann man entweder Jude, Christ oder Moslem sein - für Zeugen Jehovas und andere ist überhaupt kein Platz vorgesehen. Dann ist die Schulsituation ein wichtiger Punkt: Es gibt Länder wie Saudi-Arabien, wo auch innerislamische Minderheiten erleben, dass ihnen in der Schule ein Lehrplan aufgedrückt wird, wonach sie eine ganz bestimmte Interpretation des sunnitischen Islam lernen und als Voraussetzung auch der Schulabschlüsse entsprechende Kurse belegen müssen.“
Eine ernüchternde Zwischenbilanz zur Situation religiöser Minderheiten in den Ländern des arabischen Frühlings zieht Bielefeldt mit Blick auf die Hoffnungen der Christen in der Region:
„Es ist ganz viel Ernüchterung eingetreten. Die Hoffnungen junger Menschen, die vor einem Jahr in Ägypten noch sehr hochgeschraubt waren, dass sich auch für Minderheiten neue Möglichkeiten auftun würden, sind zu einem großen Teil mittlerweile zurückgegangen. Es ist in Teilen der Bevölkerung regelrecht Verbitterung eingetreten. Diejenigen, die damals auf die Straße gegangen sind, fühlen sich um die Früchte der Revolution betrogen. Wenn man sich erinnert: Genau vor einem Jahr gab es zum Teil auch bewegende Bilder von Kopten und Muslimen, die gemeinsam auf dem Tahrir-Platz demonstriert und sich sogar zum Teil gegenseitig den Rücken freigehalten haben. Das sollte man nicht vergessen: dieses Potential der Zusammenarbeit, das es gibt. Das sind auch wichtige historische Erfahrungen.“
Auch wenn hier viele Hoffnungen geplatzt seien, dürfe man trotzdem das Potential der Gesellschaft nie unterschätzen, räumt Bielefeldt weiter ein. Nach dem Ergebnis der jüngsten Wahlen sei in Ägypten allerdings zu befürchten, dass im Land eine harsche Religionspolitik Einzug halten werde, die die Dominanz des Islam weiter stärken werde.
Bielefeldt arbeitet als unabhängiger Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit im Auftrag des Menschenrechtrats. In halbjährigen Berichten stellt er die Situation der Religionsfreiheit in den verschiedenen Ländern der Welt vor und gibt konkrete Empfehlungen für deren Verbesserung. Das Amt des UN-Sonderberichterstatters wurde 1986 geschaffen, Bielefeldt übernahm die Position 2010. Seit 1986 verschickten die bisherigen vier Sonderberichterstatter 1.250 Protestbriefe an Regierungen in 130 Ländern. Sie setzten sich für Menschen ein, die in ihrer Religionsausübung behindert oder wegen ihres Glaubens diskriminiert wurden.
(domradio 06.03.2012 pr)









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