2012-02-27 15:17:54

"Hexenkinder" im Kongo: Rechte statt Magie


Weil sie „vom Teufel“ oder „von bösen Geistern“ besessen sein sollen, werden sie verstoßen und misshandelt: die so genannten „Hexenkinder“ in verschiedenen Ländern Afrikas, die zumeist als Straßenkinder ohne Hab und Gut ein trauriges Dasein fristen. Ausgerechnet die bitterarme Demokratische Republik Kongo steuert nun gegen. Hier entstanden in den vergangenen Monaten unter Mithilfe von Ordensleuten und Hilfsorganisationen Jugendgerichte zum Schutz dieser Kinder.

Viele der Hexerei beschuldigte Kinder landen auf der Straße, wenn ein Familienangehöriger an den Folgen von Aids stirbt, die Großfamilie Probleme bekommt oder in ein plötzliches Unglück stürzt. „Du bist daran schuld“, heißt es dann auf einmal; die Folge ist, dass diese Kinder verstoßen werden. Im Kongo ist Aberglaube weit verbreitet; beim Phänomen der „Hexenkinder“ geht er Hand in Hand mit Sektenglauben: nicht selten sind es fragwürdige Prediger, die die Kinder als „besessen“ stempeln und grausame Exorzismen organisieren, um ihnen „den Teufel auszutreiben“. Auch einige Pfingstkirchen fundamentalistischer Prägung gießen hier Öl ins Feuer. Der italienische Pater Mauro Cecchinato vom Don Guanello-Werk hat in seinem Zentrum für Straßenkinder in Kinshasa viel mit Opfern solcher Fälle zu tun:

„Die größten Probleme sind klarerweise die, die mit Gewalt gegenüber diesen Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Insbesondere Gewalt im Zusammenhang mit Sekten, die sich im gesamten Territorium des Kongo ausgebreitet haben, vor allem in Kinshasa. Es gibt davon viele; durch sie breitet sich das Phänomen der ,Hexenverfolgung‘ vor allem aus.“

Auch laut anderen Beobachtern lässt sich das Phänomen der „Hexenkinder“ im Kongo mit Auswüchsen der traditionellen afrikanischen Religionen nicht erklären. Vielmehr treiben Armut und Hoffnungslosigkeit in dem von Bürgerkrieg und Korruption gezeichneten Land das einfache Volk immer öfter in die Fänge von Sekten. Gebildete Kongolesen wiederum lehnen das Sektenunwesen scharf ab; sie sehen darin ein weiteres Anzeichen für den Verfall ihres Landes. Mit der Einrichtung der Jugendgerichtshöfe werde Kinderschutz im Kongo zumindest ein Stück weit in die Tat umgesetzt, zeigt sich der Missionar im Gespräch mit Radio Vatikan zufrieden:

„Am ersten Januar 2009 hat die kongolesische Regierung endlich das Gesetz zu Minderjährigen verabschiedet. Das war ein wichtiger Schritt. Dank dieses Gesetzes konnten die Organisationen, vor allem die, die sich im Kongo um Straßenkinder kümmern, die Regierung dafür sensibilisieren, dieses Gesetz in die Praxis umzusetzen. Zwei Jahre hat das gedauert, bis es die humanitären Organisationen geschafft haben, diesen Gerichtshof für den Schutz von Kindern einzurichten, der aktuell in der Hauptstadt Kinshasa und in einigen großen Städten des Kongo aktiv ist.“

Seit einigen Monaten sind die Jugendgerichtshöfe nun operativ. Dank ihnen können Täter, die Kinder der Hexerei bezichtigen, im Kongo jetzt strafrechtlich verfolgt werden. Um den oft völlig verwahrlosten und traumatisierten Opfern des Aberglaubens den Schritt vor Gericht zu erleichtern, lesen die katholische Kirche und Hilfsorganisationen die Kinder auf der Straße auf. Der Guanellianer-Missionar:

„Wir versuchen, diese Kinder zu unseren Hilfszentren zu bringen. Dort hören wir ihnen zu und versuchen herauszufinden, was tatsächlich in ihren Familien passiert ist und wieso sie auf der Straße gelandet sind. Es geht also einerseits darum, die Kinder wieder aufzubauen und zweitens, möglicherweise neue Bindungen zur Familie herzustellen, Bindungen, die unterbrochen wurden. Wenn es unseren Mitarbeitern gelingt, wieder ein friedfertiges Klima zu schaffen, können die Kinder sogar manchmal in ihre Familien zurück.“

In diesem Fall müssen die Eltern oder Angehörigen aber eine Erklärung unterschreiben, fügt der Pater an: „Sollte es erneut zu Missbrauch kommen, dann würde das vor Gericht vorgebracht werden können.“ Der Ordensmann wünscht sich, dass sein Einsatz für die „Hexenkinder“ nicht nur zu mehr Verantwortungsbewusstsein bei den Familien führt, sondern auch zu einem Mentalitätswandel in der kongolesischen Gesellschaft.

(rv/fides/taz 27.02.2012 pr)









All the contents on this site are copyrighted ©.