Weil sie „vom Teufel“ oder „von bösen Geistern“ besessen sein sollen, werden sie verstoßen
und misshandelt: die so genannten „Hexenkinder“ in verschiedenen Ländern Afrikas,
die zumeist als Straßenkinder ohne Hab und Gut ein trauriges Dasein fristen. Ausgerechnet
die bitterarme Demokratische Republik Kongo steuert nun gegen. Hier entstanden in
den vergangenen Monaten unter Mithilfe von Ordensleuten und Hilfsorganisationen Jugendgerichte
zum Schutz dieser Kinder.
Viele der Hexerei beschuldigte Kinder landen auf
der Straße, wenn ein Familienangehöriger an den Folgen von Aids stirbt, die Großfamilie
Probleme bekommt oder in ein plötzliches Unglück stürzt. „Du bist daran schuld“, heißt
es dann auf einmal; die Folge ist, dass diese Kinder verstoßen werden. Im Kongo ist
Aberglaube weit verbreitet; beim Phänomen der „Hexenkinder“ geht er Hand in Hand mit
Sektenglauben: nicht selten sind es fragwürdige Prediger, die die Kinder als „besessen“
stempeln und grausame Exorzismen organisieren, um ihnen „den Teufel auszutreiben“.
Auch einige Pfingstkirchen fundamentalistischer Prägung gießen hier Öl ins Feuer.
Der italienische Pater Mauro Cecchinato vom Don Guanello-Werk hat in seinem Zentrum
für Straßenkinder in Kinshasa viel mit Opfern solcher Fälle zu tun:
„Die
größten Probleme sind klarerweise die, die mit Gewalt gegenüber diesen Kindern und
Jugendlichen zu tun haben. Insbesondere Gewalt im Zusammenhang mit Sekten, die sich
im gesamten Territorium des Kongo ausgebreitet haben, vor allem in Kinshasa. Es gibt
davon viele; durch sie breitet sich das Phänomen der ,Hexenverfolgung‘ vor allem aus.“
Auch
laut anderen Beobachtern lässt sich das Phänomen der „Hexenkinder“ im Kongo mit Auswüchsen
der traditionellen afrikanischen Religionen nicht erklären. Vielmehr treiben Armut
und Hoffnungslosigkeit in dem von Bürgerkrieg und Korruption gezeichneten Land das
einfache Volk immer öfter in die Fänge von Sekten. Gebildete Kongolesen wiederum lehnen
das Sektenunwesen scharf ab; sie sehen darin ein weiteres Anzeichen für den Verfall
ihres Landes. Mit der Einrichtung der Jugendgerichtshöfe werde Kinderschutz im Kongo
zumindest ein Stück weit in die Tat umgesetzt, zeigt sich der Missionar im Gespräch
mit Radio Vatikan zufrieden:
„Am ersten Januar 2009 hat die kongolesische
Regierung endlich das Gesetz zu Minderjährigen verabschiedet. Das war ein wichtiger
Schritt. Dank dieses Gesetzes konnten die Organisationen, vor allem die, die sich
im Kongo um Straßenkinder kümmern, die Regierung dafür sensibilisieren, dieses Gesetz
in die Praxis umzusetzen. Zwei Jahre hat das gedauert, bis es die humanitären Organisationen
geschafft haben, diesen Gerichtshof für den Schutz von Kindern einzurichten, der aktuell
in der Hauptstadt Kinshasa und in einigen großen Städten des Kongo aktiv ist.“
Seit
einigen Monaten sind die Jugendgerichtshöfe nun operativ. Dank ihnen können Täter,
die Kinder der Hexerei bezichtigen, im Kongo jetzt strafrechtlich verfolgt werden.
Um den oft völlig verwahrlosten und traumatisierten Opfern des Aberglaubens den Schritt
vor Gericht zu erleichtern, lesen die katholische Kirche und Hilfsorganisationen die
Kinder auf der Straße auf. Der Guanellianer-Missionar:
„Wir versuchen, diese
Kinder zu unseren Hilfszentren zu bringen. Dort hören wir ihnen zu und versuchen herauszufinden,
was tatsächlich in ihren Familien passiert ist und wieso sie auf der Straße gelandet
sind. Es geht also einerseits darum, die Kinder wieder aufzubauen und zweitens, möglicherweise
neue Bindungen zur Familie herzustellen, Bindungen, die unterbrochen wurden. Wenn
es unseren Mitarbeitern gelingt, wieder ein friedfertiges Klima zu schaffen, können
die Kinder sogar manchmal in ihre Familien zurück.“
In diesem Fall müssen
die Eltern oder Angehörigen aber eine Erklärung unterschreiben, fügt der Pater an:
„Sollte es erneut zu Missbrauch kommen, dann würde das vor Gericht vorgebracht werden
können.“ Der Ordensmann wünscht sich, dass sein Einsatz für die „Hexenkinder“ nicht
nur zu mehr Verantwortungsbewusstsein bei den Familien führt, sondern auch zu einem
Mentalitätswandel in der kongolesischen Gesellschaft.