D: Aufbruch ohne Zeitgeist - Bischöfe mahnen zur Erneuerung
In ihren Hirtenbriefen zum Beginn der Fastenzeit haben die deutschen katholischen
Bischöfe die Gläubigen zu einer geistigen Erneuerung der Kirche aufgerufen. Dies dürfe
jedoch nicht durch eine Anbiederung an den Zeitgeist geschehen. Viele der Schreiben,
die am Wochenende in den Gottesdiensten verlesen wurden, mahnten außerdem, den Glauben
stärker mit Leben zu erfüllen und öffentlich zu bezeugen.
Bei grundlegenden
Lebensfragen gilt für den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch „bibeln“ statt „googlen“.
Statt Internetrecherche sei es „hilfreicher und verlässlicher“, zuerst die Bibel zur
Hand zu nehmen und sich „vom Wort Gottes inspirieren und führen zu lassen“, betonte
der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Er warb für einen innerkirchlichen
Aufbruch. Jeder Katholik sei aufgerufen, sich am „geistlichen Dialog“ zur Zukunft
der Kirche zu beteiligen.
Kölns Kardinal Joachim Meisner warnte davor, sich
unter Berufung auf das Gewissen über moralische Prinzipien hinwegzusetzen. Der Erzbischof
wandte sich dagegen, bei wichtigen ethischen Fragen das Gewissen mit dem eigenen Gefühl
gleichzusetzen. So sei der gesetzliche Schutz des ungeborenen Lebens „in den letzten
40 Jahren Schritt für Schritt so gut wie aufgegeben“ worden.
Das Leben der
Kirche dürfe zwar nicht aus der Zeit herausfallen, schrieb der Münchner Kardinal Reinhard
Marx. Dies bedeute jedoch nicht, „sich der Welt und den Zeitströmungen anzupassen“.
Das Evangelium sei nicht veraltet und in verstaubten Büchern abgelegt, sondern lebendige
Wirklichkeit, so der Erzbischof von München Freising.
Auch der Regensburger
Bischof Gerhard Ludwig Müller erklärte, die Kirche gewinne keine neue Glaubwürdigkeit
vor der Welt, wenn sich ihre Einrichtungen und Lehren dem Zeitgeist unterwürfen. Wer
in Bezug auf die Kirche unreflektiert vom „Reformstau“ spreche, entweihe den Tempel
Gottes und verweltliche die Kirche Jesu Christi.
Der Berliner Kardinal Rainer
Maria Woelki erklärte, die 40-tägige Vorbereitungszeit auf Ostern sei „kein Aufruf
zur Weltflucht“. Alle Christen seien nun aufgefordert, „die Nächstenliebe und den
sich darin zeigenden Gemeinschaftssinn im Alltag zu leben“. So könnten sie der wachsenden
Vereinsamung in der Gegenwart entgegenwirken, schrieb der Berliner Erzbischof.
Der
Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen mahnte, den „Schatz des christlichen Glaubens“
neu zu erschließen und dem Glauben auch in der Zivilgesellschaft Stimme und Gesicht
zu geben. Die Kirche dürfe sich weder dem Zeitgeist anpassen noch sich als eine „Insel
der Seligen“ in einer Eigenwelt abschotten.
Nach Ansicht des Paderborner Erzbischofs
Hans-Josef Becker wird die Kirche künftig immer mehr aus kleineren Zellen leben. Deshalb
brauche es mehr Gläubige, die mit ihren Talenten zum Aufbau einer „geistgewirkten
Kirche“ beitrügen. Nötig sei ein fruchtbares Miteinander von Amtsträgern und Laien.
Zum respektvollen Gespräch über die Zukunft der katholischen Kirche rief der
Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst die Christen auf. Er ermutigte dazu,
dem innerkirchlichen Dialog- und Erneuerungsprozess eine Chance zu geben. Zudem kündigte
er an, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen.
Der Magdeburger Bischof
Gerhard Feige mahnte die Christen, dem „Dienst an der Welt noch mehr Aufmerksamkeit
und Elan zu widmen“. Die Kirche müsse in der Gesellschaft Stellung beziehen für die
Würde des Menschen, für Gerechtigkeit und gegen Extremismus.
Der Erfurter
Bischof Joachim Wanke hob die Bedeutung des Gebets hervor. „Erst so können die sonstigen
kirchlichen Aktivitäten, die auch wichtig und notwendig sind, nachhaltig und fruchtbar
werden, etwa die Sorge um den Nächsten, um Gottesdienste, um religiöse Bildung oder
Gremienarbeit.“
Auch der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt stellte den Wert
des Gebets in den Mittelpunkt seines Hirtenbriefes. Er erinnerte an den Streit um
das Recht eines muslimischen Berliner Schülers, während der Unterrichtspausen zu beten.
Ipolt äußerte die Hoffnung, dass er „durch sein Verhalten auch einige christliche
Mitschüler zum Nachdenken angeregt hat“.
Angesichts von mehr Kirchenaustritten
und weniger Gottesdienstbesuchern rief Aachens Bischof Heinrich Mussinghoff zur Erneuerung
des Glaubens auf. Christen dürften die Wurzeln des Glaubens nicht vertrocknen lassen.
Mussinghoff erinnerte an den Deutschlandbesuch des Papstes, bei dem Benedikt XVI.
zur tiefen Verbundenheit mit Christus aufgerufen habe.
Auf den „inneren Zusammenhang“
von Spiritualität und Caritas hob der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst
ab. Wer heute von Gott spreche, könne sich nur da Gehör verschaffen, wo er Liebe zeige.
Der Passauer Bischof Wilhelm Schraml appellierte an die Christen, ihren Glauben
stärker öffentlich zu bekunden und zu kennen. Es gebe einen „beängstigenden Tiefstand
an Glaubenswissen“.
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick schreibt in seinem
Hirtenwort, die Fastenzeit solle dazu dienen, sich das Evangelium wieder bewusster
zu machen und die Liebe zur Kirche zu erneuern. Schick erinnerte an den Beginn des
Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren. Die Gläubigen sollten dessen Texte erneut
lesen und besprechen.
Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke forderte
ein Bekenntnis zum Glauben, auch wenn dieser öffentlich oder privat angegriffen werde.
Bei seiner jüngsten Reise nach Ägypten habe ihn die Glaubenskraft und Furchtlosigkeit
gerade junger Christen beeindruckt.
Zum Verzicht auf liebgewonnene Gewohnheiten
rief der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann die Gläubigen bei den Umstrukturierungsprozessen
in der Seelsorge auf. Nur so könne die in seinem Bistum bereits erfolgte Neugestaltung
gelingen.