Afghanistan: Unruhen wegen Koranverbrennung behindern humanitäre Hilfen
Gegen jegliche Bücherverbrennungen und für mehr religiöses Feingefühl in islamisch
geprägten Ländern haben sich christliche Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen
ausgesprochen. Anlass sind heftige Demonstrationen und Ausschreitungen in Afghanistan
in Folge eines „Unfalls“: US-Soldaten hatten im Militärstützpunkt Bagram – offenbar
aus Versehen – Exemplare des Korans und andere islamische Schriften im Müll „entsorgt“.
Bei wütenden Protesten in verschiedenen Teilen des Landes in Folge des Vorfalls kamen
mehrere Menschen ums Leben, zahlreiche wurden verletzt. In einem Brief an den afghanischen
Präsidenten Hamid Karzai hatte sich US-Präsident Barack Obama entschuldigt: Es handele
sich um einen „Unfall“, so der US-Präsident, der den Fall umgehend untersuchen lassen
will. Pater Giuseppe Moretti, Missionar der Barnabiten in Afghanistan, kommentiert
den Fall im Interview mit Radio Vatikan:
„Soviel ich weiß, waren die Exemplare,
die verbrannt wurden, beschlagnahmtes Material, das bei Extremisten gefunden wurde.
Die Soldaten haben wohl nicht daran gedacht, dass es sich u.a. auch um Koranexemplare
handeln könnte. Selbstverständlich hätten sie das vorher kontrollieren sollen.“
Der
Vorfall zeige, dass eine Armee „auch ohne Waffen“ viel Unheil anrichten könne, so
Pater Moretti. Die Taliban nützten die Proteste derweil aus, um neue Mitglieder anzuwerben.
Wirklich Rückhalt hätten sie in der afghanischen Bevölkerung aber nicht, fügt der
Missionar an:
„Die Menschen sehnen sich hier sicherlich nicht nach den
Taliban. Das afghanische Volk will endlich Frieden. Es ist glücklich, dass Mädchen
wieder seit zehn Jahren Schulen besuchen dürfen. Es gibt sogar Regionen hier, wo Frauen
wichtige Behörden leiten! Das geschieht zwar alles noch im Kleinen, aber ich denke,
das ist der richtige Weg.“
Bundeswehrsoldaten sind „religiös sensibel“
Die
Demonstrationen gegen die ausländischen Truppen behindern momentan die humanitäre
Hilfe aus dem Ausland. Das berichtet der deutsche Direktor des seit 1988 in Afghanistan
tätigen internationalen christlichen Hilfswerkes „Shelter Now“ (Zuflucht Jetzt), Udo
Stolte. Viele Muslime seien über die Schändung ihrer heiligen Schriften so aufgebracht,
dass sich ihre Wut gegen alle westlichen Ausländer richte, sagte Stolte am Donnerstag
der Evangelischen Nachrichtenagentur idea auf Anfrage. Shelter Now rate den ausländischen
Mitarbeitern deshalb, in ihren Büros und Gebäuden zu bleiben.
Die in Afghanistan
eingesetzten Soldaten der Bundeswehr sind laut Stolte gut auf die kulturellen Gegebenheiten
vorbereitet; sie nähmen Rücksicht auf die religiösen Gefühle von Muslimen. Stolte
mahnte zugleich zu Respekt vor dem Islam: Muslime verehrten den Koran als heiliges
Buch.
Shelter Now betreibt mit einer eigenen Organisation in Afghanistan Projekte
zur medizinischen Versorgung, zur Schulbildung und zum Wiederaufbau der Landwirtschaft.
Von den 29,8 Millionen Einwohnern Afghanistans sind etwa 99 Prozent Muslime. Die Zahl
der Christen, meist Ausländer, wird auf etwa 10.000 geschätzt.