2012-02-22 14:35:14

Südtirol: Gottlob nicht polarisiert. Ein Gespräch mit Bischof Muser


RealAudioMP3 Mit 1.000 Ministrantinnen und Ministranten ist der Bischof von Bozen-Brixen, Ivo Muser, derzeit auf Rom-Wallfahrt. Eine gute Gelegenheit, den Südtiroler Oberhirten und seine Diözese bei Radio Vatikan vorzustellen: Ivo Muser ist seit Oktober 2011 im Amt. Wir sprachen mit dem Bischof unter anderem über seine Sicht auf das Amt, über eventuelle innerkirchliche Spannungen in seiner Diözese, über die Beziehung zur Kirche in Österreich und natürlich über seine Rom-Wallfahrt mit den Jugendlichen.

„Wenn man mit jungen Menschen zusammen ist, bleibt man selber jung. Ich glaube, dass diese Tage in Rom für die Jugendlichen wirklich ein Erlebnis sind. Sie dürfen die verschiedenen Gesichter Roms entdecken, die Kunst, die Spuren des Glaubens, die Gemeinschaft untereinander. Und natürlich an diesem Aschermittwoch die Begegnung mit dem Papst, der sich auch sichtlich über so eine große Gruppe von Jugendlichen gefreut hat; mein Wunsch ist, dass diese Tage in Rom in den jungen Menschen Spuren hinterlassen, auch Spuren der Begeisterung für ihren Dienst und darüber hinaus.“

Ich stelle mir vor, dass da von den Jugendlichen auch manche Fragen kommen, die nicht bequem sind, nicht?

„Selbstverständlich, und die dürfen auch kommen, wir weichen ihnen nicht aus!“

Was wollen denn die Ministranten so von Ihnen als Bischof wissen?

„Zum Beispiel hat mich heute jemand gefragt, wie ich selber mit dem Zölibat umgehe. Das beschäftigt die jungen Leute. Oder wie es aussieht mit dem Priesternachwuchs oder dem Umgang mit Kindern. Ich finde das sehr schön, wenn junge Menschen sich Gedanken machen und sich dann auch getrauen, Fragen zu stellen.“

Die Aufgabe eines Bischofs ist ja gottlob viel mehr als Verwaltung. Der Bischof muss sich ganz einbringen, als Mensch, als Priester, als Bischof. Wie sehen Sie dieses Amt, in dem Sie jetzt seit knapp einem halben Jahr wirken?

„Der Bischof ist nicht einfach der Organisator und auch nicht der Chef eines mittleren Großbetriebes. Der Bischof ist in erster Linie Sakrament, Zeuge und Werkzeug für einen Größeren. Der Bischof soll durch sein Wort, sein Auftreten, durch die Verkündigung, die Feier der Sakramente wirklich selber Sakrament sein. Hinweisen, von sich weg weisen auf denjenigen, um den es uns als Kirche geht.“

Die katholische Kirche in Südtirol ist wenig in den Massenmedien präsent, und das ist ein gutes Zeichen. Gibt es bei Ihnen eigentlich auch, analog zu den Ortskirchen in Deutschland oder Österreich, einen Dialogprozess mit reformorientierten Kräften, oder läuft in Bozen-Brixen alles komplett reibungslos?

„Nein, bei uns läuft es nicht alles reibungslos. Das wäre auch verdächtig! Wir setzen auf großen Dialog, das ist auch mein großes Anliegen: mit allen Einzelpersonen, Gruppen, Verbänden, mit der gesamten Wirklichkeit von Kirche im Gespräch stehen. Zum Dialog gibt es keine Alternative. Und es darf auch keine Tabuthemen geben. Dann hoffe ich auf einen guten, gläubigen, respektvollen Weg, wo wir einander wahrnehmen, respektieren und was das wichtigste für Kirche überhaupt ist: die Ausrichtung auf Jesus Christus. So dass wir nicht nur um uns selber kreisen und um kirchliche Themen, sondern dass wir Kirche sozusagen immer wieder aufsprengen auf Jesus Christus hin. Kirche ist ja schließlich kein Selbstzweck.“

Gibt es auch offensiv auftretende Gruppen im Bistum?

„Kleinere Gruppen. Ein großer Vorteil unserer Diözese ist, dass wir nicht polarisiert sind. Selbstverständlich gibt ese verschiedene Meinungen, darüber bin ich auch dankbar, und das gilt für den Klerus wie auch die Laien, dass wir nicht polarisiert sind und dass wir uns grundsätzlich um ein offenes, ehrliches Gespräch bemühen. Bei allem, was es gibt und was manchmal mühsam ist... aber dass wir gut miteinander umgehen. Vielleicht haben wir das auch als Südtiroler Kirche gelernt gerade aus dem Umgang mit den drei Sprachgruppen, die zu uns gehören.“

Italienisch, Deutsch, Ladinisch: ist das eine große Herausforderung?

„Hier geht es wesentlich um den Respekt, um die Identität der einzelnen Sprachgruppen, aber dann auch um Einheit untereinander. So haben wir im Kleinen, in der Provinz, die Möglichkeit, auch zu leben, was katholische Kirche ist: Einheit in der Vielfalt.“

Letztes Jahr hat die Österreichische Bischofskonferenz erstmals eine Vollversammlung in Südtirol abgehalten. Daraus soll sich mehr Zusammenarbeit der beiden Ortskirchen entwickeln. In welche Richtung geht das?

„Es gibt viele historische Bezugspunkte zwischen Südtirol und Österreich, die wurden auch immer gepflegt. Viele unser Ämter und Gremien sind eingebunden in österreichische Ämter und Gremien, und das ist auch gut. Typisch für unsere Ortskirche ist: Wir brauchen einen Blick nach Norden, einen Blick nach Süden - und dann auch einen Blick auf unsere eigene Situation. Gerade die Beziehung zu Österreich ist für uns nicht nur historisch, sondern auch aktuell von großer Bedeutung.“

Also nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft hinein…

„Vor allem geht es nicht darum, der Vergangenheit nachzutrauern, sondern die Gegenwart ernst zu nehmen, aber dann auch das Gemeinsame, Grenzüberschreitende zu betonen. Und da haben wir Südtiroler eine Brückenfunktion, unsere Berufung, unsere Aufgabe.“

Wie bereiten Sie ihre Diözese auf das Jahr des Glaubens vor?

„Das ist ein zentrales Anliegen. Ich habe mich sehr gefreut über das Ausrufen dieses Jahres durch den Heiligen Vater. Es ist wichtig in unserer Zeit, dass wir nicht zu geistigen Analphabeten in Glaubensfragen werden. Im Deutschen sagen wir manchmal: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Immer mehr sehen wir, dass Menschen über den Glauben fast nichts mehr wissen und dann auch stumm werden in Glaubensfragen. Da hoffe ich, dass gerade dieses wichtige Jahr Impulse geben kann. Alles soll damit beginnen, dass wir uns wieder neu der Schrift zuwenden, dem großen Grunddokument unseres Glaubens; aber dann auch wieder das Glaubensbekenntnis lernen: die zentralen Inhalte unseres Glaubens kennenlernen, darüber nachdenken, darüber beten und entdecken, wie lebensfördernd und lebensbejahend unser christlicher Glaube ist.“

Welche Instrumente wären denn aus Ihrer Sicht dafür hilfreich? Ein Katechismus für Einsteiger, eine Volksbibel mit den grundlegendsten Texten, kurz erklärt?

„Es gibt ja schon viele Hilfen. Ich denke z.B. an den Youcat, den Jugendkatechismus. Ich habe den jetzt oft empfohlen, aus tiefer persönlicher Überzeugung. Es fehlt oft am ernsten Willen, sich konkret mit dem Glauben zu beschäftigen. Glauben geht nicht einfach von allein, ich muss auch etwas investieren, so wie in jede andere Beziehung, denn letztlich geht es ja im Glauben um das Sich-Einlassen auf eine Beziehung – untereinander und letztlich zu demjenigen, von dem alles ausgeht und zu dem alles Leben zurückkehrt.“

PS: Dass einem ein Papst öffentlich zum 50. Geburtstag gratuliert, passiert nicht jedem; Bischof Muser ist es an diesem Aschermittwoch widerfahren, unter dem Jubel seiner Ministranten.

"Mit besonderer Freude", sagte der Papst, "begrüße ich die große Schar aus Südtiroler Ministranten in Begleitung von Bischof Muser. ich freu mich, dass ihr da seid, herzlich willkommen! Und wir freuen uns natürlich alle, dass Bischof Muser heute, am Tag der Kathedra Petri, seinen 50. Geburtstag begeht, herzlichen Glückwunsch!"
(rv 22.02.2012 gs)








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