Südtirol: Gottlob nicht polarisiert. Ein Gespräch mit Bischof Muser
Mit 1.000 Ministrantinnen
und Ministranten ist der Bischof von Bozen-Brixen, Ivo Muser, derzeit auf Rom-Wallfahrt.
Eine gute Gelegenheit, den Südtiroler Oberhirten und seine Diözese bei Radio Vatikan
vorzustellen: Ivo Muser ist seit Oktober 2011 im Amt. Wir sprachen mit dem Bischof
unter anderem über seine Sicht auf das Amt, über eventuelle innerkirchliche Spannungen
in seiner Diözese, über die Beziehung zur Kirche in Österreich und natürlich über
seine Rom-Wallfahrt mit den Jugendlichen.
„Wenn man mit jungen Menschen
zusammen ist, bleibt man selber jung. Ich glaube, dass diese Tage in Rom für die Jugendlichen
wirklich ein Erlebnis sind. Sie dürfen die verschiedenen Gesichter Roms entdecken,
die Kunst, die Spuren des Glaubens, die Gemeinschaft untereinander. Und natürlich
an diesem Aschermittwoch die Begegnung mit dem Papst, der sich auch sichtlich über
so eine große Gruppe von Jugendlichen gefreut hat; mein Wunsch ist, dass diese Tage
in Rom in den jungen Menschen Spuren hinterlassen, auch Spuren der Begeisterung für
ihren Dienst und darüber hinaus.“
Ich stelle mir vor, dass da von den Jugendlichen
auch manche Fragen kommen, die nicht bequem sind, nicht?
„Selbstverständlich,
und die dürfen auch kommen, wir weichen ihnen nicht aus!“
Was wollen denn
die Ministranten so von Ihnen als Bischof wissen?
„Zum Beispiel hat mich
heute jemand gefragt, wie ich selber mit dem Zölibat umgehe. Das beschäftigt die jungen
Leute. Oder wie es aussieht mit dem Priesternachwuchs oder dem Umgang mit Kindern.
Ich finde das sehr schön, wenn junge Menschen sich Gedanken machen und sich dann auch
getrauen, Fragen zu stellen.“
Die Aufgabe eines Bischofs ist ja gottlob
viel mehr als Verwaltung. Der Bischof muss sich ganz einbringen, als Mensch, als Priester,
als Bischof. Wie sehen Sie dieses Amt, in dem Sie jetzt seit knapp einem halben Jahr
wirken?
„Der Bischof ist nicht einfach der Organisator und auch nicht der
Chef eines mittleren Großbetriebes. Der Bischof ist in erster Linie Sakrament, Zeuge
und Werkzeug für einen Größeren. Der Bischof soll durch sein Wort, sein Auftreten,
durch die Verkündigung, die Feier der Sakramente wirklich selber Sakrament sein. Hinweisen,
von sich weg weisen auf denjenigen, um den es uns als Kirche geht.“
Die
katholische Kirche in Südtirol ist wenig in den Massenmedien präsent, und das ist
ein gutes Zeichen. Gibt es bei Ihnen eigentlich auch, analog zu den Ortskirchen in
Deutschland oder Österreich, einen Dialogprozess mit reformorientierten Kräften, oder
läuft in Bozen-Brixen alles komplett reibungslos?
„Nein, bei uns läuft es
nicht alles reibungslos. Das wäre auch verdächtig! Wir setzen auf großen Dialog, das
ist auch mein großes Anliegen: mit allen Einzelpersonen, Gruppen, Verbänden, mit der
gesamten Wirklichkeit von Kirche im Gespräch stehen. Zum Dialog gibt es keine Alternative.
Und es darf auch keine Tabuthemen geben. Dann hoffe ich auf einen guten, gläubigen,
respektvollen Weg, wo wir einander wahrnehmen, respektieren und was das wichtigste
für Kirche überhaupt ist: die Ausrichtung auf Jesus Christus. So dass wir nicht nur
um uns selber kreisen und um kirchliche Themen, sondern dass wir Kirche sozusagen
immer wieder aufsprengen auf Jesus Christus hin. Kirche ist ja schließlich kein Selbstzweck.“
Gibt
es auch offensiv auftretende Gruppen im Bistum?
„Kleinere Gruppen. Ein großer
Vorteil unserer Diözese ist, dass wir nicht polarisiert sind. Selbstverständlich gibt
ese verschiedene Meinungen, darüber bin ich auch dankbar, und das gilt für den Klerus
wie auch die Laien, dass wir nicht polarisiert sind und dass wir uns grundsätzlich
um ein offenes, ehrliches Gespräch bemühen. Bei allem, was es gibt und was manchmal
mühsam ist... aber dass wir gut miteinander umgehen. Vielleicht haben wir das auch
als Südtiroler Kirche gelernt gerade aus dem Umgang mit den drei Sprachgruppen, die
zu uns gehören.“
Italienisch, Deutsch, Ladinisch: ist das eine große Herausforderung?
„Hier
geht es wesentlich um den Respekt, um die Identität der einzelnen Sprachgruppen, aber
dann auch um Einheit untereinander. So haben wir im Kleinen, in der Provinz, die Möglichkeit,
auch zu leben, was katholische Kirche ist: Einheit in der Vielfalt.“
Letztes
Jahr hat die Österreichische Bischofskonferenz erstmals eine Vollversammlung in Südtirol
abgehalten. Daraus soll sich mehr Zusammenarbeit der beiden Ortskirchen entwickeln.
In welche Richtung geht das?
„Es gibt viele historische Bezugspunkte zwischen
Südtirol und Österreich, die wurden auch immer gepflegt. Viele unser Ämter und Gremien
sind eingebunden in österreichische Ämter und Gremien, und das ist auch gut. Typisch
für unsere Ortskirche ist: Wir brauchen einen Blick nach Norden, einen Blick nach
Süden - und dann auch einen Blick auf unsere eigene Situation. Gerade die Beziehung
zu Österreich ist für uns nicht nur historisch, sondern auch aktuell von großer Bedeutung.“
Also
nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft hinein…
„Vor
allem geht es nicht darum, der Vergangenheit nachzutrauern, sondern die Gegenwart
ernst zu nehmen, aber dann auch das Gemeinsame, Grenzüberschreitende zu betonen. Und
da haben wir Südtiroler eine Brückenfunktion, unsere Berufung, unsere Aufgabe.“
Wie
bereiten Sie ihre Diözese auf das Jahr des Glaubens vor?
„Das ist ein zentrales
Anliegen. Ich habe mich sehr gefreut über das Ausrufen dieses Jahres durch den Heiligen
Vater. Es ist wichtig in unserer Zeit, dass wir nicht zu geistigen Analphabeten in
Glaubensfragen werden. Im Deutschen sagen wir manchmal: Was ich nicht weiß, macht
mich nicht heiß. Immer mehr sehen wir, dass Menschen über den Glauben fast nichts
mehr wissen und dann auch stumm werden in Glaubensfragen. Da hoffe ich, dass gerade
dieses wichtige Jahr Impulse geben kann. Alles soll damit beginnen, dass wir uns wieder
neu der Schrift zuwenden, dem großen Grunddokument unseres Glaubens; aber dann auch
wieder das Glaubensbekenntnis lernen: die zentralen Inhalte unseres Glaubens kennenlernen,
darüber nachdenken, darüber beten und entdecken, wie lebensfördernd und lebensbejahend
unser christlicher Glaube ist.“
Welche Instrumente wären denn aus Ihrer
Sicht dafür hilfreich? Ein Katechismus für Einsteiger, eine Volksbibel mit den grundlegendsten
Texten, kurz erklärt?
„Es gibt ja schon viele Hilfen. Ich denke z.B. an
den Youcat, den Jugendkatechismus. Ich habe den jetzt oft empfohlen, aus tiefer persönlicher
Überzeugung. Es fehlt oft am ernsten Willen, sich konkret mit dem Glauben zu beschäftigen.
Glauben geht nicht einfach von allein, ich muss auch etwas investieren, so wie in
jede andere Beziehung, denn letztlich geht es ja im Glauben um das Sich-Einlassen
auf eine Beziehung – untereinander und letztlich zu demjenigen, von dem alles ausgeht
und zu dem alles Leben zurückkehrt.“
PS: Dass einem ein Papst öffentlich
zum 50. Geburtstag gratuliert, passiert nicht jedem; Bischof Muser ist es an diesem
Aschermittwoch widerfahren, unter dem Jubel seiner Ministranten.
"Mit besonderer
Freude", sagte der Papst, "begrüße ich die große Schar aus Südtiroler Ministranten
in Begleitung von Bischof Muser. ich freu mich, dass ihr da seid, herzlich willkommen!
Und wir freuen uns natürlich alle, dass Bischof Muser heute, am Tag der Kathedra Petri,
seinen 50. Geburtstag begeht, herzlichen Glückwunsch!" (rv 22.02.2012 gs)