2012-02-17 11:45:32

Syrien: Was tun, um das Blutbad zu stoppen?


RealAudioMP3 Was die Stadt Homs an diesem Freitag Morgen erlebte, waren die „wildesten Bombardements seit vierzehn Tagen“. Das meldet die Nachrichtenagentur afp unter Berufung auf eine Quelle in der umkämpften Stadt. „Eine so extreme Gewalt“ habe man „noch nie erlebt“, sagt einer der Führer der Aufständischen, Hadi Abdallah, und spricht von „vier Einschlägen pro Minute“. Am Donnerstag hatte die syrische Armee die Stadt Daraa angegriffen, und in New York erklärte UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon, man könne bei den Vorgängen in Syrien mittlerweile „fast“ von Verbrechen gegen die Menschlichkeit sprechen.


„Wir sehen, dass Wohnviertel unter Beschuss genommen werden. Krankenhäuser werden zu Folterzentren, Kinder, die nicht älter als zehn sind, werden inhaftiert und misshandelt. Wir sehen fast eine Art Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dass es im Sicherheitsrat keine Einigung gibt, ist kein Persilschein für die Regierung, diesen Angriff auf das eigene Volk fortzusetzen! Je länger wir debattieren, desto mehr Menschen werden sterben.“


Aber wie könnte denn die Weltgemeinschaft das Morden in Syrien stoppen? Viel hat sie nicht in der Hand, meint in einem Interview an diesem Freitag Samir Khalil Samir. Der ägyptische Jesuit ist Islamexperte und kennt Syrien sehr gut.


„Tatsächlich kann die internationale Gemeinschaft nicht mehr tun, als Druck von außen auszuüben. Das hilft dann vielleicht denen, die in Syrien protestieren; es gibt ihnen Mut. Und vielleicht überdenkt dann das Regime sein bisheriges Vorgehen und legt eine Pause ein. So wie jetzt kann es jedenfalls nicht weitergehen. Die Regierung hat zwar eine Abstimmung zur Verfassung in zwei Wochen angekündigt, aber das ist offensichtlich ein Trick, um in Wirklichkeit den Krieg fortzusetzen. Der Krieg ist beidseitig, aber ungleich; die Opposition hat keine Panzer.“


Die Stadt Homs, die seit dem 4. Februar unter Beschuss liegt, liegt in einer Region, in der es traditionell viele Christen gibt. Sie war lange Sitz des melkitisch-katholischen Patriarchen von Antiochien.


„Ich habe in diesen Tagen einen Brief bekommen von Jesuitenpatres, die in Homs waren. Sie schreiben, dass viele Leute in der Stadt nichts mehr zu essen in den Läden finden; andere haben Angst, aus dem Haus zu gehen, weil sie nicht ihr Leben riskieren wollen. Überall sind Heckenschützen beider Seiten versteckt. Eine menschlich unerträgliche Situation – nicht nur in Homs, sondern in verschiedenen Teilen Syriens.“


Pater Samir ist äußerst vorsichtig mit dem Wort Bürgerkrieg – aber „man hätte schon vor Monaten handeln sollen“, sagt er, „jetzt ist es fast zu spät, die Lage ist zu blockiert“.


„Der Konflikt hatte angefangen über den Themen Freiheit, Würde, Gerechtigkeit, Menschenwürde. Jetzt allerdings nimmt er immer mehr die Züge eines Konfessionskrieges an: Die Opposition wird von sunnitischen Muslimen dominiert, die Regierung ist vor allem alevitisch. Es sieht so aus, als würde die syrische Opposition mittlerweile von den sunnitischen Staaten Saudi-Arabien und Katar unterstützt, die gegen die Schiiten sind. Die Christen sind von diesen Konfliktlinien zwar noch nicht direkt betroffen, aber ein Risiko bedeutet das alles auch für sie. Theoretisch könnten sie Vermittler sein; de facto aber sind sie nur eine Minderheit ohne Einfluss. - Sie waren einmal ein Element der Stabilität für dieses Land und haben einen wichtigen wirtschaftlichen, kulturellen, ja sogar politischen Beitrag geleistet: Zwei der vier Berater von Präsident Hafis al-Assad waren Christen.“


(rv 17.02.2012 sk)








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