Was die Stadt Homs
an diesem Freitag Morgen erlebte, waren die „wildesten Bombardements seit vierzehn
Tagen“. Das meldet die Nachrichtenagentur afp unter Berufung auf eine Quelle in der
umkämpften Stadt. „Eine so extreme Gewalt“ habe man „noch nie erlebt“, sagt einer
der Führer der Aufständischen, Hadi Abdallah, und spricht von „vier Einschlägen pro
Minute“. Am Donnerstag hatte die syrische Armee die Stadt Daraa angegriffen, und in
New York erklärte UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon, man könne bei den Vorgängen in
Syrien mittlerweile „fast“ von Verbrechen gegen die Menschlichkeit sprechen.
„Wir
sehen, dass Wohnviertel unter Beschuss genommen werden. Krankenhäuser werden zu Folterzentren,
Kinder, die nicht älter als zehn sind, werden inhaftiert und misshandelt. Wir sehen
fast eine Art Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dass es im Sicherheitsrat keine
Einigung gibt, ist kein Persilschein für die Regierung, diesen Angriff auf das eigene
Volk fortzusetzen! Je länger wir debattieren, desto mehr Menschen werden sterben.“
Aber
wie könnte denn die Weltgemeinschaft das Morden in Syrien stoppen? Viel hat sie nicht
in der Hand, meint in einem Interview an diesem Freitag Samir Khalil Samir. Der ägyptische
Jesuit ist Islamexperte und kennt Syrien sehr gut.
„Tatsächlich kann
die internationale Gemeinschaft nicht mehr tun, als Druck von außen auszuüben. Das
hilft dann vielleicht denen, die in Syrien protestieren; es gibt ihnen Mut. Und vielleicht
überdenkt dann das Regime sein bisheriges Vorgehen und legt eine Pause ein. So wie
jetzt kann es jedenfalls nicht weitergehen. Die Regierung hat zwar eine Abstimmung
zur Verfassung in zwei Wochen angekündigt, aber das ist offensichtlich ein Trick,
um in Wirklichkeit den Krieg fortzusetzen. Der Krieg ist beidseitig, aber ungleich;
die Opposition hat keine Panzer.“
Die Stadt Homs, die seit dem 4. Februar
unter Beschuss liegt, liegt in einer Region, in der es traditionell viele Christen
gibt. Sie war lange Sitz des melkitisch-katholischen Patriarchen von Antiochien.
„Ich
habe in diesen Tagen einen Brief bekommen von Jesuitenpatres, die in Homs waren. Sie
schreiben, dass viele Leute in der Stadt nichts mehr zu essen in den Läden finden;
andere haben Angst, aus dem Haus zu gehen, weil sie nicht ihr Leben riskieren wollen.
Überall sind Heckenschützen beider Seiten versteckt. Eine menschlich unerträgliche
Situation – nicht nur in Homs, sondern in verschiedenen Teilen Syriens.“
Pater
Samir ist äußerst vorsichtig mit dem Wort Bürgerkrieg – aber „man hätte schon vor
Monaten handeln sollen“, sagt er, „jetzt ist es fast zu spät, die Lage ist zu blockiert“.
„Der Konflikt hatte angefangen über den Themen Freiheit, Würde, Gerechtigkeit,
Menschenwürde. Jetzt allerdings nimmt er immer mehr die Züge eines Konfessionskrieges
an: Die Opposition wird von sunnitischen Muslimen dominiert, die Regierung ist vor
allem alevitisch. Es sieht so aus, als würde die syrische Opposition mittlerweile
von den sunnitischen Staaten Saudi-Arabien und Katar unterstützt, die gegen die Schiiten
sind. Die Christen sind von diesen Konfliktlinien zwar noch nicht direkt betroffen,
aber ein Risiko bedeutet das alles auch für sie. Theoretisch könnten sie Vermittler
sein; de facto aber sind sie nur eine Minderheit ohne Einfluss. - Sie waren einmal
ein Element der Stabilität für dieses Land und haben einen wichtigen wirtschaftlichen,
kulturellen, ja sogar politischen Beitrag geleistet: Zwei der vier Berater von Präsident
Hafis al-Assad waren Christen.“