2012-02-15 16:32:32

Ministerin Warsi: „Religiöse Identität garantiert Offenheit“


RealAudioMP3 Europa sollte mehr Vertrauen in den christlichen Glauben haben. Dazu ermutigt die britische Politikerin und Muslima Baroness Sayeeda Warsi. Die Ministerin im Kabinett von Premier David Cameron ist mit einer britischen Regierungsdelegation zu einem zweitägigen Besuch in den Vatikan gekommen; dabei stand an diesem Mittwoch auch eine Begegnung mit Papst Benedikt XVI. auf dem Programm. Warsi, Tochter pakistanischer Einwanderer, setzt sich in dem säkular geprägten Land für die Anerkennung der identitätsbildenden Rolle der Religion im öffentlichen Leben ein: Ihrer Ansicht nach kann die Religion grundlegend die Gerechtigkeit in Gesellschaften fördern. Unter diesem Motto stehe auch ihr Besuch im Vatikan, kündigte Warsi im Vorfeld ihrer Rom-Visite an.


Der Islam in Großbritannien sei selbst auch durch das überwiegend christliche Umfeld geprägt, sagte die Muslima in einer Ansprache vor Diplomatenschülern des Heiligen Stuhls am Dienstagnachmittag. Papst Benedikt XVI. habe bei seiner Großbritannienreise von den „unaufgebbaren Wurzeln des Christentums“ gesprochen – diese könne man ebenso wenig abschaffen wie die Kirchtürme im Land. Warsi:


„Um sicher zu stellen, dass der Glaube seinen eigenen Ort in der Öffentlichkeit hat und dass der Frieden in der Gesellschaft gefördert wird, müssen sich Menschen ihrer religiösen Identität sicherer werden, überzeugter in ihrem Glauben. Das bedeutet in der Praxis, dass Glauben nicht verwässert wird und Nationen ihr religiöses Erbe nicht verleugnen. Um diesen Gedanken zu Ende zu führen: Europa muss sich seines Christentums sicherer werden.“


Zu häufig werde die Religion verdächtigt und es überwiege die Angst vor ihr, fuhr die Ministerin mit Blick auf das viel diskutierte Verbot religiöser Zeichen in der Öffentlichkeit säkular geprägter Gesellschaften fort. Dem läge das Missverständnis zu Grunde, dass Gleichheit und Religionsfreiheit für alle nur dadurch geschaffen werden könne, dass man das eigene religiöse Erbe zurückdränge, so Warsi:


„Ich sage nicht, dass alles, was im Namen von Religion getan wurde, für diesen Kontinent ein Segen war; zu viel Blut ist vergossen worden. Aber zu versuchen, unsere Geschichte auszulöschen, ist falsch. Ich weiß, dass es einfach ist, in unserer globalisierten Welt zu denken, dass das Menschenverbindende darin besteht, unsere Identität zu verwässern. Mein Argument dagegen ist, dass der einzige Weg der Annahme von anderen die Sicherheit der eigenen Identität ist. Das bedeutet noch etwas: Diese Überzeugung hat die Kraft, Offenheit zu garantieren. Nur wenn man in der eigenen Identität zufrieden ist, ist man bereit zu akzeptieren, dass der Andere keine Gefahr darstellt und nur dann kann ich die Anwesenheit von Differenz wirklich akzeptieren und nicht bloß tolerieren.“


Religionen reflektieren immer auch die jeweilige Nationalität und das jeweilige kulturelle Erbe, so Warsi weiter. Sie selbst fühle sich deswegen durchaus als britische Muslima, die in einem Land und mit einem Erbe lebe, das von einer starken christlichen Identität geprägt sei. Das habe ihr selbst Stärke im eigenen Glauben gegeben.


„Auf so viele verschiedene Weisen gibt Glauben der Gesellschaft zusätzliche Stärke! Vertrauen in den eigenen Glauben lässt uns den Glauben anderer gegen Angriffe verteidigen. Der Glaube verlangt, dass wir uns für den Nächsten einsetzen. Wie es der vierte Kalif Ali ibn Abi Talib ausgedrückt hat: ‚Jeder Mensch ist dein Bruder, entweder im Glauben oder als Mensch‘. Wer den Nächsten unterdrückt, unterdrückt auch mich selbst. Wer sich für den Glauben anderer einsetzt, ist nicht ,weniger‘ Christ, Jude oder Muslim, sondern mehr.“


Die Zustimmung zur Religion sei bedroht, Glaube werde zunehmend marginalisiert, so die Politikerin weiter. Warsi nahm in diesem Zusammenhang die Argumentation Papst Benedikt XVI. bei seiner Rede in der Westminster Hall aus dem Jahr 2010 auf: Spiritualität werde weggedrückt, Göttlichkeit herabgewürdigt. Man betrachte in ihrem Land Glauben zunehmend als ein „Hobby von Ausländern und Minderheiten“, als exzentrisch, berichtete Warsi.
Die Lösung bestehe nicht darin, die Tür für andere Menschen und Religionen zu schließen, sondern die Identität des Kontinentes zu stärken. Das Problem, und hier zitierte Warsi Kanzlerin Angela Merkel, sei nicht, dass man ,zu viel Islam‘ habe, sondern ,zu wenig Christentum‘.


„Für Europa bedeutet das, mehr auf die eigenen christlichen Wurzeln zu setzen und mit diesem Vertrauen offener zu werden. Die Menschen müssen realisieren, dass auf unserem Kontinent und darüber hinaus, die Lehren und die Werte des Christentums so beständig sind wie ,Westminster Abbey‘, so unauslöschlich wie Da Vincis ,Letztes Abendmahl‘ und so beständig wie Christus der Erlöser. Und dieses Christentum ist für unsere Zukunft genauso wichtig wie für unsere Vergangenheit.“

(rv 15.02.2012 ord/pr)







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