Missbrauchskongress: „Die Wende im Kopf ist gelungen"
Schritt für Schritt
entsteht ein globales katholisches Bewusstsein über das Problemfeld Missbrauch in
der Kirche. Das hat der Münchner Kardinal Reinhard Marx beobachtet, der an der internationalen
Tagung in Rom teilnahm und dabei viele Gespräche mit Kollegen im Bischofsamt aus aller
Welt führte.
„Wenn ich auf 2002 zurückblicke, wo wir zum ersten Mal Richtlinien
gemacht haben, übrigens als erste Institution in Deutschland, haben wir aus meiner
Sicht noch nicht die ganze Wende im Kopf gemacht, uns die Sache aus der Perspektive
der Opfer anzuschauen. Und das ist in den letzten Jahren passiert, sodass Schritt
für Schritt auch ein globales katholisches Bewusstsein entsteht, und das ist an diesem
Kongress auch sichtbar geworden. Vor zehn Jahren hätte der noch nicht so stattfinden
können, und jetzt ist wirklich eine Sensibilität da, eine Offenheit, die Dinge werden
klar ausgesprochen, es wird nicht mehr drumherumgeredet, es wird die Wahrheit auf
den Tisch gelegt, die Opfer kommen zu Wort, man ist trotzdem geprägt von der Hoffnung,
dass aus der Erfahrung, die wir jetzt gemacht haben, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen,
sich etwas Positives entwickeln kann – eine Wende. Und das ist etwas, was neu zusammenführt.“
Die
massive Aufdeckung von Missbrauchsfällen hatte in den USA begonnen und nach und nach
europäische Länder ergriffen. 2011 war Deutschland an der Reihe. Kardinal Marx erinnert
sich:
„Es kam an jedem Tag eine neue Nachricht über das, was in den letzten
Jahrzehnten passiert ist, sodass die Wucht der Ereignisse einen ziemlich erschüttert
hat. Insofern war es, obwohl wir schon früher auch etwas gewusst haben, mir zum ersten
Mal klar, dass es doch einen größeren Umfang gehabt hat und die Frage des Missbrauchs
auch tiefer in den Jahrzehnten eine Rolle gespielt habe, als ich mir das überhaupt
habe vorstellen können.“
Allerdings: Noch nicht in allen Teilen der katholischen
Weltkirche hat sich bisher ein Bewusstsein für die Tragweite von Missbrauch durchgesetzt.
Dazu Kardinal Marx.
„Es ist ein weltweites Problem, davon bin ich überzeugt,
und es gibt unterschiedliche Kulturen und Bewusstseinsstände. Niemand kann voraussagen,
wann bestimmte Punkte offenbar werden. Wer hätte vor 20, 30 Jahren gedacht, dass wir
darüber sprechen?“
Jedenfalls, und das wertet Marx als einen der großen
Erfolge der internationalen kirchlichen Tagung:
„Wir sind besser vorbereitet.
Deswegen ist ja wichtig, dass wir katholisch global zusammenwirken, dass wir über
die Kulturen und Nationen hinweg in Kontakt bleiben, das war ja ein wichtiges Anliegen
dieses Symposions, die Leute aus verschiedenen Ländern zusammenzubringen und ihnen
zu sagen, ihr seid nicht unvorbereitet, wir haben unsere Erfahrungen gemacht, bereitet
euch vor, ihr könnt jetzt handeln und etwas Positives tun, so dass auch wirklich deutlich
wird, dass wir auf dieses Problem aufmerksam geworden sind.“