2012-02-10 11:01:53

EU-Indien-Abkommen: Handel auf Kosten der Armen?


RealAudioMP3 An diesem Freitag findet in der indischen Hauptstadt Neu Delhi der EU-Indien-Gipfel statt. Auf dem Treffen wollen sich Vertreter der EU-Kommission und der indischen Regierung auf ein Handelsabkommen einigen, das womöglich die Existenzgrundlage von Millionen von Menschen in Indien gefährden könnte: Der indische Markt soll sich für europäische Produkte öffnen, die Zölle für solche Waren gesenkt werden – das sind schöne Aussichten für das krisengeschüttelte Europa, aber fatal für die Mehrheit der indischen Bevölkerung, erklärt im Gespräch mit Radio Vatikan der Handelsexperte von Misereor Armin Paasch. Er geht zur Stunde mit indischen Kleinbauern und -händlern gegen das Abkommen in Neu Delhi auf die Straße:

„Man muss wissen, dass der Einzelhandel in Indien mit 37 Millionen Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitgeber ist. Und ein Großteil von diesen Arbeitskräften sind im informellen Sektor beschäftigt. Zehn Millionen Straßenhändler gehören zum Beispiel dazu. Das sind Leute, die jetzt schon am Existenzminimum leben. Und wenn sie jetzt ihre Arbeit verlieren würden, würden sie extremer Armut und extremem Hunger ausgesetzt werden. Nun verlangt die EU, dass europäische Supermarktketten wie Carrefour, Metro und Tesco Supermärkte in Indien eröffnen können. Und die Kleinhändler befürchten nun, dass sie verdrängt werden.“

Schätzungsweise 2,9 bis 5,7 Millionen Arbeitsplätze wären mit der Ausbreitung von modernen Supermärkten in Indien gefährdet. Weiter will die EU, dass 95 Prozent der indischen Zölle für europäische Produkte abgeschafft werden, so Paasch weiter. Eine solche Strategie würde der lokalen indischen Landwirtschaft den Todesstoß versetzen:

„Beispielsweise für Milch würde das bedeuten, dass 14 Millionen indische Bäuerinnen und Bauern der Konkurrenz von subventioniertem Milchpulver der EU ausgesetzt würden, auch hier befürchten wir starke Verdrängungseffekte, eine Verdrängung von den Märkten, was auch bedeuten würde, dass diese Bauern eben ihr Einkommen verlieren würden, und ihr wirtschaftlicher Zugang zu Nahrungsmitteln, also ihre Kaufkraft sehr stark darunter leiden würde.“

Im Lissabon-Vertrag ist festgeschrieben, dass die Handelspolitik der EU mit Menschenrechten konform gehen muss. Dieser Maßstab werde mit Füßen getreten, wenn das Abkommen tatsächlich planmäßig umgesetzt wird, so der Misereor-Handelsexperte weiter.

40 Prozent leben immer noch in bitterer Armut
Trotz Wirtschaftswachstum und steigenden Exporten leben in Indien 40 Prozent der Bevölkerung immer noch in extremer Armut; jeder Vierte ist laut Angaben von Misereor chronisch unterernährt. Das Hilfswerk fordert deshalb eine Abschätzung der Folgen im Vorfeld von Handelsabkommen vor allem für die arme Bevölkerungsmehrheit in dem Schwellenland: Kein Handel auf Kosten von Grundrechten wie auf Nahrung und Arbeit, so der Appell, den Misereor zusammen mit der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung und mit zivilgesellschaftlichen Partnern in Indien vorbringt. In Neu Delhi wurde zu diesem Zweck ein Protestmarsch organisiert, der parallel zum Gipfel an diesem Freitag stattfindet.

(rv/misereor 09.02.2012 pr)








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