Symposion zu Missbrauch: Der Opferperspektive Gehör verschaffen
Das Symposion der Universität Gregoriana zum Thema sexueller Missbrauch will auch
der Opferperspektive Gehör verschaffen. Das erklärt einer der Mitorganisatoren, Jesuitenpater
und Psychologe Hans Zollner gegenüber Radio Vatikan. Man wolle ganz bewusst auf die
Stimme derer hören, die von der Gewalt betroffen gewesen seien, auch wenn im Rahmen
eines Kongresses die Möglichkeiten dazu beschränkt seien.
„Wir haben uns
lange überlegt, wie die Stimme der Opfer hier beim Symposion hörbar gemacht werden
kann und durch das Symposion auch für die Kirche weltweit. Wir haben uns dann dazu
entschieden, dass wir eine Frau einladen, die als Missbrauchsopfer in Irland bei anderen
Gelegenheiten schon über ihre Erfahrungen gesprochen hat. Sie wird vor diesem 100
Bischöfen, 40 Ordensoberen und 80 Experten noch einmal darlegen, wie sie mit dieser
für sie schlimmen Erfahrung umgegangen ist. Begleitet wird sie von ihrem Ehemann aber
auch von einer englischen Psychiaterin, die in den letzten Monaten für die Kirche
von England und Wales sogenannte listening-sessions durchgeführt hat. Diese beiden
Frauen werden für die Opfer sprechen. Uns ist klar, dass das nicht mal ein Tropfen
auf den heißen Stein ist, aber wir wollten wenigstens diese Möglichkeit und dieses
weltweite Forum nutzen, um die Stimme der Opfer hörbar zu machen.“
Eine
Betroffene spricht über ihre Geschichte Marie Collins heißt diese Frau,
die bei der Konferenz von ihren Erfahrungen sprechen wird. Sie freut sich, dass gerade
in Rom eine solche Konferenz durchgeführt wird.
„Dieses Symposion ist so
wichtig für uns alle. Gerade hier im Herzen der Weltkirche. Als Opfer war ich auf
die Kirche böse. Ich war von meiner Heimatdiözese enttäuscht. Dann tat ich alles,
um den Täter, der mich missbraucht hat, vor Gericht zu bringen. Das alles hat mich
eines gelehrt: Wir können nicht in der Vergangenheit leben. Wir müssen vorwärts schauen.
Und für mich ist jetzt nur das Eine wichtig: Der absolute Schutz für alle Kinder.“
Als
Opfer hoffe sie, dass bei der Konferenz nicht nur die Gründe für Missbrauch erforscht
werden, so Collins.
„Ich wünsche mir, dass die Kirchenführung von diesem
Symposion sehr viele Lehre ziehen kann. Wissen und Verständnis können meiner Meinung
sehr viel dazu beitragen, das Problem zu beseitigen. Wenn man ein Wissen über dieses
Problem hat, kann man auch konkrete Maßnahmen anordnen und durchsetzen. Man kann nicht
genug betonen, wie wichtig dieses Thema für die Kirche ist.“
Mehr
als nur Worte Die Irin weist darauf hin, dass Richtlinien allein keinen
Schutz bieten. Die Kirchenvertreter müssten sie auch konkret umsetzen.
„Denn
Richtlinien können nur dann wirksam sein, wenn sie auch von allen Kirchenvertretern
akzeptiert werden. Es darf nicht sein, dass nur schöne Worte gesprochen und aufgeschrieben
werden. Auch darf man eines nicht vergessen – und wir Opfer wissen das: Missbrauch
geschieht nicht nur in der Kirche. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Doch
wenn die Kirche im Bereich des Kinderschutzes eine Führungsrolle einnehmen könnte,
so würde das meine Wunde ein Stück weit heilen. Das ist auch der Grund, weshalb ich
die Einladung zu diesem Symposion angenommen habe.“
Das Trauma des
Missbrauchs Marie Collins war 12 Jahre alt, als sie bei einem Krankenhausaufenthalt
vom Seelsorger sexuell missbraucht wurde.
„Ich fühlte mich zerstört. Damals
dachte ich, dass es mein Fehler gewesen sei. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass
ein Priester etwas Böses machen könnte. Als ich später juristisch vorgehen wollte,
sagte mir mein Diözesanbischof, dass es sich nicht mehr lohnen würde, etwas zu unternehmen.
Der Bischof sagte mir auch, dass es unklug sei, den Ruf des Seelsorgers zu ruinieren.
Er hat versucht bis zuletzt den Priester vor der Polizei zu schützen.“
Erst
vor einem Jahr wurde der Priester wegen Kindesmissbrauch verurteilt. Das sind fast
50 Jahre nach dem Übergriff an Marie Collins.
„Das Hauptproblem ist nicht
die physische Gewalt, die Opfer angetan wird. Die Opfer leiden vor allem psychisch.
Ich selber sah mich jahrelang als schlechte Person an. Ich hatte Minderwertigkeitskomplexe.
Ich wollte auch niemanden über den Missbrauch erzählen. Ich bekam Panikattacken und
konnte keine richtige Arbeit verrichten. Ständig war ich in psychiatrischen Kliniken.
Erst als ich darüber mit dem Arzt gesprochen habe, fühlte ich mich besser und auch
dank der Hilfe Gottes.“