2012-02-01 11:17:09

Italien: „Wir brauchen keine Helden, sondern Leute, die einfach ihre Pflicht tun“


RealAudioMP3 Erst demolierten Unbekannte sein Auto. Dann fand er, vor ein paar Tagen, einen blutigen Schweinekopf vor seinem Pfarrhaus: eine deutliche Warnung durch die `Ndrangheta, die Mafia. Doch Pfarrer Ennio Stamìle aus Cetraro in der süditalienischen Provinz Kalabrien will sich nicht einschüchtern lassen. Der Geistliche ist bekannt für seine ablehnende Haltung gegenüber der Mafia, die er in seinen Predigten zum Ausdruck bringt.


„Wahrscheinlich ist das einfach eine Reaktion auf unsere seelsorgliche Arbeit, die manchmal auch zur „denuncia“ werden muss, zur Anklage. So lehrt uns das übrigens die Soziallehre der Kirche, etwa die Enzyklika Solicitudo rei socialis von Johannes Paul II: Danach gehört die „denuncia“ zu unserer prophetischen Aktion. Natürlich kommt zuerst „annuncio“, also Verkündigung, aber dann eben auch die „denuncia“, die Anklage. Es ist doch klar, dass wir nicht schweigen können angesichts des Bösen, das immer besorgniserregender wird – weil es die Armen, die Einzelnen, die Älteren und sogar die Behinderten mit einbezieht. Wie sagt doch Jesaja: Um der Liebe zu meinem Volke willen kann ich nicht schweigen!“


Schade nur, dass „in einigen Kreisen der Unterentwicklung und Unterkultur“, wie Don Ennio formuliert, seine „denuncia“ nicht als Aufruf zur Bekehrung aufgenommen wird, sondern „als eine Art Herausforderung“. Er wolle eigentlich gar nicht von den Medien das Etikett des Anti-Mafia-Priesters aufgeklebt bekommen.


„Der Priester ist als Christ gegen niemanden! Wir stehen auf der Seite der Menschen: jedes Menschen, auch des Menschen, der Übles tut. Das ist unsere Mission! Wir haben keine Interessen zu verteidigen, sondern eine prophetische Funktion auszuüben. Und das wird leider nicht verstanden. Mir tut das sehr leid, weil dadurch das Bild dieser außerordentlichen Region Kalabrien verfinstert wird, einer Region, in der außerordentliche Menschen leben und viel Gutes tun, in aller Stille, junge und nicht mehr so junge.“

Die `Ndrangheta verdüstert nicht nur das Image ihrer Herkunftsregion Kalabrien, wo sie im 19. Jahrhundert entstand: Ihre Fangarme reichen mittlerweile bis nach Südamerika, Russland oder Australien. Man schätzt ihren Jahresumsatz auf 44 Milliarden Euro; das würde sie zur stärksten Mafiabande Europas überhaupt machen. Auch die Mafiamorde von Duisburg im Jahr 2007 gehen auf ihr Konto. Was tun gegen diese Mafia? Don Ennio im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Wir brauchen keine Helden, wir brauchen vielmehr Leute, die einfach nur ihre Pflicht tun, trotz ihrer Grenzen oder Schwächen – nur das brauchen wir! Helden brauchen wir keine, allerdings haben wir welche, auch wir hier in Cetraro und anderswo in Kalabrien: Menschen die von der `Ndrangheta ermordet wurden. Nicht nur Politiker, sondern auch Staatsanwälte, auch Priester. Also, Helden haben wir schon. Jetzt fehlen uns noch Leute, die sich täglich für das Gute einsetzen, für die Gerechtigkeit, für die Legalität und Solidarität!“

Anders gesagt: Nein zur Grauzone. Dabei ist auch diese Grauzone dem Pfarrer von Cetraro durchaus vertraut.

„Vor allem schwächere, jüngere Leute sagen: Hier in Kalabrien gibt`s ja keine Arbeit, darum müssen wir zur ´Ndrangheta gehen, die gibt uns einen Job. Also treten wir ihr bei...“

Gegen diese resignative Haltung, die viele in den Dienst der Mafia rutschen läßt, ruft Don Ennio zu einem Aufstand der Anständigen:

„Wir werden jetzt sicher nicht stehenbleiben, im Gegenteil! Warum sollten wir uns jetzt einschüchtern lassen? Absolut nicht! Wir sind ja auch nicht allein: Wir haben viele Menschen auf unserer Seite, und auch der Herr ist mit uns. Wie Paulus sagt: Nichts kann uns scheiden von der Liebe Christi. Wir tun einfach das, was wir zu tun haben. Auch wenn wir keine Helden sind – absolut nicht.“

(rv 01.02.2012 sk)








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