2012-01-29 16:32:58

Österreich: Hildegard Burjan ist selig – Gedenktag 12. Juni


Hildegard Burjan, die Gründerin der Schwesterngemeinschaft „Caritas Socialis“ (CS), ist seliggesprochen. Bei der Feier am Sonntagnachmittag im Wiener Stephansdom verlas der Präfekt der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen, Kurienkardinal Angelo Amato, das Seligsprechungsdekret des Papstes. Mit Hildegard Burjan hat die katholische Kirche weltweit erstmals eine Parlamentarierin seliggesprochen.


Im Seligsprechungsdekret erteilt Benedikt XVI. „die Erlaubnis, dass die ehrwürdige Dienerin Gottes Hildegard Burjan, Ehefrau und Mutter, Gründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis, die im öffentlichen Leben auf christliche Weise eifrig danach strebte, dass das Evangelium als Sauerteig der irdischen Gesellschaft wirke, und dass die Würde der Frau, der Wert der Familie, der menschliche Zusammenhalt sowie das Gemeinwohl gefördert werden, künftighin als Selige verehrt“ wird. Ihren Gedenktag setzte der Papst auf den 12. Juni, den Tag nach ihrem Todestag, eines jeden Jahres fest.


Nach der Verlesung des Dekretes wurde im Altarraum des Stephansdomes ein rund 5,5 mal 4 Meter großes Porträt Hildegard Burjans aufgezogen. Dann wurde eine einfach gehaltene Glasstele mit der Reliquie Hildegard Burjans in einer Prozession zum Altar gebracht und davor abgestellt. Neben einem Knochensplitter der Seligen enthält das Reliquiar auch ihren Ehering sowie jene Caritas-Socialis-Brosche, die bei der Öffnung ihres Sarges 2005 gefunden wurde.


Geboren in Görlitz


Zum Auftakt des Seligsprechungsaktes hatte die Vizepostulatorin des Seligsprechungsverfahrens, Ingeborg Schödl, die Lebens- und Glaubensgeschichte Hildegard Bujans verlesen. Am 30. Januar 1883 als Hildegard Freund im sächsischen Görlitz in eine liberale jüdische Familie geboren, studierte sie in Zürich Literatur und Philosophie und in Berlin Sozialwissenschaft. Im Jahr 1907 heiratete sie den gebürtigen Ungarn Alexander Burjan. Nach Heilung von einer schweren Krankheit konvertierte sie zur katholischen Kirche und ließ sich taufen.


Burjan setzte sich entschieden für die Gleichberechtigung der Frau, für die Bekämpfung der Kinderarbeit und für die Überwindung sozialer Missstände ein. Viele soziale Rechte für Frauen und Kinder, die heute selbstverständlich sind, gehen auf ihre Initiative zurück. Zu ihren wichtigsten politischen Forderungen zählte schon damals „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für Frauen. 1912 gründete Burjan den „Verband der christlichen Heimarbeiterinnen“ und 1918 den Verein „Soziale Hilfe“. Als Frauen 1919 erstmals das aktive und passive Wahlrecht ausüben konnten, zog Burjan als erste christlich-soziale Abgeordnete in das österreichische Parlament ein. Am 4. Oktober 1919 gründete sie die religiöse Schwesterngemeinschaft „Caritas Socialis“ - mit dem Auftrag, soziale Not der Zeit zu erkennen und zu lindern.


Gleichzeitig Oberin und Ehefrau


Als große Ausnahme in der neueren Ordensgeschichte war Hildegard Burjan zugleich Oberin ihrer Gemeinschaft, Ehefrau (eines der führenden Industriellen seiner Zeit) und Mutter einer Tochter. Zugleich war sie die Beraterin führender Politiker der Ersten Republik, so von Bundeskanzler Prälat Ignaz Seipel. Obwohl sie nur kurze Zeit dem Parlament angehörte, galt sie schon bald als dessen „Gewissen“. Die tief religiöse Hildegard Burjan stellte sich dem Elend großer gesellschaftlicher Schichten und verschloss vor Jugendkriminalität, Verwahrlosung und Prostitution nie die Augen. Dadurch erwarb sie sich auch den Respekt sozialdemokratischer Politiker.


Als im Jahr 1920 Neuwahlen anstanden, zog sich Burjan aus Rücksicht auf ihre stark angeschlagene Gesundheit und wegen der zunehmenden antisemitischen Strömungen auch innerhalb ihrer Partei aus dem Parlament zurück, blieb aber weiter politisch aktiv. Hildegard Burjan starb am 11. Juni 1933 an einem schweren Nierenleiden.


Hohe Repräsentanten aus Kirche und Politik


An der von Kurienkardinal Angelo Amato geleiteten Seligsprechungsfeier nahm Österreichs Episkopat fast vollzählig teil: Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof Alois Kothgasser, die Bischöfe Egon Kapellari, Klaus Küng, Alois Schwarz, Manfred Scheuer, Ägidius Zsifkovics, Ludwig Schwarz und Christian Werner, die Weihbischöfe Helmut Krätzl, Franz Scharl, Stephan Turnovszky, Anton Leichtfried und Andreas Laun, Diözesanadministrator Benno Elbs sowie die Altbischöfe Maximilian Aichern und Paul Iby. Von politischer Seite waren Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, der zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer, Vizekanzler Michael Spindelegger, Finanzministerin Maria Fekter, Klubobmann Karlheinz Kopf und Volksanwältin Terezija Stoisits zugegen.


Aus Burjans deutscher Heimatstadt Görlitz nahm eine große Abordnung mit Bischof Wolfgang Ipolt und Altbischof Rudolf Müller an der Spitze teil, ebenso der Nuntius in Wien, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen. An der Spitze zahlreicher Ordensvertreter kamen Prälat Maximilian Fürnsinn, Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften, und Schwester Kunigunde Fürst, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden.


„Großes Geschenk für Kirche und Land“


„Ein großes Geschenk für die Kirche und für unser Land“: So nannte der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, in seiner Predigt die Seligsprechung Hildegard Burjans. Sie habe in sozial schwerer Zeit Großes geleistet. „Nichts Frömmelndes, keine Schaustellung ihres Inneren, sondern das Sehen der Not, das Hinschauen, das Zupacken, das vernünftige soziale Handeln: das hat ihr über Parteigrenzen hinweg hohe Anerkennung eingebracht“, hob Schönborn hervor.


„Gott gibt uns den Verstand, damit wir die Not einer Zeit, die Ursachen der Not, die Mittel, die zur Abhilfe führen, erkennen“, zitierte der Kardinal die neue Selige. Das sei auch der Grund für ihr politisches Engagement gewesen. Volles Interesse für die Politik und entsprechendes Handeln gehörten für Burjan zum praktischen Christentum.


Die Kirche stelle sie als Selige nun ausdrücklich als Vorbild hin. Ihrem Vorbild nachzueifern, heiße „in die Schule Jesu“ zu gehen. Genau das sei auch das „Reformprogramm“ für die Erzdiözese Wien. „Die selige Hildegard Burjan hat gezeigt, dass dieser Weg in der Lebensschule Jesus wirklich die Welt verändern kann“, hob der Wiener Erzbischof hervor. Seligsprechung heißt nach kirchlicher Überzeugung aber auch, die Selige um Hilfe zu bitten, sie anzurufen und ihre Fürsprache zu suchen. „Heute dürfen wir sie um ihre Fürsprache bitten, diese große Frau der sozialen Tat, der ohne viele Worte gelebten Caritas Socialis! Selige Hildegard Burjan! Bitte für uns!“, so der Kardinal.


„Soziales Engagement allein macht noch nicht heilig“


Schönborn betonte in seiner Predigt, dass zu „Heiligkeit“ aber mehr gehöre als soziales Engagement. „Es gibt viele großartige Menschen. Sozial Engagierte. Vorbildliche Eheleute und Eltern. Beruflich Bewundernswerte. Politisch ehrlich und gerade Handelnde. Es gibt gute Christen, glaubwürdige Gläubige. Und es gibt von ihnen allen mehr als man von den täglichen Medienberichten her vermuten würde. Es gibt in unserem Land viele beeindruckende, gerade, hochanständige Menschen. Und dafür dürfen wir dankbar sein“, hielt der Kardinal fest. Das „Mehr“, das sich im Blick auf die selige Hildegard Burjan zeige, sei „eine innere Quelle, ein Feuer, eine Kraft, da ist eine Dynamik, die aus einer innersten Mitte heraus ein Leben verändert, umgestaltet, im Guten radikalisiert, ein nicht mehr erlahmender Impuls, der allem im Leben der Seligen eine neue Marke gegeben hat“.


Der Wendepunkt in Burjans Leben sei gewesen, als sie am 2. Oktober1908 als 25-Jährige, jung Verheiratete in Berlin ins katholische St. Hedwigs-Krankenhaus eingeliefert wurde. Nach sieben Monaten vergeblicher Operationen und schrecklicher Schmerzen sei am Karsamstag der baldige Tod der Schwerkranken für alle gewiss gewesen. „Am nächsten Tag, am Ostermorgen, ist sie geheilt. Die Ärzte und sie selber sehen es als Wunder. Ihr langes Suchen nach Sinn, ihr Sehnen nach Gott, hat das Ziel erreicht: Sie kann glauben. Gott hat sie geführt.“ Sie habe auch die geistlichen Schwerstern des Krankenhauses erlebt, die sie monatelang gepflegt haben. „So etwas wie diese Schwestern kann der natürliche, sich selbst überlassene Mensch nicht vollbringen. Ich habe die Wirkung der Gnade erlebt, so kann mich auch nichts mehr zurückhalten“, zitierte der Kardinal die neue Selige.


Schönborn: „Es war nicht eine reine menschliche Energie, die sie von jetzt an bewegte, unermüdlich für Menschen in Not dazu sein, eine Ehe zu führen, und gleichzeitig eine Schwestergemeinschaft zu gründen. Da war eine andere Kraft am Werk.“ So habe sie auch das Wort des Apostels Paulus „Die Liebe Christi drängt uns“ als Motto für die Caritas Socialis gewählt.

„Predigt der Tat“


Die selige Hildegard Burjan habe nicht viel über diesen innersten Antrieb in ihrem Leben geredet. Sie habe ihn durch ihr Leben sichtbar gemacht, ohne viele Worte. Die „Predigt der Tat“ sei ihr wichtiger. „Wir brauchen Menschen, die nicht zu anderen predigen gehen“, so ein Ausspruch von ihr. Burjan habe gewusst, dass Gott ihr zu Ostern 1908 das Leben neu geschenkt hat, sagte der Wiener Erzbischof weiter. So sehe sie von da an ihr Leben bis in die Todesstunde, 25 Jahre später, am Dreifaltigkeitssonntag 1933. Von ihrer Todesstunde ist folgende Aussage überliefert: „Mein Sterben ist ein einziges großes Deo Gratias! Vor 25 Jahren hat mich Gott aus dieser Krankheit herausgezogen und berufen, dann hat er mich 25 Jahre auf den Armen getragen wie ein Kind, und jetzt führt er mich aus dieser Krankheit heraus zu sich!“

(kap 29.01.2012 sk)








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