Österreich: Hildegard Burjan ist selig – Gedenktag 12. Juni
Hildegard Burjan, die Gründerin der Schwesterngemeinschaft „Caritas Socialis“ (CS),
ist seliggesprochen. Bei der Feier am Sonntagnachmittag im Wiener Stephansdom verlas
der Präfekt der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen, Kurienkardinal Angelo
Amato, das Seligsprechungsdekret des Papstes. Mit Hildegard Burjan hat die katholische
Kirche weltweit erstmals eine Parlamentarierin seliggesprochen.
Im Seligsprechungsdekret
erteilt Benedikt XVI. „die Erlaubnis, dass die ehrwürdige Dienerin Gottes Hildegard
Burjan, Ehefrau und Mutter, Gründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis,
die im öffentlichen Leben auf christliche Weise eifrig danach strebte, dass das Evangelium
als Sauerteig der irdischen Gesellschaft wirke, und dass die Würde der Frau, der Wert
der Familie, der menschliche Zusammenhalt sowie das Gemeinwohl gefördert werden, künftighin
als Selige verehrt“ wird. Ihren Gedenktag setzte der Papst auf den 12. Juni, den Tag
nach ihrem Todestag, eines jeden Jahres fest.
Nach der Verlesung des Dekretes
wurde im Altarraum des Stephansdomes ein rund 5,5 mal 4 Meter großes Porträt Hildegard
Burjans aufgezogen. Dann wurde eine einfach gehaltene Glasstele mit der Reliquie Hildegard
Burjans in einer Prozession zum Altar gebracht und davor abgestellt. Neben einem Knochensplitter
der Seligen enthält das Reliquiar auch ihren Ehering sowie jene Caritas-Socialis-Brosche,
die bei der Öffnung ihres Sarges 2005 gefunden wurde.
Geboren in Görlitz
Zum
Auftakt des Seligsprechungsaktes hatte die Vizepostulatorin des Seligsprechungsverfahrens,
Ingeborg Schödl, die Lebens- und Glaubensgeschichte Hildegard Bujans verlesen. Am
30. Januar 1883 als Hildegard Freund im sächsischen Görlitz in eine liberale jüdische
Familie geboren, studierte sie in Zürich Literatur und Philosophie und in Berlin Sozialwissenschaft.
Im Jahr 1907 heiratete sie den gebürtigen Ungarn Alexander Burjan. Nach Heilung von
einer schweren Krankheit konvertierte sie zur katholischen Kirche und ließ sich taufen.
Burjan setzte sich entschieden für die Gleichberechtigung der Frau, für
die Bekämpfung der Kinderarbeit und für die Überwindung sozialer Missstände ein. Viele
soziale Rechte für Frauen und Kinder, die heute selbstverständlich sind, gehen auf
ihre Initiative zurück. Zu ihren wichtigsten politischen Forderungen zählte schon
damals „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für Frauen. 1912 gründete Burjan den „Verband
der christlichen Heimarbeiterinnen“ und 1918 den Verein „Soziale Hilfe“. Als Frauen
1919 erstmals das aktive und passive Wahlrecht ausüben konnten, zog Burjan als erste
christlich-soziale Abgeordnete in das österreichische Parlament ein. Am 4. Oktober
1919 gründete sie die religiöse Schwesterngemeinschaft „Caritas Socialis“ - mit dem
Auftrag, soziale Not der Zeit zu erkennen und zu lindern.
Gleichzeitig
Oberin und Ehefrau
Als große Ausnahme in der neueren Ordensgeschichte
war Hildegard Burjan zugleich Oberin ihrer Gemeinschaft, Ehefrau (eines der führenden
Industriellen seiner Zeit) und Mutter einer Tochter. Zugleich war sie die Beraterin
führender Politiker der Ersten Republik, so von Bundeskanzler Prälat Ignaz Seipel.
Obwohl sie nur kurze Zeit dem Parlament angehörte, galt sie schon bald als dessen
„Gewissen“. Die tief religiöse Hildegard Burjan stellte sich dem Elend großer gesellschaftlicher
Schichten und verschloss vor Jugendkriminalität, Verwahrlosung und Prostitution nie
die Augen. Dadurch erwarb sie sich auch den Respekt sozialdemokratischer Politiker.
Als im Jahr 1920 Neuwahlen anstanden, zog sich Burjan aus Rücksicht auf
ihre stark angeschlagene Gesundheit und wegen der zunehmenden antisemitischen Strömungen
auch innerhalb ihrer Partei aus dem Parlament zurück, blieb aber weiter politisch
aktiv. Hildegard Burjan starb am 11. Juni 1933 an einem schweren Nierenleiden.
Hohe
Repräsentanten aus Kirche und Politik
An der von Kurienkardinal Angelo
Amato geleiteten Seligsprechungsfeier nahm Österreichs Episkopat fast vollzählig teil:
Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof Alois Kothgasser, die Bischöfe Egon Kapellari,
Klaus Küng, Alois Schwarz, Manfred Scheuer, Ägidius Zsifkovics, Ludwig Schwarz und
Christian Werner, die Weihbischöfe Helmut Krätzl, Franz Scharl, Stephan Turnovszky,
Anton Leichtfried und Andreas Laun, Diözesanadministrator Benno Elbs sowie die Altbischöfe
Maximilian Aichern und Paul Iby. Von politischer Seite waren Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer, der zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer, Vizekanzler Michael
Spindelegger, Finanzministerin Maria Fekter, Klubobmann Karlheinz Kopf und Volksanwältin
Terezija Stoisits zugegen.
Aus Burjans deutscher Heimatstadt Görlitz nahm
eine große Abordnung mit Bischof Wolfgang Ipolt und Altbischof Rudolf Müller an der
Spitze teil, ebenso der Nuntius in Wien, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen. An der
Spitze zahlreicher Ordensvertreter kamen Prälat Maximilian Fürnsinn, Vorsitzender
der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften, und Schwester Kunigunde
Fürst, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden.
„Großes Geschenk
für Kirche und Land“
„Ein großes Geschenk für die Kirche und für unser
Land“: So nannte der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, in seiner Predigt
die Seligsprechung Hildegard Burjans. Sie habe in sozial schwerer Zeit Großes geleistet.
„Nichts Frömmelndes, keine Schaustellung ihres Inneren, sondern das Sehen der Not,
das Hinschauen, das Zupacken, das vernünftige soziale Handeln: das hat ihr über Parteigrenzen
hinweg hohe Anerkennung eingebracht“, hob Schönborn hervor.
„Gott gibt
uns den Verstand, damit wir die Not einer Zeit, die Ursachen der Not, die Mittel,
die zur Abhilfe führen, erkennen“, zitierte der Kardinal die neue Selige. Das sei
auch der Grund für ihr politisches Engagement gewesen. Volles Interesse für die Politik
und entsprechendes Handeln gehörten für Burjan zum praktischen Christentum.
Die
Kirche stelle sie als Selige nun ausdrücklich als Vorbild hin. Ihrem Vorbild nachzueifern,
heiße „in die Schule Jesu“ zu gehen. Genau das sei auch das „Reformprogramm“ für die
Erzdiözese Wien. „Die selige Hildegard Burjan hat gezeigt, dass dieser Weg in der
Lebensschule Jesus wirklich die Welt verändern kann“, hob der Wiener Erzbischof hervor.
Seligsprechung heißt nach kirchlicher Überzeugung aber auch, die Selige um Hilfe zu
bitten, sie anzurufen und ihre Fürsprache zu suchen. „Heute dürfen wir sie um ihre
Fürsprache bitten, diese große Frau der sozialen Tat, der ohne viele Worte gelebten
Caritas Socialis! Selige Hildegard Burjan! Bitte für uns!“, so der Kardinal.
„Soziales Engagement allein macht noch nicht heilig“
Schönborn
betonte in seiner Predigt, dass zu „Heiligkeit“ aber mehr gehöre als soziales Engagement.
„Es gibt viele großartige Menschen. Sozial Engagierte. Vorbildliche Eheleute und Eltern.
Beruflich Bewundernswerte. Politisch ehrlich und gerade Handelnde. Es gibt gute Christen,
glaubwürdige Gläubige. Und es gibt von ihnen allen mehr als man von den täglichen
Medienberichten her vermuten würde. Es gibt in unserem Land viele beeindruckende,
gerade, hochanständige Menschen. Und dafür dürfen wir dankbar sein“, hielt der Kardinal
fest. Das „Mehr“, das sich im Blick auf die selige Hildegard Burjan zeige, sei „eine
innere Quelle, ein Feuer, eine Kraft, da ist eine Dynamik, die aus einer innersten
Mitte heraus ein Leben verändert, umgestaltet, im Guten radikalisiert, ein nicht mehr
erlahmender Impuls, der allem im Leben der Seligen eine neue Marke gegeben hat“.
Der
Wendepunkt in Burjans Leben sei gewesen, als sie am 2. Oktober1908 als 25-Jährige,
jung Verheiratete in Berlin ins katholische St. Hedwigs-Krankenhaus eingeliefert wurde.
Nach sieben Monaten vergeblicher Operationen und schrecklicher Schmerzen sei am Karsamstag
der baldige Tod der Schwerkranken für alle gewiss gewesen. „Am nächsten Tag, am Ostermorgen,
ist sie geheilt. Die Ärzte und sie selber sehen es als Wunder. Ihr langes Suchen nach
Sinn, ihr Sehnen nach Gott, hat das Ziel erreicht: Sie kann glauben. Gott hat sie
geführt.“ Sie habe auch die geistlichen Schwerstern des Krankenhauses erlebt, die
sie monatelang gepflegt haben. „So etwas wie diese Schwestern kann der natürliche,
sich selbst überlassene Mensch nicht vollbringen. Ich habe die Wirkung der Gnade erlebt,
so kann mich auch nichts mehr zurückhalten“, zitierte der Kardinal die neue Selige.
Schönborn: „Es war nicht eine reine menschliche Energie, die sie von jetzt
an bewegte, unermüdlich für Menschen in Not dazu sein, eine Ehe zu führen, und gleichzeitig
eine Schwestergemeinschaft zu gründen. Da war eine andere Kraft am Werk.“ So habe
sie auch das Wort des Apostels Paulus „Die Liebe Christi drängt uns“ als Motto für
die Caritas Socialis gewählt.
„Predigt der Tat“
Die selige
Hildegard Burjan habe nicht viel über diesen innersten Antrieb in ihrem Leben geredet.
Sie habe ihn durch ihr Leben sichtbar gemacht, ohne viele Worte. Die „Predigt der
Tat“ sei ihr wichtiger. „Wir brauchen Menschen, die nicht zu anderen predigen gehen“,
so ein Ausspruch von ihr. Burjan habe gewusst, dass Gott ihr zu Ostern 1908 das Leben
neu geschenkt hat, sagte der Wiener Erzbischof weiter. So sehe sie von da an ihr Leben
bis in die Todesstunde, 25 Jahre später, am Dreifaltigkeitssonntag 1933. Von ihrer
Todesstunde ist folgende Aussage überliefert: „Mein Sterben ist ein einziges großes
Deo Gratias! Vor 25 Jahren hat mich Gott aus dieser Krankheit herausgezogen und berufen,
dann hat er mich 25 Jahre auf den Armen getragen wie ein Kind, und jetzt führt er
mich aus dieser Krankheit heraus zu sich!“