2012-01-27 14:55:55

Unser Buchtipp der Woche


Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil.
Hanser Verlag, ca. 18 Euro.

Rezensiert von: Stefan v. Kempis, Radio Vatikan, am 28.1.2012

Würde des Menschen – das sagt sich so leicht. Was, wenn der eigene Vater auf einmal „komisch“ wird? Ins Heim stecken? Arno Geigers Buch „Der alte König in seinem Exil“ ist eine autobiografische Geschichte: Er beschreibt, wie sein Vater Alzheimer bekommt. Soweit, so schlimm. Aber ab diesem Moment wird`s überraschend: Auch wenn der alte Mann immer mehr sein Gedächtnis verliert und sich immer weniger zurechtfindet, so kommen ihm doch nicht sein Witz, seine Sturheit, seine Art zu sein abhanden. Wir erleben einen verwirrten King Lear vom Lande, der alles verloren hat, aber seine Würde nicht. Das ist oft bewegend, immer wieder auch himmelschreiend komisch – und die eigenwilligen Sentenzen des Alten bleiben dem Leser tief im Gedächtnis haften. Eine große Parabel über das, was zählt und was bleibt im Leben: die Persönlichkeit.

„Menschliche Eigenschaften und gesellschaftliche Befindlichkeiten spiegeln sich in dieser Krankheit wie in einem Vergrößerungsglas“, so der österreichische Autor: „Für uns alle ist die Welt verwirrend, und wenn man es nüchtern betrachtet, besteht der Unterschied zwischen einem Gesunden und einem Kranken vor allem im Ausmaß der Fähigkeit, das Verwirrende an der Oberfläche zu kaschieren. Darunter tobt das Chaos.“ Geiger ist nicht der Versuchung erlegen, den kleinen Kreis seiner Schilderung – sein Elternhaus – aufzubrechen auf das Gesellschaftliche hin. Es gelingt ihm auch, seinen Vater nicht vorzuführen, nicht dem Spott preiszugeben. „Die Krankheit machte etwas mit uns allen“, sinniert er: „Auch ich selber veränderte mich.“ Das kann der Leser dieses schmalen, aber reichen Buches auch von sich selbst sagen.








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