Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil. Hanser Verlag, ca. 18 Euro.
Rezensiert
von: Stefan v. Kempis, Radio Vatikan, am 28.1.2012
Würde des Menschen –
das sagt sich so leicht. Was, wenn der eigene Vater auf einmal „komisch“ wird? Ins
Heim stecken? Arno Geigers Buch „Der alte König in seinem Exil“ ist eine autobiografische
Geschichte: Er beschreibt, wie sein Vater Alzheimer bekommt. Soweit, so schlimm. Aber
ab diesem Moment wird`s überraschend: Auch wenn der alte Mann immer mehr sein Gedächtnis
verliert und sich immer weniger zurechtfindet, so kommen ihm doch nicht sein Witz,
seine Sturheit, seine Art zu sein abhanden. Wir erleben einen verwirrten King Lear
vom Lande, der alles verloren hat, aber seine Würde nicht. Das ist oft bewegend, immer
wieder auch himmelschreiend komisch – und die eigenwilligen Sentenzen des Alten bleiben
dem Leser tief im Gedächtnis haften. Eine große Parabel über das, was zählt und was
bleibt im Leben: die Persönlichkeit.
„Menschliche Eigenschaften und gesellschaftliche
Befindlichkeiten spiegeln sich in dieser Krankheit wie in einem Vergrößerungsglas“,
so der österreichische Autor: „Für uns alle ist die Welt verwirrend, und wenn man
es nüchtern betrachtet, besteht der Unterschied zwischen einem Gesunden und einem
Kranken vor allem im Ausmaß der Fähigkeit, das Verwirrende an der Oberfläche zu kaschieren.
Darunter tobt das Chaos.“ Geiger ist nicht der Versuchung erlegen, den kleinen Kreis
seiner Schilderung – sein Elternhaus – aufzubrechen auf das Gesellschaftliche hin.
Es gelingt ihm auch, seinen Vater nicht vorzuführen, nicht dem Spott preiszugeben.
„Die Krankheit machte etwas mit uns allen“, sinniert er: „Auch ich selber veränderte
mich.“ Das kann der Leser dieses schmalen, aber reichen Buches auch von sich selbst
sagen.