Die Einheit der Christen
stand im Mittelpunkt der Ansprache Papst Benedikt XVI. vor der Vollversammlung der
Glaubenskongregation. Der Papst empfing die Mitglieder an diesem Freitag in Audienz.
„Für
mich ist es immer ein Grund zur Freude, euch aus Anlass der Vollversammlung zu treffen
und meinen Dank auszudrücken für den Dienst, den ihr für die Kirche und besonders
für den Nachfolger Petri in seinem Amt, die Mitbrüder im Glauben zu stärken (Lk 22:32),
leistet.“ Dieser Dank bezog sich in diesem Jahr vor allem auf den Einsatz für
die Ökumene, eines der Hauptthemen der diesjährigen Vollversammlung. Weitere Schwerpunkte
waren die Vorbereitung des Jahrs des Glaubens und die Lehren des Zweiten Vatikanischen
Konzils.
„Wir befinden uns in einer tiefen Krise des Glaubens“, so der Papst.
Die Erneuerung des Glaubens sei deswegen das Hauptanliegen und die größte Herausforderung
für die Kirche heute, ein Anliegen, das besonders im Jahr des Glaubens seinen Ausdruck
finde. Eng verbunden mit der Frage des Glaubens sei die Frage der Einheit der Christen,
so der Papst. In der Ökumene bestehe die Gefahr einer falschen Nachgiebigkeit, die
auf Kosten des Glaubens gehen könnte.
„Diese Gleichgültigkeit ist verursacht
von der immer weiter verbreiteten Meinung, dass die Wahrheit für den Menschen nicht
zugänglich sei; man müsse sich also darauf beschränken, Regeln für eine Praxis zu
finden, um die Welt zu verbessern. Aber das wäre ein Moralismus ohne tiefes Fundament.
Die Mitte einer echten Ökumene ist aber der Glaube, in dem der Mensch der Wahrheit
begegnet, die sich in Gottes Wort offenbart.“
Ohne Glauben sei die ökumenische
Bewegung nur eine Form von Vertrag, die Priorität des Glaubens müsse sich aber auch
in der Suche nach der Einheit zeigen. „Die Wahrheit zu kennen ist das Recht des
Gegenübers in jedem echten Dialog. Der gleiche Anspruch gilt für die Nächstenliebe.
So müssen wir auch die kontroversen Fragen angehen, jeweils im Geist der Geschwisterlichkeit
und des gegenseitigen Respekts.“
Hier würden vor allem die bereits bestehenden
Dokumente des ökumenischen Dialoges weiter helfen. Diese seien eine, wenn auch provisorische,
Frucht des gemeinsamen Nachdenkens und ein Beitrag zum kompetenten Lehramt der Kirche,
auch wenn sie dieses nicht ersetzen können.
„Eine entscheidende Frage,
die die verschiedenen ökumenischen Gespräche durchzieht, ist die Frage nach der Struktur
der Offenbarung – die Beziehung zwischen Heiliger Schrift, lebendiger Tradition in
der heiligen Kirche und dem Dienst der Nachfolger der Apostel als Zeugen des wahren
Glaubens. Es ist fundamental, zwischen der Tradition und den Traditionen zu unterscheiden.“
In dieser Hinsicht sei mit der Schaffung der Struktur für die übertrittswilligen
Anglikaner ein wichtiger Schritt gemacht; diese könnten ihre geistlichen, liturgischen
und pastoralen Traditionen pflegen, wenn sie konform gehen mit dem katholischen Glauben.
Es gebe einen großen geistlichen Reichtum in den verschiedenen Konfessionen, der ein
Ausdruck des einen Glaubens und ein zu teilendes Geschenk sei, so der Papst.
Eine
weitere Frage, die Benedikt XVI. vor den Mitgliedern der Glaubenskongregation ansprach,
war die Frage nach der Vielstimmigkeit in Fragen der Moral:
„Es ist wichtig,
zu diesen Themen mit einer einzigen Stimme zu sprechen, bezogen auf das Fundament
der Schrift und der Tradition, und die Versuchung der Anpassung an den Zeitgeist zu
vermeiden. Diese Tradition hilft uns, die Sprache des Schöpfers in seiner Schöpfung
zu entziffern. Indem wir die großen Werte der Tradition der Kirche verteidigen, verteidigen
wir den Menschen, verteidigen wir das Geschöpf.“
Abschließend wünschte
sich der Papst eine gute Zusammenarbeit zwischen Glaubenskongregation und dem Päpstlichen
Einheitsrat auf dem Weg zur vollen Einheit aller Christen. Die Einheit sei nicht nur
eine Frucht des Glaubens, sondern Voraussetzung und Mittel der Verkündigung. Der Einsatz
hierfür sei eine der wichtigsten Aufgaben der Glaubenskongregation, so der Papst.
Zu
den Mitgliedern der Kongregation gehören die Kurienkardinäle Kurt Koch und Walter
Kasper, außerdem Kardinal Christoph Schönborn von Wien und Bischof Gerhard Ludwig
Müller von Regensburg. Präfekt ist als Nachfolger von Kardinal Joseph Ratzinger der
US-amerikanische Kardinal William J. Levada.