Eine neue Form kolonialistischer
Ausbeutung an Frauen: Das ist die Leihmutterschaft in armen Ländern aus der Sicht
der christlichen Ethik. Das katholische Institut für medizinische Anthropologie und
Bioethik (IMABE) in Wien hat jüngst auf die ethischen Implikationen der Leihmutterschaft
am Beispiel Indiens aufmerksam gemacht. Seit zehn Jahren erlauben dort die Gesetze
das „Verleihen“ der Gebärmutter für das Austragen eines Kindes zahlender Paare, meist
aus reichen Ländern. Susanne Kummer, stellvertretende Geschäftsführerin von IMABE,
im Interview von Radio Vatikan: „Wir sehen, dass Leihmutterschaft in Indien ein
Riesenmarkt ist. Ein Riesengeschäft, an dem viele mitnaschen. Seit 2002 ist Leihmutterschaft
erlaubt. Seither sind 250 Fertilitätskliniken aus dem Boden gesprossen. Inzwischen
geht die indische Industriellenvereinigung – und es ist interessant, dass die sich
zu diesem Thema zu Wort meldet – davon aus, dass in dieser Sparte 2012 ein Umsatz
in der Höhe von 2,3 Milliarden Dollar zu erwarten ist. Wir haben hier das Problem
einer reichen Kundschaft aus westlichen und asiatischen Ländern.“
Deshalb
bezeichnen Sie die Leihmutterschaft in Indien als neue Spielart kolonialistischer
Ausbeutung. Worin besteht diese Ausbeutung genau?
Wenn wir uns klarmachen,
welche Frauen aufgrund welcher gesetzlichen Regelungen und in welchem Land als Leihmütter
herangezogen werden – wenn wir den Blick von westlicher Seite darauf fokussieren,
wird das ziemlich klar. Das sind Frauen, die vom Land angeheuert werden, in die Städte
zu kommen. Warum tut sich eine Frau so etwas an? Die Frauen findet man dann in Wohngemeinschaften,
die von Fruchtbarkeitskliniken betrieben werden, in der Nähe der Klinik, damit die
Frauen hormonell behandelt und mit Essen und Kleidung versorgt werden können. Sie
sind in großer finanzieller Not. Der Mann hat sie verlassen, oder die Mitgift für
die Tochter ist zu hoch. Eine Leihmutterschaft bringt 6.000 bis 7.000 Dollar, das
entspricht dem Jahresgehalt eines Mannes. Das ist ein hoher Anreiz.
Man muss
aber auch klar vor Augen haben: Autonomie setzt Information voraus. Eine autonome
Entscheidung setzt voraus, dass ich eben nicht durch meine sozialen oder bildunsmäßigen
Koordinaten in einer Rolle stecke, in der ich leicht verführbar bin, unvernünftige
Dinge auf mich zu nehmen, unvernünftig auch in Bezug auf meine eigene Psyche und meine
eigene Gesundheit. Es wird teils schon davon gesprochen, dass ökonomische Zwänge zu
einer Reproduktions-Prostitution führen können.
Was ist aus ethischer Sicht
das spezifisch Frauenfeindliche an Leihmutterschaft?
Ich möchte da etwas
vorausschicken und sage, die Leihmutterschaft zeigt, dass das feministische Projekt
- leider - gescheitert ist. Das feministische Projekt war zu sagen, Frauen sollen
autonom sein, sie sollen endlich nicht mehr Objekt, sondern Subjekt sein. Was wir
hier sehen: Frauen werden degradiert auf ihren Körper als Diensleistungsware. Sie
werden auf ihre Gebärfähigkeit reduziert. Wir waren doch schon einmal an einem Punkt,
wo es hieß: Genau das wollen wir nicht. Wir wollen die Frau als ganze Person in ihrer
ganzen Würde sehen. Überdies reden wir hier nicht von irgendeiner Art der Dienstleistung,
sondern wenn eine Frau in dieser Form ihren Körper zur Verfügung stellt, impliziert
das Mutterschaft. Und Mutterschaft ist nicht ein rein leiblicher Vorgang, sondern
ein hoch emotionaler Vorgang und konstituiert Beziehung. In der Leihmutterschaft muss
diese Beziehung aber negiert werden. Wir wissen längst aus der pränatalen Forschung,
dass die emotionale Bindung an das Kind während der Schwangerschaft eine große Rolle
für das Kind spielt, aber auch für die Mutter. Das wird entkoppelt, und wir sehen,
dass die Frauen dazu verpflichtet werden, dass sie sich an das Kind, das sie austragen,
keinesfalls mental daran binden dürfen. Das kommt einem Missbrauch gleich.
Weiß
man mittlerweile, welche seelischen Folgen die Leihmutterschaft für die Frauen haben
kann?
Wir haben das Problem, dass die Frauen nicht über psychische Folgen
aufgeklärt werden, die Depressionen, die sie nachher bekommen können, wenn sie sich
von diesem Kind nicht trennen können. Der Extremfall von Keine-Beziehung-aufbauen-dürfen
lautet: Der Auftraggeber, also das Paar aus den USA, Japan, Deutschland oder Großbritannien,
verlangt natürlich Qualitätskontrolle. Das Kind ist zur Ware geworden. Die Frau ist
die Produzentin, und wir brauchen Qualität. Ein behindertes Kind will man natürlich
nicht bestellen. Sollte im Zug der Leihmutterschaft sich herausstellen, dass das Kind
behindert ist, dann wird eine Abtreibung verlangt. Es gibt mehrere Fälle, wo Leihmütter
sich geweigert haben, das Kind abzutreiben, und es nicht geschafft haben, gegen den
Auftraggeber, die einen Vertrag geschlossen haben, diese Abtreibung abzuwenden, weil
sie nicht die finanziellen Ressourcen gehabt hätten, ein behindertes Kind aufzuziehen.
Wir sehen hier ein entwürdigendes Prozedere, in der sowohl die Frau als auch das Kind
– diese Perspektive müssen wir auch einnehmen – als Objekt, als Ware, als Produkt
eines technisches Prozesses gesehen werden. Das zieht gravierende Schäden nach sich,
auf die diese Frauen mit Sicherheit nicht vorbereitet werden.
Manche argumentieren,
Leihmutterschaft gibt den Frauen in armen Ländern zumindest die Chance, die Lage ihrer
Familien zu verbessern. Was ist dem aus einer ethischen Perspektive entgegenzusetzen?
Ich
halte dieses Argument für nicht tragfähig. Wenn wir sagen würden, es wäre eine Form
von Entwicklungshilfe, man ermöglicht hier armen Frauen, auf eigene Beine zu kommen,
dann müsste das eine Hilfe zur Selbsthilfe sein. In diesem Fall entstehen aber neue
Formen von Abhängigkeit dieser Frauen, die zum Beispiel das Geld ja erst dann erhalten,
wenn es zu einer Lebendgeburt kommt. Wie wir wissen, hat die künstliche Befruchtung
eine niedrige Erfolgsrate von 25 Prozent. Das heißt, die Frau gerät unter enormem
Druck, möglichst viele Versuche über sich ergehen zu lassen, sechs, acht, zwölf Versuche,
bis sie sozusagen ans Geld kommt, weil erst dann das Produkt reif ist, nämlich das
Kind. Die Frau gerät in eine Spirale der Abhängigkeit. Wir müssen das Bewusstsein
schärfen, der Zweck heiligt nicht die Mittel. Die Frau darf nicht als Mittel zum Zweck
genommen werden, nämlich die austragende Frau.
Ethische Prinzipien gibt
es dann natürlich auch in Bezug auf das Kind.
Dieses Megawunschkind eines
Paares, das tausende Kilometer weit entfernt wohnt, darf auch nicht Mittel zum Zweck
werden, nämlich des Zweckes, bloß den Wunsch eines Paares zu erfüllen. Da hat auch
die katholische Kirche sehr weise und sehr früh, nämlich schon vor 25 Jahren im Dokument
Donum Vitae Stellung bezogen und weitsichtig erklärt, warum die künstliche Befruchtung
der Menschenwürde widerspricht. Das ist nicht ein Argument der Fortschrittsfeindlichkeit.
Ebenso wenig verwehrt man hier jemandem eine Geldquelle, die dringend benötigt würde.
Das war nicht der Beweggrund, sondern die tiefe Sorge, dass Kinder durch die Reproduktionstechnik
letztlich zu Produkten der Fortpflanzungsingenieure degradiert werden. Und das ist
der ethische Grund, der dahintersteht, dass man sagen muss, wir müssen unsere ganze
Reproduktionsindustrie einmal ordentlich hinterfragen, in unseren eigenen Ländern
und ganz besonders auch im Hinblick auf Leihmutterschaft, die ausgelagert ist in ärmere
Nationen, wo noch dieses Ausbeutungsargument dazukommt.