Die Zeit, in der die
Kirche die alles bestimmende gesellschaftliche Realität war, ist heute vorbei: Wir
leben „in einer Kultur der Freiheit. Und das ist sehr gut"“. Das sagte der Wiener
Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn an diesem Montag. Man müsse auf die „veränderte
Kirchengestalt“ reagieren, es gebe „kein Zurück zum business as usual mehr“. In Wien
stellte der Kardinal weitere Schritte in der Strukturreform seines Erzbistums vor
– sie solle stets unter der Vorgabe eines missionarischen Aufbruchs und neuer pastoraler
Initiativen stehen. Im Dekanat Wien-Favoriten sei nur noch ein Drittel der Bevölkerung
katholisch, dort - und nicht nur dort - wünscht sich Schönborn größere, aber auch
„offenere“ Pfarreien „mit schlankeren Strukturen“.
Außerdem sollen kleinere
christliche Gemeinschaften gefördert oder neu aufgebaut werden. Zu den Rahmenvorgaben
gehören unter anderem, dass eine Pfarre zukünftig mindestens über 4.000 Katholiken
verfügen müsse, fünf Prozent des Pfarrbudgets für neue Initiativen und Projekte gewidmet
sein müssen, die Kosten für den Pfarrhof und das Pfarrheim nicht mehr als 20 Prozent
der erwirtschafteten Einnahmen ausmachen dürfen und die Instandhaltungskosten der
Sakralbauten ohne diözesane Zuschüsse auskommen können müssen. Nicht ausgeschlossen
wird laut Rahmenplan auch eine alternative Nutzung von nicht erhaltbaren Kirchen.
Aufbrüche Dabei gibt es laut Kardinal Schönborn „nicht nur
Ab-, sondern auch zahlreiche Aufbrüche“ in der Diözese. So habe sich etwa die Zahl
der katholischen Privatschulen seit seinem Amtsantritt im Jahr 1995 verdreifacht.
Auch die Caritas sei ein starkes kirchliches Wachstumssegment - hier habe sich etwa
die Zahl der Mitarbeiter in dieser Zeit verdoppelt, so der Wiener Erzbischof.
Die
Pfarrer-Initiative Nach der Bedeutung der ‚Pfarrer-Initiative’ im Blick
auf den Wiener Reformprozess gefragt, sagte Kardinal Schönborn, dass prinzipiell „alle
Reformbemühungen in der Kirche willkommen“ seien. Wo Menschen „Herzblut und Hirnschmalz“
in diese Reformprozesse investieren und sich darüber gegenseitig austauschen, seien
sie auch willkommen. Pastoralamtsleiterin Veronika Prüller-Jagenteufel ergänzte,
dass man die Anliegen der ‚Pfarrer-Initiative’ von den laufenden diözesanen Reformprozessen
trennen müsse: Die Initiative habe wichtige Themen angesprochen, die auf weltkirchlicher
Ebene weiter diskutiert werden müssten – „aber wir können im diözesanen Entwicklungsprozess
nicht warten, bis diese Fragen auf höchster Ebene geklärt sind“. Daher müsse nun mit
den vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten gearbeitet werden.
Kirchenfinanzierung Auf
Anfrage von Journalisten äußerte sich Kardinal Schönborn auch zur Debatte um eine
mögliche Kultursteuer: „Es lohnt sich, andere Modelle der Kirchenfinanzierung zu diskutieren“,
meinte er. Als einen berechtigten Aspekt dieses Vorschlags wertete er den Umstand,
dass die Kirche zur Zeit selbst eine Großteil der Kulturgüter erhalte. Es sei „einfach
nicht gerecht, dass die Kirche weit mehr an Mehrwertsteuer zahlt, als sie an Zuschüssen
dafür bekommt“, betonte der Kardinal. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz ließ aber
keine Präferenz erkennen, was eine Änderung der gegenwärtigen Kirchenfinanzierung
in Österreich betrifft. Vielmehr verwies er auf die sehr unterschiedlichen Modelle,
die in Europa zu Zeit bestehen und über sich die eine Diskussion lohne.