2012-01-12 18:35:52

Prälat Ike aus Nigeria: Vorschläge für mehr Stabilität im Land


RealAudioMP3 Nach der Anschlagsserie auf Christen in Nigeria hatten Kirchenvertreter an die Regierung appelliert, mehr für die Sicherheit im Land zu tun. Der Leiter des Katholischen Institutes für Entwicklung, Gerechtigkeit und Frieden in Nigeria (CIDJAP), Prälat Obiore Ike, schlägt als Teil einer politischen Lösung einen ausgewogeneren Einfluss der verschiedenen Volksgruppen in der Landesführung vor. Ike sagte im Interview mit unserem Partnerradio Radio Horeb:

„Wir fürchten keinen Bürgerkrieg, aber wir denken, dass die Verfassung des Landes ein wenig umgeändert werden muss, in die Richtung, dass wir zu einer tatsächlich funktionierenden Föderation werden, in der die jeweiligen Volksgruppen in sechs Teilen innerhalb des einen Landes regieren.“

Präsident Goodluck Jonathan müsse aus dem Ernst der Lage spürbare Konsequenzen ziehen, gibt Ike anderen besorgten Kirchenvertretern in seinem Heimatland recht. Nach Vorstellung des Prälaten gehört dazu erstens die Sorge um die Sicherheit religiöser Minderheiten wie der Christen:

„Wir erwarten von der Landesregierung mehr Sicherheit für das Volk. Nigeria wird mehr und mehr zum Schauplatz internationaler Sorge. In den letzten Monaten werden Christen systematisch bedroht, in mehreren Bundesländern Nigerias wurden Christen umgebracht, in Adamaba, in Yobe, in Bautschi, in Kano, in Damaturu, in Maidugri, in Gombe und eben im Norden. Jeden Tag gibt es neue Meldungen von Menschen, die erzählen, was ihnen geschehen ist.“

Auch die Vereinten Nationen sehen das Wüten der islamistischen Sekte „Boko Haram“ inzwischen mit zunehmender Sorge. Die Anschläge auf Christen könnten als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ eingestuft werden, wenn sich herausstellen sollte, „dass es sich um systematische und allgemeine Angriffe auf die Zivilbevölkerung handelt“, heißt es in einer Erklärung der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte von diesem Donnerstag. Das gelte auch, wenn die Angriffe der Sekte auf Zivilisten „auf der Basis der Religion oder der ethnischen Zugehörigkeit“ stattfänden, so Navi Pillay.

Neben der mangelhaften Sorge um die Sicherheit im Land kritisiert Prälat Ike zweitens die jüngsten wirtschaftlichen Manöver der Regierung: Nach Aufhebung der Subventionen für Benzinpreise seit Jahresbeginn stieg der Benzinpreis auf mehr als das Doppelte. Die Folge waren Streiks – denn viele der armen Nigerianer sehen in dem billigen Benzinpreis ihren einzigen Anteil am Gewinn der Regierung durch den Erdölexport. Damit habe der Präsident selbst die eigenen Anhänger gegen sich aufgebracht:

„...was dazu geführt hat, dass seine Sympatisanten jetzt auch noch gegen die Regierung sind. Es gibt Streiks im Lande, die Leute arbeiten nicht, der Flugverkehr liegt lahm. Die Kirche ist gegen eine solche Verteuerung der Lebensmittel und des Benzins, denn die Leute sind hier ja überwiegend arm. Wenn man jetzt noch zusätzlich so etwas macht und Armut verbreitet, dann verbreitet man Unsicherheit auf anderer Ebene. Das Volk denkt: Das kann man auch anders machen.“

Als eine seiner ersten Amtshandlungen hatte Goodluck Jonathan im März 2010 – da war er gerade einen Monat lang als Übergangspräsident im Amt – das Kabinett aufgelöst und damit möglichen politischen Gegenwind von vornherein minimiert. Jonathan stammt aus Südnigeria, ist Christ, und hatte bei Amtsantritt mit Widerständen aus der muslimisch geprägten Führungsliga Nordnigerias zu kämpfen. Der Prsäsident fühle die eigene Macht durch Boko Haram unterwandert, berichtet Ike:

„Unser Präsident hat vor wenigen Tagen in einer Ansprache betont, dass Fanatiker und Sympatisanten von Boko Haram auch seine eigene Regierung infiltriert hätten, sie sitzen in der Armee, in der Polizei usw. Man weiß nicht mehr: Wer ist der Feind und wer arbeitet mit der Regierung zusammen?“

Auf Boko Harams Konto gehen allein im vergangenen Jahr mehr als 500 Morde. Nach Ikes Ansicht hat der arabische Frühling in Nordafrika dazu beigetragen, dass sich einige Muslime in Nigeria islamisierten. Der Prälat sieht die neue Anschlagsserie der Terrorsekte Boko Haram in diesem Zusammenhang: als Reaktion auf die vom Westen gestützten Demokratiebewegungen in Ländern mit muslimischer Mehrheit. In Nigeria gebe es von muslimischer Seite allerdings auch klare Solidaritätsbekundungen gegenüber den verfolgten Christen, erinnert Ike weiter:

„Ein Mullah der Muslimbruderschaft hat sich von Boko Haram klar abgegrenzt. Wir haben als Christen in meiner Diözese zusammen mit Muslimen ein Statement abgegeben: Christen und Muslime sind, gemeinsam gegenüber Gott, Brüder und Schwestern.“

Zwar seien zahlreiche Christen aus den betroffenen Gebieten geflohen, insgesamt habe die Gewalt aber eine Bestärkung im Glauben zur Folge, lobt der Gesitliche. Nigerias Christen seien „tapfer“:

„Die Christen verkünden ihren Glauben mehr als je, die Kirchen sind voll, sie singen, beerdigen ihre Toten. Durch solche Ereignisse lässt sich die christliche Gemeinschaft nicht erschüttern“, so Obiore Ike.

(radio horeb/rv 12.01.2012 pr)








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