Alfons Kloss ist Österreichs
Botschafter beim Heiligen Stuhl. Einen Gleichklang von Interessen zwischen seinem
Land und der Ansprache des Papstes ortet er bei mehreren Themen, besonders bei der
Verantwortung für die Umwelt sowie bei der Frage nach den wahren Ursachen für die
Wirtschaftskrise und den Lösungswegen.
„Ich denke, Papst Benedikt hat einmal
mehr den Menschen in den Mittelpunkt gerückt. Das ist sicher ein sehr relevanter Punkt,
dass die Wirtschaft nicht ein System ist, das aus sich selbst agiert und auch die
Finanzwirtschaft nach eigenständigen Regeln arbeitet, die sozusagen weit weg von jeder
Wirklichkeit sind, sondern dass sie sich nach den Bedürfnissen der Menschen zu orientieren
hat und dass der Mensch, die Solidarität, und der Zusammenhalt der Gesellschaft hier
auch ein ganz wesentliches Thema sein müssen.“
Ein Schwenk zu den Umbruchsländern
in Nordafrika und Nahost: Der Papst hat westliche Staatenlenker dazu aufgerufen, in
Dialog zu treten mit den politischen Akteuren dieser Umbruchsländer.
„Ich
denke das ist ein ganz wichtiger Punkt, der auch von den Staaten zunehmend umgesetzt
wird und laufend auch wahrgenommen wird, das trifft auch für Österreich zu. Zunächst
haben wir also die Umbrüche wahrgenommen, die Anfang letzten Jahres stattgefunden
haben und auch Entwicklungen verfolgt, die noch nicht ganz absehbar waren. Aber nach
und nach ist natürlich deutlich geworden, dass diese Prozesse einer sehr konstruktiven,
aber auch engagierten Begleitung durch unsere Länder bedürfen. Da sind wir alle aufgerufen,
auch die europäische Union, die sich ja in diesem Sinne in letzter Zeit auch sehr
engagiert hat.“
Im Heiligen Land hat Benedikt zum wiederholten Mal eine
Zweistaatenlösung angemahnt und auf eine Verhandlungslösung gedrängt. Hat man das
nicht schon sehr oft – aus dem Mund von Päpsten und vielen anderen Verantwortlichen
– gehört?
„Ich glaube der Ausgangspunkt der heutigen Erklärung des Heiligen
Vaters und auch des Treffens war ja letztlich die freudige Weihnachtsbotschaft, die
auch Zuversicht und Licht, wie der Heilige Vater gesagt hat, in unsere Welt bringen
soll. In demselben Maße ist sein Aufruf hier zu verstehen, dass man gerade, wenn es
über die Jahre hindurch noch keine Erfolge gegeben hat, in den Bemühungen nicht nachlässt,
sondern dass man sich ganz konkret auch in diesem Jahr in diesem Sinne engagiert.
Das ist etwas, was sicher auch Österreich weiterhin tun wird.“
Stichwort
Religionsfreiheit: in vielen Ländern ist die Tendenz zu beobachten, dass die Rolle
der Religionen gesellschaftlich zurückgedrängt wird, als ob sie Grund wäre für Intoleranz.
Teilen Sie diese Beobachtung für europäische Länder?
„Die Grundvoraussetzung
einer funktionierenden Demokratie ist die Wahrung der Menschenrechte und da spielt
natürlich die Religionsfreiheit eine ganz wichtige Rolle. Das gilt für Europa in demselben
Maße wie für die Länder, wo jetzt gewisse Umbrüche stattfinden und wo wir auch besonders
darauf achten müssen, dass sich auch in den neuen Konstellationen diese Rechte fest
verankern. Aber was für unsere Länder in Europa vielleicht eine Frage ist, man sieht
- und der Heilige Vater hat das bei verschiedenen Anlässen immer wieder angesprochen
- ein Zurückdrängen des Religiösen in der öffentlichen Wahrnehmung, in einer öffentlichen
Welt. Da hat auch der Papst und der Heilige Stuhl mit dem ganzen Thema das Jahres
des Glaubens, das heuer im Oktober beginnen wird und mit dem Aufruf zu einer Neuevangelisierung
auch eine klare Initiative gesetzt, wo es darum gehen soll, dass man den Glauben bewusster
lebt und in der Öffentlichkeit entsprechend einbringt.“
Papst Benedikt
hat mehr Schöpfungsverantwortung angemahnt, für diese Generation und für alle kommenden.
Er wünscht sich mehr Ergebnisse bei Klimaverhandlungen wie der bevorstehenden Konferenz
Rio+20 . Wie erfolgreich kann aus Ihrer Sicht ein solcher Aufruf des Papstes sein?
„Mir kommt vor, dass dieser Appell durchaus auch stärker wahrgenommen
werden sollte und könnte. Es ist ja nicht sein erster, sein Einsatz für Klimaschutz
und Umweltfragen ist konstant. Das zeigt, dass der Heilige Stuhl den Erhalt der Schöpfung
als ein ganz wesentliches Anliegen sieht und dass man nicht in den Bemühungen nachlässt
die Weltgemeinschaft darauf hinzuweisen, dass das ein ganz zentrales Problem ist,
das man im Hinblick auf andere große Krisen, wie die Wirtschafts- und Finanzkrise
in den Hintergrund rücken darf. Hier geht es letztlich darum, dass die Menschen für
die zukünftigen Generationen die Verantwortung haben, die Welt, aus der Sicht des
Heiligen Stuhls die Schöpfung so zu erhalten, dass wir damit verantwortungsvoll umgehen.
Das ist ein Punkt, in dem sich die Politik Österreichs sicher sehr stark in diese
Richtung engagiert.“
Sie waren das erste Mal als Botschafter beim Heiligen
Stuhl beim Neujahrsempfang des Papstes. Welche Eindrücke nehmen Sie mit?
„Natürlich
ist man getragen von der wunderschönen Atmosphäre dieser prachtvollen Räumlichkeiten,
der historischen, kunsthistorisch ausgestatteten. Aber es hat auch einen fast familiären
Charakter dadurch, dass die Botschafter sich untereinander mit der Zeit auch besser
kennen und da ist wirklich dieses Gefühl der Weltgemeinschaft. Alle Kontinente sind
vertreten – man hat vorher und nachher ein bisschen Zeit mit den Kollegen zu sprechen
über ganz persönliche Dinge oder natürlich auch politische Fragen oder Anliegen, die
man mit einem Land verbindet. Aber ich würde sagen es hat einen sehr menschlichen
und auch positiven Einstand in ein neues Jahr. Das ist auch die Idee, dass wir mit
diesem Treffen und auch der Rede von Papst Benedikt XVI in das Jahr 2012 gehen, wo
wir unsere Verantwortungen in unseren jeweiligen Berufen wahrnehmen dürfen.“