Israels Botschafter beim Vatikan: „Papst würdigte Wiederaufnahme von Friedensgesprächen"
Israels Botschafter beim Heiligen Stuhl ist Mordechay Lewy. Nach dem Neujahrsempfang
des Papstes hat Radio Vatikan ihn gefragt, was er in der Papstrede, besonders im Absatz
zum Heiligen Land, zwischen den Zeilen liest.
„Ich habe mit sehr viel Freude
zur Kenntnis genommen, dass er die Wiederaufnahme der Gespräche mit den Palästinensern
gelobt hat und auch besonders die Rolle von Jordanien hervorgehoben hat; sie sind
die Mitträger dieser Wiederaufnahme, und die Gespräche finden ja auch unter ihrer
Leitung statt. Das ist hoffnungsvoll, zumindest im Hinblick darauf, dass diese Gespräche
ein Jahr lang nicht stattgefunden haben.“
Zeichnen sich bereits erste Tendenzen
bei diesen Gesprächen ab?
„Wir sind froh, dass die Tage vom Zeitplan her
voll werden. Das ist schon ein gutes Zeichen. Sie sind jetzt auf einer Beraterebene,
also nicht die maßgeblich Verantwortlichen Ministerpräsident und Präsident, aber man
soll vielleicht manchmal kleiner anfangen, um das auch richtig aufzubauen. Und ich
glaube das geschieht im Moment.“
Neuerlich hat der Papst eine Zweistaatenlösung
im Heiligen Land angemahnt: Israelis und Palästinenser haben beide ein Recht auf je
einen eigenen Staat. Haben Sie den Formulierungen Papst Benedikt neue Nuancen entnehmen
können?
„Es ist nicht neu, das hat er auch in seinem Besuch im Heiligen
Land gesagt, das wurde auch sehr nuanciert vom vatikanischen Außenminister Mamberti
in der UN-Vollversammlung gesagt. Ich entnehme aber aus den Worten des Papstes eine
sehr interessante Bemerkung, die ist wirklich nuanciert, muss ich sagen. Der Papst
nimmt, ohne es direkt zu sagen, auch Stellung zu den internationalen Bestrebungen.
Damit ist sicherlich die UN-Vollversammlung letzten Jahres gemeint [bei der die Palästinenser
versuchten, die Anerkennung eines Palästinenserstaates zu erlangen, Anm.d.Red.]. Darin
meint er, dass sich die Seiten mehr anstrengen sollen, das kann durchaus so verstanden
werden. Auch Mamberti als Außenminister hat nicht nur die Zweistaatenlösung positiv
bewertet, sondern auch betont, dass diese Lösung durch Verhandlungen erreicht werden
kann, wenn auch möglichst direkten Verhandlungen. Und dies ist ja in der UN-Vollversammlung
mit den Palästinensern nicht geschehen. Als Schlussfolgerung aus der Papstrede kann
also gezogen werden, dass es diesmal nicht ohne den Partner [Israel] zu schaffen ist.“
Zu Israels Nachbar Syrien sagt der Papst, er wünsche sich ein sofortiges
Ende des Blutvergießens und die Präsenz unabhängiger Beobachter. Was denkt man in
Israel über unabhängige Beobachter in Syrien?
„Diese unabhängigen Beobachter
gibt es ja gewissermaßen als Repräsentanten der arabischen Liga. Ich habe das so verstanden.
Aber es kann sein, dass hier mehr gemeint ist, als ich verstanden habe. Dass das mit
relativ klaren Worten gesagt worden ist, ist erfreulich. Es spricht auch für die Bestrebungen
des Vatikans, immer die Menschenrechte zu beachten und darauf aufzurufen und hinzuweisen. Ich
glaube, dass sie hier auch eine Lösung vorgezeichnet wird, dass heißt man muss keine
gewaltsame Lösung anstreben, sondern eine Verhandlungslösung zwischen den beiden Seiten.
Das erinnert mich etwas an Libyen. Libyen wurde zwar nicht extra erwähnt, aber auch
hier war der Vatikan immer, wenn es nur geht, für Verhandlungslösungen und nicht Gewalt.
Deswegen muss man abwarten, wie es sich in Syrien halten wird. Es kann sein, dass
nichts zu verhandeln sein wird. Wir wissen ja nicht, was der Tag bringen wird. Der
Vatikan hat seine eigene Haltung, die konsequent ist, wie in Libyen, so auch in Syrien.
Komme was wolle sozusagen. Wir wissen nicht, was der Tag bringen wird.“
Zum
Umbruch in Nordafrika und Nahost: Der Papst lädt die internationale Gemeinschaft dazu
ein, mit den Akteuren der gegenwärtigen Umbruchprozesse zu sprechen. Dabei sollen
sie sich allerdings darüber im Klaren sein, dass die Errichtung stabiler Staaten,
in denen niemand diskriminiert wird, Zeit braucht, und zwar mehr als nur bis zur nächsten
Wahl. Ihre Interpretation dazu?
„Erstens ist es eine richtige Bemerkung.
Zweitens er hat sehr oft die Jugend angesprochen, und darin liegt sicherlich die Zukunft.
Dass es Umbrüche gibt, ist nichts Neues. Aber wenn es hier etwas Neues gibt, ist es
das, dass die Umbrüche von der Jugend ausgehen, in einer patriarchalischen Gesellschaft
wie die der arabischen im Nahen Osten, wo gerade das Alter eine große Rolle spielt.“
„Was sind generell im Moment die wichtigsten gemeinsamen Sichtweisen von
Israel und dem Heiligen Stuhl auf politischer Ebene, und in welchen Punkten weicht
man voneinander ab?
„Der Papst hat über die erreichten Abkommen geredet,
die 2011 unterzeichnet worden sind. Er sagte, dass er hofft, dass auch weitere hinzukommen.
Da habe ich mich natürlich persönlich angesprochen gefühlt, weil wir ja noch Verhandlungsrunden
haben.“
Sie sprechen von den Verhandlungen über den Status der katholischen
Kirche und von den zu regelnden Steuerfragen…?
„Hier, muss ich sagen,
gibt es sehr gute Fortschritte. Ich darf hoffnungsvoll sein, kann aber auch kein Prophet
werden, denn die falschen Propheten sind ja gesteinigt worden. Aber hoffnungsvoll
sind wir, und ich hoffe, dass ich auch im Heiligen Stuhl, in der Kurie Partner habe,
die die Situation genauso empfinden.“