2012-01-05 12:24:54

„Kirche in Not“: „Leid quantifizieren ist problematisch“


RealAudioMP3 Man soll nur Statistiken glauben, die man selbst gefälscht hat, sagt ein Sprichwort. Fakt ist, Christen sind die meist verfolgte Religionsgemeinschaft weltweit. Wenn es um konkrete Zahlen bei der Christenverfolgung geht, dann muss man aber in besondere Weise aufpassen. Darauf macht der Pressesprecher von „Kirche in Not“, André Stiefenhofer, aufmerksam. In einem Kommentar für Radio Vatikan geht er auf die jüngste Statistik der Christenverfolgungen ein, die das evangelische Hilfswerk Open Doors diese Woche veröffentlicht hat. Open Doors spricht von rund 100 Millionen Christen, die weltweit aktuell unter Verfolgung und Unterdrückung leiden.

Hier lesen und hören Sie den gesamten Kommentar von André Stiefenhofer.

Zunächst einmal unterstützen auch wir bei „Kirche in Not“ es sehr dass die Kollegen von Open Doors das weltweite Schicksal von diskriminierten und verfolgten Christen in die Medien tragen und damit die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf dieses wichtige Thema lenken. Die fehlende Religionsfreiheit ist für Christen weltweit in der Tat ein Problem und man kann die Politik und die Öffentlichkeit gar nicht genug dafür sensibilisieren.

Andere Herangehensweise
Allerdings hat „Kirche in Not“ in der Präsentation des Themas eine ganz andere Herangehensweise: Wir stellen in unserem Religionsfreiheitsbericht die Situation von Christen in den verschiedenen Ländern der Erde nebeneinander und nehmen keine Rangordnung vor. Warum? Ganz einfach: Die politische und gesellschaftliche Situation zum Beispiel in Nordkorea, Pakistan, Saudi-Arabien, dem Irak und Somalia ist dermaßen unterschiedlich, dass bei einem direkten Vergleich Äpfel und Birnen nebeneinandergestellt werden und sich eine „Rangordnung“ daher sehr schwierig gestaltet.

Wer hat gezählt?
Seriöses Zahlenmaterial für eine umfassende Forschung liegt kaum vor. Ein Beispiel dafür ist die von Open Doors oft genannte Zahl, dass 100 Millionen Christen weltweit verfolgt werden. Man erfährt nicht, wie das Hilfswerk auf diese Zahl kommt! Wer hat diese Christen gezählt? Wer fällt darunter? Ist da etwa auch der Schüler in den USA mit dabei, der lediglich kein Kreuz im Schulunterricht tragen darf, weil manche Bundesstaaten dies untersagen? Und wird dieser Amerikaner dann vielleicht mit dem Christen im pakistanischen Foltergefängnis gleichgesetzt? Sie sehen: Diese Zahlen werfen ebenso wie die Rangliste viele Fragen auf.

Leid quantifizieren und qualifizieren
Davon abgesehen, halte ich den Versuch, Leid zu quantifizieren und zu qualifizieren für problematisch. Wieso wird ein Christ, der in Saudi Arabien wegen seines Glaubens diskriminiert wird, "schlimmer" verfolgt als sein Leidensgenosse in Usbekistan? Wieder frage ich: auf welche Zahlen stützt sich diese Rangliste? Und welchen Nutzen hat der Leser von ihr? So eine Rangliste ist zwar ein „Hingucker“ und kommt dem Bedürfnis der Menschen entgegen, die Welt einzuordnen. Dann aber muss ich auch die Hintergründe erklären: Warum werden Christen verfolgt? Aus religiösem Fanatismus? Aus politischem Kalkül? Weil Sie als Sinnbild des verhassten Westens gelten? Aus wirtschaftlichen Gründen? Weil sie rein zufällig der herrschenden Klasse ein Dorn im Auge sind? All diese Gründe gibt es und man muss sie sorgsam unterscheiden, denn wer ein Problem lösen will, muss es an der Wurzel packen.

Religionsfreiheit vorantreiben
Das Ziel von „Kirche in Not“ ist es, den Wunsch des Heiligen Vaters nach Religionsfreiheit weltweit voranzutreiben. Wir rufen unsere Regierungen auf, klare politische Signale dafür zu setzen. Stellen Sie sich vor, was geschehen würde, wenn Diktatoren, korrupte Regime und autoritäre Regierungen von der westlichen Welt immer dann mit Sanktionen belegt würden,
wenn mit ihrem Wissen oder in ihrem Auftrag Menschen wegen ihres religiösen Bekenntnisses diskriminiert, unterdrückt oder verfolgt würden. Wenn Religionsfreiheit ein Kern der internationalen Politik würde. Dann müsste man die wirtschaftlichen Beziehungen zu vielen Ländern überdenken. Aber dazu muss man die Situation kennen und unterscheiden. Zu dieser Unterscheidung möchten wir von „Kirche in Not“ mit unseren Berichten beitragen. Eine Rangliste erscheint uns für unsere Arbeit daher nicht hilfreich. Und dass Nordkorea der Gipfel der Unfreiheit ist, muss man Gott sei Dank nicht mal unseren Politikern mehr beibringen.

(rv/kirche in not 05.01.2012 mg)







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