Angesichts des fortdauernden
Blutvergießens in Syrien sind Glaube und Spiritualität ein „rettendes menschliches
Ufer“. Das unterstreicht im Interview mit Radio Vatikan der Leiter des syrischen Klosters
Deir Mar Musa al-Habashi, das hundert Kilometer von Damaskus entfernt liegt. In der
letzten Zeit seien Dutzende junge Menschen hergekommen, so der italienische Jesuit
Paolo Dall’Oglio, der das Kloster auch international als Dialog- und Friedenszentrum
bekannt gemacht hat. Das Interesse der ganz jungen Gläubigen, die aus ganz verschiedenen
gesellschaftlichen Umfeldern kommen, sei vor allem angesichts der prekären Sicherheitslage
im Land bemerkenswert. Für sie sei Mar Musa Zeichen der Hoffnung:
„In
diesen letzten Wochen hat unser Kloster die Freundschaft, Zuneigung und Nähe junger
Syrer aus allen religiösen und politischen Bereichen der Gesellschaft erfahren. Sie
brachten Zuneigung und Dankbarkeit uns gegenüber zum Ausdruck, weil sie fühlen, dass
ohne dieses spirituelle Ufer menschlicher Positivität der beste Frühling zu einem
schrecklichen Winter wird. Unser Kloster ist heute dieses Zeichen, und das fühlen
die jungen Leute, sie sagen es im Internet und auf vielerlei Weise. Das ist für mich
Zeichen, Trost und auch ein Wunder – ein Wunder geistlicher Aktivität.“
Jungen
Gläubigen wie diesen ist es auch zu verdanken, dass der Jesuitenpater immer noch in
Syrien weilt. Ende vergangenen Jahres drohte ihm die Ausweisung durch das syrische
Regime, weil seine Friedensarbeit wohl allzu politische Züge annahm. Jugendliche verschiedener
politischer Überzeugung hätten dies zu verhindern gewusst – sowohl „staatstreue“ Bürger
als auch Exponenten der Demokratiebewegung, gibt der Pater weiter an. Als Bedingung
für sein Bleiben darf er zu politischen Fragen keine Stellung beziehen. Den Christen
rät er, keine Angst vor den massiven Umbrüchen zu haben, die die arabische Welt derzeit
nicht nur in Syrien erlebt.
„Angst macht den Einsatz der Christen in diesen
Ländern unfruchtbar. Wir versuchen die Christen des Nahen Ostens und in all den umbrechenden
Ländern also dazu einzuladen, diese Angst zu überwinden, so dass sie mit Mut und Einfachheit
Teil der Veränderungen sind. Wir haben als Christen die Berufung, Sauerteig zu sein,
wir können nicht neben dem Teig bleiben. (...) Mit Demut handeln, darum geht es, nicht
inaktiv, passiv und ignorant zu sein. Nein, die Christen des Nahen Osten akzeptieren,
ihre muslimischen Mitbürger frei und verantwortlich und voller demokratischer Verantwortung
zu sehen. Das hat einen Preis gegenüber der Bewegungsfreiheit, die die Christen vorher
hatten, aber ich denke – das ist der Weg.“
Wie weit dieser Einsatz der
Christen in Syrien gehen soll und kann, darauf kann der Jesuitenpater nicht konkreter
antworten, ohne den eigenen Verbleib in Syrien zu gefährden: „Ich ziehe Schweigen
in der Heimat dem Sprechen in der Fremde vor“, hat Paolo Dall’Oglio dazu zu sagen.
Die Abwanderung von Christen aus Syrien hält sich nach Vermutung des Jesuitenpaters
in Grenzen – an gesicherte Zahlen darüber zu kommen, war auch für den Klosterleiter
bis heute nicht möglich.
„Die enorme Schwierigkeit, im Westen eine Einreiseerlaubnis
zu erhalten, macht es für die Menschen sehr schwierig, überhaupt eine Möglichkeit
zur Emigration zu haben. Viele möchten weg, aber nur wenige können das tun. Ich denke
also, dass das nicht viele sein werden. Im gebildeteren und auch wohlhabeneren Teil
der Gesellschaft, der viele internationale Verbindungen hat, wird man die Verluste
aber sicher spüren. Für die Kirche ist die Abwanderung der Christen eine Katastrophe,
aber auf menschlicher Ebene kann ich das verstehen: Viele Christen leiden und haben
große Angst vor der Zukunft, sie haben Angst, dass das Aufkommen der islamischen Bewegungen
die Geschichte zurückdreht und zu einer Situation der Unterdrückung und zur Situation
moralischer und ziviler Minderheit führt, die es für die Christen unmöglich macht,
als Bürger in diesen Ländern zu leben.“
Eine erste Gruppe von Beobachtern
der Arabischen Liga hat am Montag ihre Mission in Syrien beendet. Ziel der Mission
ist es, zu prüfen, ob das syrische Regime Wort hält und den Friedensplan der Liga
in die Tat umsetzt. Bisher sieht es nicht danach aus - allein in den vergangenen fünf
Tagen wurden in Syrien mindestens 150 Menschen durch Sicherheitskräfte getötet, seit
dem 23. Dezember gab es mehr als 286 Tote.