Keine frohe Weihnacht
auf Lampedusa: Eine „Bombe, die kurz vor der Explosion steht“, so beschreibt ein Sprecher
der sizilianischen Gesundheitsbehörde die Lage auf der Flüchtlingsinsel. 6.200 Migranten
meist aus Tunesien und Libyen befinden sich derzeit auf Lampedusa. Dennoch hat ihre
Zahl in den vergangenen Monaten abgenommen. Christopher Hein, Direktor des italienischen
Flüchtlingszentrums und Berater am päpstlichen Migrantenrat, sieht mehrere Ursachen
für die Tendenz.
„Einer der Gründe ist eine Stabilisierung der inneren Situation
in Tunesien, auch eine Wiederaufleben des Polizei- und Sicherheitsapparates, der einige
Monate praktisch inaktiv gewesen ist. Dazu gehören auch die bilateralen Abkommen,
die Italien mit Tunesien getroffen hat. Die italienische Politik hat die Tunesier,
die nach dem 5. April gekommen sind, zurückgeschickt.“
Trotz der abnehmenden
Zahlen gibt es eine neue Gruppe an Flüchtlingen, Afrikaner aus Subsahara-Staaten,
die während des Bürgerkriegs in Libyen als Söldner Ghaddafis angesehen wurden – zu
Unrecht, wie Hein sagt. Die meisten dieser 30.000 Flüchtlinge, die heute in Italien
sind, hatten zuvor schon lange in Libyen als Migranten gelebt, bevor sie im Kampf
zwischen Rebellen und Ghaddafi-Getreuen zwischen die Fronten gerieten. Italien nahm
sie vorübergehend in ein Asylverfahren auf.
„Und jetzt ist die Frage, wie
es weitergeht, denn viele kommen aus Ländern, in denen es keine Verfolgungsgefahr
oder Bürgerkrieg gibt. Sie sind aus Libyen geflohen, aber nicht unbedingt aus ihren
Herkunftsländern. Viele können aus ökonomischen Gründen nicht in ihre Herkunftsländer
zurück, haben auch keine Ausweispapiere, werden auch häufig nicht von den entsprechenden
Konsulaten und Botschaften anerkannt. Und da ist jetzt unser Vorschlag, ihnen verschiedene
Optionen zu geben, unter anderem auch die Option freiwillig nach Libyen zurückzukehren,
sowie sich in Libyen die Lage stabilisiert hat, und in der Zwischenzeit einen Rechtsschutz
in Italien zu bekommen.“
An die neue Regierung Italiens richten sich viele
Erwartungen, auch was die Flüchtlingspolitik angeht. So gibt es ein neues Ministerium
für Integration, das der Sant´Egidio-Gründer Andrea Riccardi leitet, Italiens berühmtester
katholischer Laie. Hein möchte die Schaffung des Ressorts aber nicht überbewertet
sehen.
„Wir sind sehr froh, dass es dieses Ministerium gibt, das ist ein
politisches Zeichen, dass die neue Regierung etwas für Integration tun will. Aber
ich erwarte mir operativ nicht so viel davon: Es ist ein Ministerium ohne Budget,
das, bisher jedenfalls, keine klaren Kompetenzen hat. Alles, was das Asylverfahren
betrifft, ist nach wie vor in den Händen des Innenministeriums. Und insofern denke
ich nicht, dass sich jetzt sofort etwas an der Situation ändern wird."