Die Betrachtungen
zu den Adventssonntagen spricht Abt Maximiliam Heim OCist von Stift Heiligenkreuz,
zum 4. Adventssonntag meditiert er den Text von Mt 1: 18-24
Mit der Geburt
Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie
zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete - durch das Wirken
des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte,
beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte,
erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich
nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist
vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben;
denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Dies alles ist geschehen, damit
sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Seht, die Jungfrau
wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel
geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns. Als Josef erwachte, tat er, was
der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.
Liebe
Hörerinnen und Hörer! Liebe Schwestern und Brüder in Christus!
Weihnachten
ist kein Märchen. Matthäus beginnt sein Evangelium mit dem Stammbaum Jesu. Es heißt
dort in ständiger Wiederholung, dass dieser der Vater von jenem war. Gerade an der
entscheidenden Stelle aber ist die Ahnenreihe, die mit Abraham beginnt, überraschend
anders. Es heißt nicht: Josef war der Vater von Jesus. Vielmehr nennt der Evangelist
hier Maria, die Mutter, und sagt: von ihr wurde Jesus geboren, der der Christus genannt
wird.
Und ganz nüchtern wird diese Ausnahme erklärt: Maria war mit Josef verlobt.
Nach jüdischem Recht galten die Verlobten bereits als Mann und Frau, auch wenn sie
noch nicht zusammenlebten. Genau in dieser Zeit bemerkt Josef, dass Maria schwanger
ist – nicht von ihm.
War seine Verlobte also untreu? Damals eine höchst ernste
Sache: Auf Ehebruch stand die Steinigung. Noch schwerer wog der Schmerz der scheinbaren
Untreue.
Josef will sich nicht rächen, was er leicht hätte tun können. Er will
sie nicht „bloßstellen“. Er will sie so entlassen, dass auf sie kein Schatten fällt
- in aller Stille.
Das Evangelium sagt, Josef war „gerecht“ das heißt in biblischer
Sprache: ein gerader Mensch, ohne Falschheit, ohne Rache, ohne nachtragend zu sein.
Ein Mensch, der ganz auf Gott schaut und vertraut.
Wir erahnen, welche Kämpfe
sich im Herzen des Josef abgespielt haben. Weil er Maria kennt, kann er sich nicht
vorstellen, dass seine Verlobte ihn betrogen hat. Und doch ist sie schwanger. In diese
bohrenden Fragen hinein hat er einen Traum.
Josef schläft, aber zugleich ist
er fähig, auf Gott zu hören. Es ist so, wie es unser Heiliger Vater einmal mit dem
Hohelied im Alten Testament ausdrückte: Ich schlief, aber mein Herz wachte. In der
Tiefe berührt Gott die Seele.
Ein Gottesbote erscheint ihm, ein Engel, und
sagt: Das Kind, das Maria erwartet, ist nicht von einem anderen, sondern von Gottes
Heiligem Geist. Josef erwacht und vertraut und glaubt das menschlich Unglaubliche.
Er glaubt, dass dieses Kind von Gott ist. Und er vertraut Maria.
Genau das
tun wir, wenn wir an das Evangelium glauben. Das Kind in der Krippe ist Gottes Sohn,
der Mensch geworden ist. Das Kind, das Maria im Stall von Bethlehem zur Welt gebracht
hat, ist wirklich wahrer Gott und wahrer Mensch, der „Emmanuel“, „Gott-mit-uns“.
Das
Hauptproblem unserer Zeit scheint mir die Entleerung der Gestalt Jesu Christi zu sein.
Man beginnt mit der Verneinung der jungfräulichen Empfängnis Jesu im Schoß Mariens
und setzt mit der Verneinung der leiblichen Auferstehung Jesu Christi fort.
Oder
um es mit Klaus Berger auf den Punkt zu bringen: Eine Bibelauslegung nach dem Motto
„leere Krippe, volles Grab“ führt nicht zum Glauben. Nur wer sich in Demut tief bückt,
erkennt und staunt, was es heißt: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns
gewohnt.
Josef war der Erste, der an Weihnachten geglaubt hat. Er hat als
Erster den Sprung gewagt, sich dem Großen zu öffnen, dass Gott in diesem Kind selber
zu uns gekommen ist. Und er hat sich ganz darauf eingelassen, Maria und das Kind,
das sie empfangen hatte, zu sich zu nehmen und ihm Vater zu sein.
Wollen wir
Weihnachten wirklich als ein Fest des Glaubens feiern, dann ist es gut, auf Josefs
Haltung zu schauen. Mit seinem geraden Herzen erfasst er, was für den menschlichen
Verstand allein unfassbar ist: dass Gott sich so klein machen und ein Kind werden
kann. Sein Name ist „Jesus“ „Gott rettet“. Das ist für den Glaubenden kein Märchen,
sondern Wirklichkeit. Amen.
Im Lied rufen wir:
Gotteslob (1975), Nr.
829 Anh. Erzb. Köln
O komm, o komm, Immanuel, nach dir sehnt sich dein Israel! in
Sünd und Elend weinen wir und flehn, und flehn hinauf zu dir. Freu dich, freu
dich, o Israel, bald kommt, bald kommt Immanuel!
O komm, du wahres Licht
der Welt, das unsre Finsternis erhellt! Geh auf, o Sonn, mit deiner Pracht, vertreib
den Nebel und die Nacht Freu dich, freu dich, o Israel, bald kommt, bald kommt
Immanuel!
O komm, ersehntes Himmelskind, und rett uns von dem Fluch der
Sünd! Wir seufzen all in schwerer Schuld, o bring uns deines Vaters Huld! Freu
dich, freu dich, o Israel, bald kommt, bald kommt Immanuel!
O komm, Erlöser,
Gottes Sohn, und bring uns Gnad von seinem Thron! Mit Davids Schlüssel niedersteig, schließ
auf, schließ auf das Himmelreich! Freu dich, freu dich, o Israel, bald kommt,
bald kommt Immanuel!
O komm, o komm, Gott Zebaoth, mach frei dein Volk von
aller Not! Mit Jesses neuem Herrscherstab treib weit von uns die Feinde ab! Freu
dich, freu dich, o Israel, bald kommt, bald kommt Immanuel!