2011-12-16 11:48:48

Kommt an Weihnachten nach Hause


RealAudioMP3 „Please come home for christmas“: Das war in den sechziger Jahren ein Hit des US-Bluessängers Charles Brown. „Komm an Weihnachten nach Hause“, so nennen auch die die Bischöfe von England und Wales eine Kampagne, die gerade läuft. Sie soll Katholiken wieder anlocken, die sich innerlich und äußerlich von der Kirche entfernt haben, die am Sonntag nicht mehr hingehen. Eine Webseite bietet praktische Hilfe für alle, die vielleicht wieder kommen wollen; vor allem aber erzählt sie die Geschichten einiger „Rückkehrer“.

„Ich heiße Schwester Julie und komme aus Hampshire. Ich komme aus einer katholischen Familie, aber in meiner Schulzeit fremdelte ich mit der Kirche – mir war nicht klar, warum man eigentlich in die Messe gehen sollte, und darum hörte ich auf damit. Später wollte es dann der Zufall, dass ich für eine Outdoor-Reiseagentur arbeitete, die der Kirche gehörte; ich organisierte für sie Camping-Freizeiten usw. Eines Tages meinte der Kaplan, dass es da Mitarbeiter gebe, die nicht den katholischen Glauben praktizieren, das finde er kein gutes Beispiel. Da sagte ich: Also, ich gehöre auch zu denen!“

Das ist eine von vielen kleinen Geschichten auf der Homepage von „Come back for Christmas“. „Your story“ heißt die Überschrift: Deine Geschichte. Man kann kleine Videos anklicken, dann fangen Menschen an zu erzählen. Schwester Julie ist Dominikanerin, sie steht in dem Video auf freiem Feld, man hört den Wind ins Mikro pfeifen. Sie erinnert sich an diesen Tag, als der Kaplan sagte: Das finde ich kein gutes Beispiel.

„ Und auf einmal hatte ich innerlich den Wunsch, irgendwie zurückzukommen zur Glaubenspraxis – ich wusste aber nicht wie. Mir war das auch ziemlich peinlich und unangenehm, ich schämte mich. Andererseits sagte ich mir: So was solltest du jetzt durchziehen. Ich ging also zu ein paar Meetings und lernte da Aspekte des katholischen Glaubens kennen, von denen ich vorher noch nie etwas gehört hatte; und später wurde ich in einer sehr einfachen Zeremonie wieder in die Kirche aufgenommen. Mein Gefühl war: Danke, ich bin endlich wieder da!“

„Liebe Freunde, herzlich willkommen!“ Das schreibt der frühere Erzbischof von Westminster, Kardinal Cormac Murphy O`Connor, auf der Startseite im Internet. Und weiter: „Kommt auf eure eigene Weise, nehmt euch alle Zeit, die ihr braucht. Wir würden gern eure Geschichte hören und aus euren Erfahrungen lernen. Ihr gehört zum Leib Christi – kommt!“

„Ich bin 45 Jahre alt und bin Ire; man hat mich katholisch aufgezogen. Ich bin Single, habe aber eine Tochter. Ich war eine Weile weg von der Kirche – seit ich siebzehn war oder so, also seit etwa 25 Jahren mittlerweile. Ich habe zwar weiter an Gott geglaubt und auch immer gerne Weihnachten gefeiert, aber zur Kirche bin ich praktisch nicht mehr gegangen. In den letzten Jahren hatte ich zwar keine richtige Krise, aber als ich den Bestseller „Da Vinci Code“ von Dan Brown las, dachte ich: Das ist ja ein tolles Abenteuer. Mir war zwar klar, dass das mit dem Heiligen Gral alles erfunden war und dass das auch nicht stimmte, dass Jesus Nachkommen hatte – aber der „Da Vinci Code“ weckte sozusagen mein Interesse an Kirchenarchitektur, an Kirchen- und an Religionsgeschichte. Und dadurch fing ich auf einmal wieder an, in die Kirche zu gehen.“

Das erzählt Dean, ein dicklicher Mann, der in einem Restaurant an einem Tisch sitzt, vor sich die Salz- und Pfefferfässchen. Die Überschrift über seinem Video heißt: „Dan Browns Bestseller brachte ihn zurück.“

„Ich war zufällig an einem Samstagabend in einer Kirche, da wurde gerade gebeichtet. Also ging ich auch zur Beichte, und ich sagte dem Priester: Das ist jetzt etwa 20 Jahre her, dass ich nicht mehr beichten war. Da meinte er: Willkommen zurück! Gott hat dich zurückgebracht. Und da hatte ich das Gefühl: Gott liebt mich. Er liebt jeden, auch mich, und dass ich so lange weg war von der Kirche, ist für ihn gar nicht so schlimm...“

Josephine ist eine Frau mit Brille, geschätzte fünfzig. In ihrem Video sieht man sie zuhause im Wohnzimmer mit Blick in den Garten. „Spiritualität“ ist der Obertitel.

„Ich bin die älteste von drei Töchtern; meine Mutter kam aus Irland, mein Vater war Pole. Er kam während des Zweiten Weltkriegs als Pilot nach England und wurde abgeschossen; meine Mutter traf er im Krankenhaus. Sie emigrierten nach Argentinien, wo ich geboren wurde, dann lebten wir in Kanada und schließlich in England. Ich war als Kind eigentlich ziemlich fromm und betete auch viel, aber das gab sich dann immer mehr, je älter ich wurde. Als ich so 18, 19 war, hörte ich auf damit, in die Kirche zu gehen, außer bei Hochzeiten oder Beerdigungen. Später fing dann aber das Thema Spiritualität an, mich zu interessieren; ich lebte auch eine Weile in Japan und lernte da den Zen-Buddhismus kennen. Ich ging sogar auf Hindu-Meditationstreffen.“

Dass sie irgendwann zur Kirche zurückkehrte, war für Josephine „eigentlich gar keine Rückkehr – denn ich kam nicht an die selbe Stelle zurück, sondern in etwas völlig Anderes“, sagt sie.

„Das gestaltete sich ziemlich allmählich; ich war sehr an der Arbeit mit Flüchtlingen und Asylsuchenden interessiert, und die Engagierten, die ich da traf, waren in der Regel Christen. Ich ging auch jeden Tag an einer Kirche vorbei und hatte immer das Gefühl, eigentlich müsstest du da mal reingehen! An einem Karfreitag fing ich dann auf einmal damit an, zur Kirche zu gehen; es hat mich innerlich aufgewühlt. Ich wurde eingeladen, dem Chor beizutreten, und habe da Freunde gefunden. Für mich hat sich alles verändert. Das war das Beste, was ich je gemacht habe.“

„Ihre, deine, meine Geschichte – das ist das, was wir alle mit uns tragen. Und wir schulden uns gegenseitig den Respekt vor unseren Geschichten.“ Das ist das Zitat eines Dichters oben auf der Homepage; das Foto dazu zeigt einen Irrgarten.

„Ich heiße Roy und komme aus Birmingham. Mein Vater starb letztes Jahr, meine Mutter ist altersdement, sie lebt in einem Heim. Ich war Lehrer, aber leider bekam ich vor zwölf Jahren MS, und daraufhin hat man mich in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Man hat mich katholisch erzogen, aber mein Vater war nie ein Kirchgänger, außer an Heiligabend. Meine Muter hingegen bestand darauf, dass meine Schwester und ich jeden Sonntag mit ihr in die Kirche gingen. Als ich etwa 14 war, hörte ich auf, in die Kirche zu gehen; weil ich aber auf einer katholischen Schule war, bekam ich trotzdem immer noch ein bisschen katholischen Input. Als ich später krank wurde und nicht mehr als Lehrer arbeiten konnte, bin ich zurück zu meinen Eltern gezogen, aber dann starb wie gesagt mein Vater, meine Mutter konnte wegen ihrer Demenz nicht mehr dort leben, und auf einmal war ich da allein zuhause. Da fühlte ich eine große Leere.“

Der Mann, der das erzählt, steht mit Hemd und Krawatte in einer modernen Kirche, im Altarraum.

„Ich dachte immer: Da muss doch noch mehr sein als das hier. Eines Tages kam ich mit dem Bus nach Birmingham rein und dachte die ganze Zeit: Was soll ich jetzt tun, einkaufen wie die anderen? Nein, ich ging stattdessen in eine Kirche rein und fühlte auf einmal eine Art Glück in mir. Das hat mein Leben verändert. Einfach, weil es mir einen Grund gibt. Ich wache jetzt nicht mehr auf und denke: Schon wieder ein langweiliger Tag, was muss ich heute alles machen... Ich denke: Schnell frühstücken, und dann in der Kirche vorbeigehen! Die Kirche ist mein Leben geworden. Man sollte keine Angst vor der Kirche haben, sondern einfach hineinspazieren und sagen: Hallo, da bin ich. Und mit den Leuten da reden. Die Leute in der Kirche hören einem immer zu.“

„Haben Sie Fragen?“ „Warum nicht – Hindernisse für eine Rückkehr.“ „Willkommensbotschaften.“ „Der nächste Schritt – was tun?“ „Kontakt“. Das sind einige Rubriken auf der Homepage „Come back für Christmas“. Wenn man auf „Free“, also „Gratis“, klickt, kann man eine Zeitschrift bestellen oder ein „Willkommen zurück“-Paket. Auch ein Gebet findet man hier: „Jesus, sende mir jetzt deinen Heiligen Geist. Ich will dich neu und frisch erfahren, komm in mein Herz... Danke, dass du nahe bist. Gib mir den Mut, auf die Einladung zu antworten, die man mir schickt.“

(rv 16.12.2011 sk)







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