Afrika: Salesianer im Kampf gegen Kinderhandel und Beschneidung
Wenn im westafrikanischen
Sierra Leone Kinder ausgebeutet, sexuell missbraucht und verkauft werden, „dann geht
das auch die politisch Verantwortlichen, und letztlich alle Menschen in Österreich“,
etwas an: Das hat der Salesianer Lothar Wagner am Donnerstag im Gespräch mit Kathpress
betont. Wagner leitet Hilfseinrichtungen des Ordens für Kinder in Freetown, der Hauptstadt
von Sierra Leone. Er kämpft mit seinen rund 100 Mitarbeitern gegen Kinderhandel, Kinderprostitution
und die Beschneidung von Mädchen.
In Heimen, Notunterkünften und Ausbildungszentren
versuchen die Salesianern den Kindern eine Chance auf ein besseres Leben zu bieten.
Unterstützt werden die Salesianer von der heimischen Don-Bosco-Hilfsorganisation „Jugend
Eine Welt“. Die Projekte in Sierra Leone werden zu 100 Prozent aus Spenden finanziert.
Br. Lothar leitet u.a. das Don Bosco Straßenkinderzentrum „Don Bosco Fambul“ und das
Mädchenheim „Girls-Os“.
Mehr Vergewaltigungen als im Krieg Besonders
schwierig sei die Situationen von Mädchen und jungen Frauen. Sie seien besonders von
sexueller Ausbeutung, Gewalt und schwersten Menschenrechtsverletzungen betroffen,
so der Salesianer. So sei etwa die Zahl der Vergewaltigungen heute höher als während
des Bürgerkrieges zwischen 1991 und 2002. Am Schlimmsten sei, „dass das Unrechtsbewusstsein
weitgehend fehlt, sowohl bei den Tätern als auch ihren Opfern und meist auch bei der
Polizei“.
Um die Einstellung der Menschen zu ändern, brauche es in erster Linie
mehr Bildung. Aber das Schulwesen funktioniere einfach noch nicht. 70 Prozent der
Kinder könnten keine Schule besuchen, bei Mädchen liege der Anteil sogar bei 95 Prozent.
Dazu kämen auch sexuelle Ausbeutung und Korruption in den Schulen.
Sierra Leone
zählt zu einem der absolut ärmsten Länder der Welt und lässt auf einer offiziellen
UNO-Rangliste nur mehr den Sudan und Somalia hinter sich. Zehn Jahre Bürgerkrieg haben
das Land endgültig zerstört, die Bevölkerung sei davon immer noch traumatisiert, so
Br. Lothar.
Kinderhandel sei in Sierra Leone ein gutes Geschäft. Kriminelle
würden in entlegenen Gebieten kinderreiche Familien aufsuchen und den Eltern ihre
Kinder „abschwatzen“; mit Versprechungen von einem besseren Leben und der Möglichkeit
für die Kinder, in der Hauptstadt Freetown eine Schule besuchen zu können. In Wahrheit
würden die Kinder dann an andere Familien verkauft, „wo die Buben auf der Straße arbeiten
müssen und die Mädchen oft zur Prostitution gezwungen werden“. Die Kinder versuchten
dann oft zu flüchten und viele lebten auf der Straße, „schlagen sich mit Gelegenheitsarbeiten
und Diebstählen durch“.
In Sierra Leone ist zudem die Beschneidung von Mädchen
und Frauen immer noch gesetzlich erlaubt. 95 Prozent der weiblichen Bevölkerung sei
davon betroffen, betonte der Salesianer. Wenn sich Mädchen gegen die Beschneidung
wehren, werden sie von ihren Familien und generell der Gesellschaft ausgestoßen. Wagner:
„Der familiäre Druck ist groß, sie gelten als unrein.“ Die Don Bosco- Mitarbeiter
nehmen immer wieder auch Mädchen auf, die dieses Schicksal ereilt.
Zwar komme
langsam ein Umdenkprozess in Gang, auch auf internationalen Druck hin, und es seien
Gesetzesänderungen im Laufen; doch letztlich komme es darauf an, in der Bevölkerung
einen Bewusstseinswandel herbeizuführen, und davon sei Sierra Leone noch weit entfernt,
so Br. Lothar.
Für ihn und seine Mitarbeiter gelte jedenfalls: „Im Einsatz
gegen Kinderhandel und Beschneidung gibt es keine Kompromisse.“ Dafür würden die Salesianer
auch immer wieder massiv bedroht. Erst kürzlich sei auch eine große Medienkampagne
gegen ihn initiiert worden, berichtete der Salesianer.
Hilfe für Ex-Kindersoldaten Ein
schweres Los tragen auch die Tausenden ehemaligen Kindersoldaten, die während des
Bürgerkriegs von Rebellentruppen gewaltsam entführt und dann zum Töten und Morden
gezwungen worden waren. Zurück in ihre Dörfer können sie nicht mehr, dort werden sie
nicht akzeptiert. Also bleiben sie in Freetown ohne Perspektiven für ein besseres
Leben.
Auch solchen ehemaligen Kindersoldaten versuchen die Salesianer zu helfen.
Insgesamt seien es rund 2.500 Kinder, um die sich die Patres und ihre Mitarbeiter
kümmern, so Br. Lothar. Die Salesianer betreiben in der Hauptstadt auch eine eigene
Telefon-Hotline, an die sich Kinder und Jugendliche in Not wenden können. „Jährlich
haben wir rund 8.000 Anrufe“, verdeutlichte Br. Lothar die schwierige Situation.