Ökumene-Treffen in Moskau: „Neuevangelisierung und Menschenrechte stehen auf demselben
Blatt“
Für eine gerechte
Gesellschaft braucht es Menschenrechte und deren Schutz – darüber waren sich die deutschen
und russisch-orthodoxen Bischöfe auf ihrem Moskauer Ökumene-Treffen einig. Eine Delegation
der Deutschen Bischofskonferenz war Anfang der Woche zu theologischen Gesprächen mit
Vertretern der Orthodoxen Kirche in die russische Hauptstadt gereist. Dort trafen
sie den Patriarchen von Moskau und ganz Russland, Kyrill I. Auch Vertreter aus jeweils
Weißrussland und der Ukraine waren mit dabei.
Die Stärkung der Menschenrechte
und die Neuevangelisierung stehen für die Orthodoxe Kirche Russlands auf demselben
Blatt, berichtet der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller nach seiner Rückkehr
im Gespräch mit Radio Vatikan. Der Vorsitzende der Ökumene-Kommission der Deutschen
Bischofskonferenz lobt in dem Kontext den Einsatz des Patriarchen von Moskau:
„Er
ist ja ganz speziell in diesen Themen auch zu Hause und hat drei Bücher geschrieben,
die ins Deutsche übersetzt worden sind; u.a. zur Sendung der Kirche heute und zur
Neuevangelisierung, die ja im ganz großen Stil notwendig ist in Russland nach 70 Jahren
Atheismus und der damit einhergehenden inneren moralischen Zerstörung der gesamten
Gesellschaft. Und er hat sich auch eben besonders für Menschenrechte eingesetzt und
das zu einem Thema gemacht auch der Neuevangelisierung, denn das ist ja deutlich,
dass die Menschenwürde und die Menschenrechte die Grundlage nur sein können für eine
pluralistische und freie, aber auch humane und gerechte Gesellschaft.“
Die
Situation der Menschenrechte in Russland könnte besser sein, Beispiel Presse- und
Meinungsfreiheit oder der aktuelle Trubel rund um die Wahlen, mit Verhaftungen usw.
Kam das Thema beim Treffen der Bischöfe zur Sprache, und hat sich Kyrill dazu geäußert?
„Für
uns geht es zunächst einmal darum, aus dem Glauben heraus, von der biblischen Offenbarung
her, die Menschenwürde, die uns von Gott geschenkt ist und die nicht verfügbar ist
für andere, diese Menschenwürde in den Mittelpunkt zu stellen und daraus eben auch
die Menschenrechte abzuleiten. Zunächst als Abwehr-Rechte gegen einen übergriffigen
Staat. Und weiter als Gestaltungs- und Partizipationsmöglichkeiten am gesamten gesellschaftlichen
Leben. Das hat konkrete Relevanz für die Gegenwart – Beispiel Wahlen in Russland:
da sieht man, dass sich Russland erst noch auf dem Wege befindet zur Demokratie, zur
vollen Teilhabe aller am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Und
das ist den russischen Partnern auch klar, dass die russisch-orthodoxe Kirche ihren
Platz zu Recht beansprucht in der russischen Gesellschaft, weil sie doch einen positiven
Beitrag leistet für eine künftige demokratische und soziale Gesellschaft.“
Bei
dem Moskauer Treffen ging es um das christliche Fundament der Menschenrechte. Inwiefern
bringt dieses Thema die Ökumene weiter?
„Das Thema hat ja schon Johannes
Paul II. auf den Schild gehoben: die Kirche setzt sich nicht nur für ihre eigenen
Interessen ein, wir sind ja kein Interessenverband, wir sind Kirche für andere, gerade
in unserer modernen Welt des Pluralismus, aber auch angesichts der materialistischen
Gesinnung, wo das ökonomische und finanzielle im Mittelpunkt steht, wo Machtansprüche
von Seiten der Staaten erhoben werden gegenüber den einzelnen Menschen. Da ist es,
so glaube ich, sehr wichtig, dass die Kirche in Ost und West Anwältin ist der Menschenwürde
und der daraus sich ergebenen Menschenrechte. Wenn wir einen gemeinsamen Auftrag erbringen
für den Aufbaue einer sozialen, gerechten, menschenwürdigen Gesellschaft, fördern
wird auch das ökumenische Bemühen zu einer größeren Einheit, denn die besteht auch
im gemeinsamen Handeln und Übernahme von Verantwortung für die Gesellschaft der Gegenwart
und der Zukunft.“ Auf deutscher Seite nahmen an dem Ökumene-Treffen außer
Bischof Gerhard Ludwig Müller unter anderen der Magdeburger Bischof Gerhard Feige
sowie der Hildesheimer Weihbischof Nikolaus Schwerdtfeger teil. Die russische Delegation
wurde angeführt von dem für Deutschland zuständigen Erzbischof Feofan aus Berlin.
Auf dem Programm stand auch eine Begegnung mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill I.
Nächstes Treffen 2013 in MagdeburgDie theologischen Gespräche
zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und der russischen-orthodoxen Kirche begannen
1986 und wurden bis 1998 in unregelmäßigen Abständen fortgeführt. Nach elfjähriger
Unterbrechung fand 2009 eine Neuauflage im bayerischen Kloster Weltenburg statt. Das
nächste Treffen soll im Oktober 2013 in Magdeburg stattfinden. Dabei wird es wohl
um sozialethische Fragen gehen, „um zu einem gemeinsamen Handeln im großen europäischen
Kontext zu kommen“, kündigt Bischof Müller im Interview mit Radio Vatikan an. Das
genaue Thema der ökumenischen Begegnung werde allerdings noch gemeinsam festgelegt.
Das gesamte Interview hören Sie durch Anklicken des Lautsprechersymbols
oben links.