Lateinamerika ist
dem Papst eine Messe wert: Am kommenden Montag feiert Benedikt nachmittags im Petersdom
einen Gottesdienst zum Fest Unserer Lieben Frau von Guadalupe, der Patronin Amerikas.
Ihr Bild wird vor dem Hauptaltar des Bernini thronen, sozusagen. Eine Art Vorpremiere
zu seiner Reise auf den Kontinent im nächsten Frühjahr – und ein Vatikan-Beitrag zum
„bicentenario“, den Feiern zur Unabhängigkeit vieler Staaten Lateinamerikas und der
Karibik. Für St. Peter wird das ein ungewohntes Bild, denn vor Beginn der Messe wollen
Jugendliche mit den Nationalflaggen ihrer Länder einziehen, wie bei einer Olympiade.
Professor Guzman Carriquiry ist Sekretär der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika;
er sagt uns:
„Natürlich ist Lateinamerika im Moment gezeichnet von vielen
Übeln: Gewalt, Drogenhandel, Ungleichheit, Angriffe auf die Familie. Das ist aber
nur die eine Seite der Medaille: Lateinamerika erlebt derzeit nämlich auch ein starkes
Wirtschaftswachstum, viele Menschen finden erstmals aus der Armut heraus, und der
Kontinent spielt auch auf der internationalen Bühnee wieder eine größere Rolle. Das
alles bedeutet natürlich auch große Herausforderungen für die Kirche in Lateinamerika;
ihre Haupt-Herausforderung ist aber weiter eine interne, nämlich wie es ihr gelingt,
ihr Glaubenserbe zu kommunizieren, weiterzugeben.“
Guadalupe steht für
eine Inkulturation des Christentums in Lateinamerika: eine Maria mit Indio-Zügen,
mit einheimischem Gesicht. „In diesem Sinn wird uns die Messe vom 12. Dezember
die große Pädagogin des Glaubens bei uns wieder vor Augen halten und uns an unsere
historische und persönliche Geschichte erinnern. Der Papst wird alle Lateinamerikaner
dazu ermutigen, ihre Würde und die Schönheit des Christseins wiederzuentdecken.“
Alle
lateinamerikanischen Bischofskonferenzen und der Lateinamerikanische Bischofsrat CELAM
haben die Ankündigung der Papstmesse auf ihren Homepages platziert; viele Bischöfe
kommen zu dem Gottesdienst nach Rom, darunter sieben Kardinäle, auch die aus Mexiko-Stadt
und Havanna. Einige Staaten schicken Minister als Vertreter, dazu kommt natürlich
auch das Diplomatische Corps aus lateinamerikanischen Ländern beim Heiligen Stuhl.
Und das gestrenge Liturgische Büro des Heiligen Vaters hat sich davon überzeugen lassen,
dass nicht nur der Sixtinische Chor singt, sondern eigens eingeladene Sänger auch
Stücke aus der Kreolischen Messe von Ariel Ramirez anstimmen dürfen.
„Das
Kyrie, das Gloria, das Sanctus und das Agnus Dei sind von Ramirez, einem argentinischen
Komponisten. Das ist kirchliche Musik mit stark lateinamerikanischem Einschlag, die
Instrumente kommen aus Nordargentinien und der Andenregion. Natürlich wird das all
die Würde und Feierlichkeit haben, die der Papst sich für jede Liturgie wünscht, aber
eben auch diesen lateinamerikanischen Einschlag, warum denn nicht?“
Professor
Guzman versucht auch, die aus Lateinamerika stammenden Einwanderer in Rom zu erreichen;
er hat Hunderte von Briefen an Arbeitgeber geschrieben, ob sie nicht ihren Latino-Angestellten
für die Dauer der Papstmesse ausnahmsweise freigeben könnten. „Wir wissen ja,
dass diese Immigranten oft hart arbeiten und von früh bis spät – darum diese Briefe,
die in Rom sehr breit gestreut worden sind. Ich bitte die Arbeitgeber um eine Geste
des guten Willens, der Solidarität. Das soll den lateinamerikanischen Arbeitern hier
in Rom helfen, auch für sich selbst ihre Tradition der Frömmigkeit und des Feierns
wachzuhalten, die sie aus Lateinamerika mitgebracht haben.“