2011-12-08 16:36:20

Die Papstpredigt an der Mariensäule im Volltext


Wir dokumentieren in einer Arbeitsübersetzung die Predigt Papst Benedikt XVI. an der Mariensäule, 8. Dezember 2011

Liebe Brüder und Schwestern!
Das große Fest der Unbefleckten Muttergottes Maria lädt uns jedes Jahr dazu ein, an einem der schönsten Plätze Roms zusammen zu kommen, um ihr, die sie Mutter Christi und unsere Mutter ist, Ehre zu erweisen. Herzlich grüße ich alle hier Anwesenden, wie auch diejenigen, die über Radio und Fernsehen uns verbunden sind. Und ich danke euch allen für eure Teilnahme an meinem Gebet.
Auf der Spitze der Säule, um die wir im Kreis stehen, wird Maria von einer Statue dargestellt, die zum Teil an den Abschnitt der Offenbarung des Johannes erinnert, der eben verkündet worden ist: „Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.“ (Offb 12,1) Was bedeutet dieses Bild? Es stellt zugleich die Muttergottes wie auch die Kirche dar.
Zunächst ist die „Frau“ der Offenbarung Maria selbst. Sie erscheint „mit Sonne bekleidet“, das heißt mit Gott bekleidet: Die Jungfrau Maria ist nämlich ganz vom Licht Gottes umhüllt und sie lebt in Gott. Dieses Symbol von dem Lichtgewand drückt klar eine Eigenschaft aus, die das ganze Sein Marias betrifft: Sie ist die „voll der Gnade“, voll von der Liebe Gottes. Und „Gott ist Llicht“, sagt Johannes an anderer Stelle (1 Joh 1,5). Daher spiegelt die, die „voll der Gnade ist“, die „Unbefleckte“, mit ihrer ganzen Person das Licht der Sonne wider, die Gott ist.
Diese Frau hat unter ihren Füßen den Mond, Symbol des Todes und der Sterblichkeit. Maria ist nämlich ganz verbunden mit dem Sieg ihres Sohnes Jesu Christus über die Sünde und den Tod; sie ist frei von jeglichem Schatten des Todes und voll des Lebens. So wie der Tod keinerlei Macht über den auferstandenen Jesus hat (vgl. Röm 6,9), so hat Maria durch eine Gnade und einzigartiges Privileg des Allmächtigen Gottes den Tod hinter sich gelassen und überwunden. Und dies offenbart sich in den beiden großen Geheimnissen ihrer Existenz: Am Anfang das ohne Erbsünde Empfangen-Sein, das Geheimnis, das wir heute feiern, und, am Ende ihres Lebens, das mit Leib und Seele in den Himmel Aufgenommen-worden-Sein, in die Herrlichkeit Gottes. Aber auch ihr ganzes irdisches Leben ist ein Sieg über den Tod gewesen, denn sie hat sich ganz dem Dienst an Gott gewidmet, in der Ganzhingabe an Ihn und an den Nächsten. Deswegen ist Maria in sich selbst ein Loblied auf das Leben: Sie ist das Geschöpf, in dem das Wort Christi bereits Wirklichkeit geworden ist: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben, und damit sie es in Fülle haben“ (Joh 10,10)
In der Vision der Offenbarung des Johannes gibt es noch ein weiteres Detail: Auf dem Haupt der mit Sonne gekleideten Frau ist „ein Kranz von zwölf Sternen“. Dieses Zeichen stellt die zwölf Stämme Israels dar und bedeutet, dass die Jungfrau Maria in der Mitte des Volkes Gottes und der gesamten Gemeinschaft der Heiligen steht. Und so führt uns dieses Bild von dem Kranz von zwölf Sternen zur zweiten großen Deutung des himmlischen Zeichens der „Frau, die mit der Sonne bekleidet ist“: Dieses Zeichen stellt nicht nur die Muttergottes dar, sondern es verkörpert die Kirche, die christliche Gemeinschaft aller Zeiten. Sie ist schwanger, und zwar in dem Sinne, dass sie in ihrem Leib Christus trägt und zur Welt bringen muss: Das sind die Leiden der auf der Erde pilgernden Kirche, die, inmitten der Tröstungen Gottes und der Verfolgungen der Welt, Jesus zu den Menschen bringen muss.

Und gerade deswegen, weil die Kirche Jesus bringt, erfährt sie den Widerstand eines schrecklichen Feindes, der in der apokalyptischen Vision von einem „Drachen, groß und feuerrot“ dargestellt wird (Offb 12,3). Dieser Drache hat vergeblich versucht, Jesus zu verschlingen – den „Sohn, der über alle Völker mit eisernem Zepter herrschen wird“ (12,5); vergeblich weil Jesus durch seinen Tod und Auferstehung zu Gott aufgestiegen ist und sich auf seinen Thron gesetzt hat. Daher richtet der Drache, der ein für alle Mal im Himmel besiegt ist, seine Angriffe auf die Frau – die Kirche – in der Wüste der Welt. Doch zu allen Zeiten wird die Kirche gestärkt durch das Licht und die Kraft Gottes, der sie in der Wüste mit dem Brot seines Wortes nährt und mit der Heiligen Eucharistie. Und so erleidet die Kirche zwar Verfolgung in den zahlreichen Leiden und Prüfungen, denen sie sich durch die Zeiten und in den verschiedenen Teilen der Welt stellen muss, doch erweist sie sich dennoch als siegreich. Und so ist die christliche Gemeinschaft in eben dieser Weise die Gegenwart, die Garantie der Liebe Gottes gegen alle Ideologien des Hasses und des Egoismus.
Die einzige Gefahr, vor der die Kirche Furcht haben kann und muss, ist die Sünde ihrer Mitglieder. Während Maria in der Tat unbefleckt ist, frei von allem Makel der Sünde, ist die Kirche heilig, aber zugleich gezeichnet von unseren Sünden. Deswegen wendet sich das Volk, das durch die Zeiten pilgert, an ihre himmlische Mutter und bittet um ihre Hilfe; sie bittet darum, dass sie unseren Glaubensweg begleite, dass sie zum christlichen Lebenseinsatz ermutige und die Hoffnung stärke. Wir brauchen ihre Hilfe, besonders in diesen so schwierigen Zeiten für Italien, für Europa und für verschiedene Teile der Welt. Maria helfe uns das Licht jenseits der Nebelschwaden zu sehen, die unsere Gegenwart einzuhüllen scheinen. Daher hören auch wir nicht auf, besonders am heutigen Festtag mit kindlichem Vertrauen um ihre Hilfe zu bitten: „O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir zu dir unsere Zuflucht nehmen.“ Ora pro nobis, intercede pro nobis ad Dominum Iesum Christum!

(rv 08.12.2011 mc)








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