Afghanistan: „Ziviler Wiederaufbau statt Schwerpunkt auf Militär“
Die internationale
Staatengemeinschaft will beim langfristigen Aufbau Afghanistans helfen – auch nach
dem für 2014 geplanten Abzug der ausländischen Soldaten. Das ist ein Ergebnis der
elften Afghanistankonferenz vom Montag in Bonn. Nach Ansicht der katholischen Friedensbewegung
Pax Christi und vieler Hilfsorganisationen kommt der Plan reichlich spät: Jahrelang
sei der zivile Aufbau Afghanistans gegenüber militärischen Belangen vernachlässigt
worden, meint zum Beispiel Monika Hauser, Gründerin der Hilfsorganisation Medica Mondiale.
Die Organisation setzt sich in Afghanistan mit Hilfe afghanischer Frauen für Frauen
und Mädchen ein. Sie sagte im Interview mit dem Kölner Domradio:
„Hier die
ganzen Kräfte und weniger Geld ins Militär hineinzustecken, um einen Justizapparat
aufzubauen, der wirklich Sicherheit für die Menschen bedeutet, gegen die Realität
der Straflosigkeit vorzugehen, eine gute Regierungsführung aufzubauen, der Armut zu
begegnen und die Menschenrechte hochzuhalten – die Realität ist dagegen Vetternwirtschaft
und Korruption. All diese Maßnahmen sind vernachlässigt worden, und die Afghanen und
Afghaninnen zahlen den Preis!“
Auch zehn Jahre nach Beginn des Militäreinsatzes,
der dem Land mehr Sicherheit bringen sollte, kann von stabilen Verhältnissen in Afghanistan
keine Rede sein. Ganz im Gegenteil, meint Hauser: Das ausländische Militär habe sogar
„mehr Probleme“ gebracht, so die Menschenrechtlerin mit Blick auf die schwierige Arbeit
der Hilfsorganisationen – diese würden durch die Militärpräsenz zusätzlich zur Zielscheibe
radikaler Gruppen.
Die eigentliche Gefahr für die afghanischen Frauen und Mädchen
seien allerdings „ihre eigenen Männer“, fügt Hauser an: 80 Prozent aller Frauen würden
in Afghanistan immer noch zwangsverheiratet, davon 60 Prozent unter 16 Jahren. Diese
junge Generation gelte es zu schützen, so Hauser – in ihrer Hand liege die Zukunft
des Landes:
„Abgesehen davon, dass ich nicht denke, dass tatsächlich das
ganze internationale Militär im Jahr 2014 weg sein wird – das ist nicht im Interesse
der internationalen Gemeinschaft – baue ich auf die jungen Afghanen und Afghaninnen.
Hier sind gut qualifizierte Menschen, hoch engagiert, denen wirklich die Demokratisierung
und der Aufbau ihres Landes sehr am Herzen liegt, die natürlich nicht die Macht der
Clanherren haben. Aber die zu stärken wäre eine vordringlichste Aufgabe des Westens.“
Im
Gegenzug für langfristige Hilfe will die internationale Staatengemeinschaft vom afghanischen
Präsidenten Hamid Karzai verbindliche Versprechen, Reformen einzuleiten, die Regierungsarbeit
zu verbessern und den Kampf gegen die Korruption voranzutreiben. Ein Beispiel für
das Auseinanderklaffen von Verfassung und gesellschaftlicher Realität in Afghanistan
ist die Diskriminierung von Frauen, deren Gleichberechtigung eigentlich gesetzlich
festgeschrieben ist.