In Ägypten gehen nach dem Wahltriumph der Islamisten die Pläne der koptischen Christen
in zwei Richtungen. „Viele sind bereits dabei, ihre Koffer zu packen, aber es gibt
eine zweite Gruppe, zu der die jungen Revolutionäre gehören. Die sind entschlossen,
zu bleiben und weiter zu kämpfen“: Das betonte der Koordinator der koptischen Jugendbewegung
„Maspero Youth Union“, Beshoy Tamry, gegenüber der Kairoer Tageszeitung „Al Ahram“.
„Wir werden uns abmühen und kämpfen. Unsere Hoffnung sind jetzt die moderaten Muslime.
Sie sind es, die in der Lage sind, uns in unserem Kampf um einen modernen Rechtsstaat
zu unterstützen“, so Tamry. Scharfe Kritik an der Wahldurchführung übte Pfarrer Filopater
Gameel, der ebenfalls der „Maspero Youth Union“ angehört und ein Augenzeuge des „Maspero-Massakers“
vor zwei Monaten war, bei dem 28 meist christliche Demonstranten getötet wurden. Es
seien Fälle bekannt, in denen militante Salafisten der El-Nour-Partei sich vor die
Türen der Wahllokale postiert hätten, so dass die Wähler an ihnen vorbei mussten und
dadurch eingeschüchtert wurden, berichtete der Geistliche „Al Ahram“ gegenüber. Der
Sekretär des Rates der Koptisch-Orthodoxen Kirche, Kamil Seddiq Sawiris, sagte, die
Kirche unterstütze bei den am Montag begonnenen Stichwahlen in Alexandria die unabhängigen
Kandidaten. Sie treten vor allem gegen die Kandidaten der drei dominierenden islamistischen
Parteien – „Hizb Al-Horriya Wal-Adala“ (Muslimbrüder), „Hizb El-Nour“ (saudi-finanzierte
Salafisten) und „Hizb Al-Wasat“ (LiberaleMuslimbrüder) – an.
Die Stichwahlen
begannen am Montag. Gewählt wird in Wahlkreisen, in denen im ersten Wahlgang kein
Kandidat die absolute Mehrheit erreicht hatte. Die insgesamt 504 Abgeordneten des
künftigen Parlaments werden zur Hälfte durch Verhältniswahl und der Rest über Wahlkreise,
also über Mehrheitswahl, ermittelt. Überraschend ist bisher vor allem das relativ
gute Abschneiden der Salafisten: Diese extremistische Bewegung kam auf über 24 Prozent.
Die sich moderat gebende Partei der Muslimbrüder hingegen liegt mit 36,6 Prozent gar
nicht so weit vor den Salafisten wie zuvor erwartet. Die dritte Islamistenliste, das
moderate „Wasat“, errang 4 Prozent. Für den Fortgang der Parlamentswahlen, die je
nach Landesteil an unterschiedlichen Tagen stattfinden, wird mit einem scharfen Wahlkampf
zwischen den verschiedenen islamistischen Flügeln gerechnet.
Große Verlierer
des bisherigen Wahlgangs sind die liberalen Parteien. Sollten sich ihre Ergebnisse
nicht durch die Abstimmungen in weiteren Landesteilen verbessern, werden sie im künftigen
Parlament nicht viel Einfluss haben. Die Allianz der Linken und Liberalen muss sich
bisher mit dem dritten Platz begnügen und erhielt nur knapp 13 Prozent.