Gießt das Militärregime
in Ägypten Öl ins Feuer der Unruhen, die das Land seit Sturz des alten Regimes erschüttern?
Das halten inzwischen verschiedene Beobachter durchaus für möglich. Das Militärregime
in Ägypten spekuliert auf das Sicherheitsbedürfnis der Ägypter, meint Max Klingberg
von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. Für ihn ist es nicht nur
abwegig, dass die jüngsten Schlägereien in Kairo zwischen regimekritischen Demonstranten
und Unruhestiftern von den aktuellen Machthabern des Landes angestachelt wurden. 80
Menschen wurden dabei verletzt. Klingberg:
„Letztlich ist spekulativ, wer
das ist, aber alle Beobachter vor Ort gehen davon aus, dass es – wie auch früher –
bezahlte Schläger des Regimes gewesen sind. Früher waren diese Leute direkt auf den
Gehaltslisten von Mubarak, des Innenministeriums und des Geheimdienstes. Und heute
vermutet man, dass die gleichen Leute von den gleichen Institutionen letztendlich
eingesetzt werden vom Militär. Das Militär hat ein großes Interesse daran, einflussreich
oder sogar alleinherrschend zu sein. Das kann es nur, wenn es seine Macht rechtfertigt
– und zwar mit der ,Sicherheitskarte‘.“
Die Ägypter sehnten sich nach Ruhe,
Ordnung und einem normalen Leben. Das Land sei wirtschaftlich am Boden, denn eine
der wichtigsten Stützen der ägyptischen Wirtschaft – der Tourismus – liege völlig
darnieder, so Klingberg. Viele Ägypter litten deshalb „bitterste Armut“. Bei den laufenden
Parlamentswahlen, die als die ersten freien Wahlen in Ägypten überhaupt gelten, liegen
die Muslimbrüder mit 40 Prozent der Stimmen derzeit vorn. Allerdings wurde erst in
sechs der insgesamt 27 Verwaltungsbezirke gewählt.
Kann man angesichts der
immer wieder aufflammenden Gewalt und insgesamt unübersichtlichen Machtverteilung
in dem Land tatsächlich von einem ordnungsgemäßen und demokratischen Ablauf der Wahlen
ausgehen? „Der Hintergrund dieser Wahlen sei „kompliziert“, so Klingberg, der auch
darauf eingeht, warum in Etappen gewählt wird:
„Der Grund für diese Etappenwahl
ist, dass die Wahlen beobachtet werden von ägyptischen Richtern und die Zahl dieser
zu Verfügung stehenden Richter einfach unzureichend ist für die Zahl der Wahllokale.
Bisher gibt es keine Berichte von Manipulationen und Wahlfälschung. Wir hoffen, dass
das so bleibt, man wird mehr wissen, wenn im Januar die letzte Wahl gewesen ist und
das Ergebnis verkündet wird. Was alle annehmen ist, dass diese vermutlich demokratische
Wahl die Islamisten an die Macht bringen wird, zumindest ihnen die Mehrheit im Parlament
geben wird.“
Eine wirkliche Neuerung wäre das nicht, denn Ägypten habe
in den vergangenen 20 bis 30 Jahren eine sehr starke Islamisierung gesehen, so Klingenberg:
„Der
Islam ist in Ägypten in den vergangenen Jahren immer präsenter und wichtiger in der
ägyptischen Gesellschaft geworden. Einer der Faktoren ist vermutlich der Einfluss
Saudi-Arabiens. Es gibt da zum Beispiel Radiosender, die nach Ägypten hochgradig extremistische
Inhalte ausstrahlen. Es gibt und gab auch sehr viele ägyptische Gastarbeiter in Saudi-Arabien,
die nach Ägypten extremistisches Gedankengut mitbrachten... Also, so islamisch wie
heute war Ägypten seit Jahrzehnten nicht.“