Das so genannte „Kreuz
der Weltjugendtage“ hat schon viel erlebt, seit es Johannes Paul II. 1984 auf Reisen
schickte. Vor ein paar Tagen machte es in einem Gefängnis vor den Toren Roms Station:
in der „Casa Circondariale“ von Civitavecchia.
Das Meer kann man manchmal
rauschen hören hier, sonst dringt nicht viel durch die dicken Mauern der Strafanstalt
der „provincia di Roma“. Vor ein paar Tagen kam das Kreuz der Weltjugendtage herein,
begleitet von Jugendlichen aus dem römischen Zentrum San Lorenzo am Petersplatz. Kreuzweg
im Kittchen. „Wir sehen hier ein Kreuz ohne Gekreuzigten“, sagt der Ortsbischof Luigi
Marrucci, „das lässt uns daran denken, dass der Herr lebt, dass er mit uns geht. Ich
wünsche den Häftlingen, dass sie sich dieser Hoffnung auf den Lebenden öffnen, dass
sie ihm in ihrem Alltag beim Kreuztragen helfen. Und dass sie die Liebe so vieler
Brüder spüren... Nähe, Herzlichkeit, Ermutigung...“ Allerdings, im tristen Alltag
hinter Gittern ist das so eine Sache mit dem Liebe-Spüren, das weiß der Bischof auch:
„Wir finden oft nur schwer einen Priester, der bereit ist, Gefängnisseelsorger zu
sein; für diese Anstalt in Civitavecchia hab ich erst letzte Woche einen gefunden.
Parallel dazu ist es auch schwierig für die Gefängnisse, Wachpersonal usw. zu finden.
Die Häftlinge fragen mich: Schicken Sie uns denn keinen Priester?“ Sie sind nicht
rosig, die Verhältnisse in italienischen Haftanstalten, darauf machte vor ein paar
Jahren eine Selbstmordwelle hinter Gittern aufmerksam. Nicht zuletzt fehlt es an Programmen
zur Wiedereingliederung der Insassen in die Gesellschaft draußen. „Gerade mit diesem
Gefängnis hier ist das etwas schwierig. Bei einem anderen in der Via Tarquinia haben
wir aber immerhin ein Projekt, das der dortige Seelsorger aufgezogen hat: Dadurch
kommen viele Häftlinge tagsüber oder zu bestimmten Jahreszeiten raus, werden von der
Caritas unterstützt, bemühen sich um Wiedereingliederung. Also, Versuche gibt es;
wir werden sie noch verstärken müssen.“
Silvana Sergi leitet das Gefängnis:
Ihr größtes Problem, sagt sie, sei dass ihre Schützlinge „am Rand der Gesellschaft“
stehen. „Ich glaube, ein Großteil der Arbeit, um das alles zu verbessern, hängt von
uns selbst ab. Wenn wir enger zusammenarbeiten mit der Krankenkasse, mit der Stadt,
den Behörden, dann kommt das den Häftlingen zugute. Dann verkürzt sich ihre Distanz
zur Welt da draußen.“ Denn auf die Wiedereingliederung der Häftlinge komme es an,
sie stehe im Einklang mit dem Sicherheitsbedürfnis der Bürger: „Gerade von der gelingenden
Wiedereingliederung hängt doch die Sicherheit der Gesellschaft und des Bürgers ab!
Ohne Wiedereingliederung keine Sicherheit – das ist unvermeidlich.“ Über den Besuch
des Weltjugendtagskreuzes in ihrer Anstalt freut sich Frau Sergi: „Ein wertvolles
Ereignis. Ein Moment des Nachdenkens mitten in einem frenetischen Leben, wie wir es
auch hier im Gefängnis haben. Ein Moment des Nachdenkens für uns, für die hier Beschäftigten,
für die Häftlinge.“
Am 18. Dezember, ein paar Tage vor Weihnachten, wird
Papst Benedikt den neuen römischen Gefängniskomplex von Rebibbia besuchen, in dem
auch einige bekannte Mafiosi einsitzen. Der Gefängniskaplan von Rebibbia, Roberto
Fornara, war in Civitavecchia mit beim Kreuzweg. „Wir verkünden den Gefangenen die
Freiheit, die von Christus kommt, die Freiheit, die aus einem Herzen kommt, das liebt
und das die Liebe anderer spürt. Es gibt keine Freiheit außer der Freiheit, die von
der Person selbst ausgeht. Freiheit hängt mit Liebe und Liebesfähigkeit zusammen;
sie breitet sich aus wie ein Ölfleck und schafft mitten in der Unfreiheit Räume für
die Freiheit.“ In den Gefängnisalltag übersetzt ist das allerdings „eine tägliche
Mühe“, wie Fornara zugibt. „Ein täglicher Neuanfang. Immer ausgehend von der Lebensgeschichte
des Einzelnen, von jeder konkreten Möglichkeit.... Entscheidend ist die gute Zusammenarbeit
mit der Gefängnisleitung, mit freiwilligen Helfern usw. – erst wenn alle zusammenarbeiten,
bekommt man nicht nur hier und da ein paar Initiativen zustande, sondern hilft wirklich
den konkreten Personen. Wir haben z.B. vor kurzem eine Wallfahrt auf den Spuren des
heiligen Paulus gemacht: einen Tag lang, für alle, die eine Ausgangserlaubnis bekamen.
Und das war eine außerordentliche Erfahrung von Menschlichkeit und Brüderlichkeit
unter den Häftlingen, wie wir sie in vielen Pfarreien oder Familien, die sich christlich
nennen, oft nicht erleben. Konkret solche kleinen Gelegenheiten zu nutzen – das ist,
glaube ich, die Herausforderung an jedem Tag.“