2011-11-30 12:48:21

Italien: Ein Kreuz im Gefängnis


RealAudioMP3 Das so genannte „Kreuz der Weltjugendtage“ hat schon viel erlebt, seit es Johannes Paul II. 1984 auf Reisen schickte. Vor ein paar Tagen machte es in einem Gefängnis vor den Toren Roms Station: in der „Casa Circondariale“ von Civitavecchia.

Das Meer kann man manchmal rauschen hören hier, sonst dringt nicht viel durch die dicken Mauern der Strafanstalt der „provincia di Roma“. Vor ein paar Tagen kam das Kreuz der Weltjugendtage herein, begleitet von Jugendlichen aus dem römischen Zentrum San Lorenzo am Petersplatz. Kreuzweg im Kittchen. „Wir sehen hier ein Kreuz ohne Gekreuzigten“, sagt der Ortsbischof Luigi Marrucci, „das lässt uns daran denken, dass der Herr lebt, dass er mit uns geht. Ich wünsche den Häftlingen, dass sie sich dieser Hoffnung auf den Lebenden öffnen, dass sie ihm in ihrem Alltag beim Kreuztragen helfen. Und dass sie die Liebe so vieler Brüder spüren... Nähe, Herzlichkeit, Ermutigung...“ Allerdings, im tristen Alltag hinter Gittern ist das so eine Sache mit dem Liebe-Spüren, das weiß der Bischof auch: „Wir finden oft nur schwer einen Priester, der bereit ist, Gefängnisseelsorger zu sein; für diese Anstalt in Civitavecchia hab ich erst letzte Woche einen gefunden. Parallel dazu ist es auch schwierig für die Gefängnisse, Wachpersonal usw. zu finden. Die Häftlinge fragen mich: Schicken Sie uns denn keinen Priester?“ Sie sind nicht rosig, die Verhältnisse in italienischen Haftanstalten, darauf machte vor ein paar Jahren eine Selbstmordwelle hinter Gittern aufmerksam. Nicht zuletzt fehlt es an Programmen zur Wiedereingliederung der Insassen in die Gesellschaft draußen. „Gerade mit diesem Gefängnis hier ist das etwas schwierig. Bei einem anderen in der Via Tarquinia haben wir aber immerhin ein Projekt, das der dortige Seelsorger aufgezogen hat: Dadurch kommen viele Häftlinge tagsüber oder zu bestimmten Jahreszeiten raus, werden von der Caritas unterstützt, bemühen sich um Wiedereingliederung. Also, Versuche gibt es; wir werden sie noch verstärken müssen.“

Silvana Sergi leitet das Gefängnis: Ihr größtes Problem, sagt sie, sei dass ihre Schützlinge „am Rand der Gesellschaft“ stehen. „Ich glaube, ein Großteil der Arbeit, um das alles zu verbessern, hängt von uns selbst ab. Wenn wir enger zusammenarbeiten mit der Krankenkasse, mit der Stadt, den Behörden, dann kommt das den Häftlingen zugute. Dann verkürzt sich ihre Distanz zur Welt da draußen.“ Denn auf die Wiedereingliederung der Häftlinge komme es an, sie stehe im Einklang mit dem Sicherheitsbedürfnis der Bürger: „Gerade von der gelingenden Wiedereingliederung hängt doch die Sicherheit der Gesellschaft und des Bürgers ab! Ohne Wiedereingliederung keine Sicherheit – das ist unvermeidlich.“ Über den Besuch des Weltjugendtagskreuzes in ihrer Anstalt freut sich Frau Sergi: „Ein wertvolles Ereignis. Ein Moment des Nachdenkens mitten in einem frenetischen Leben, wie wir es auch hier im Gefängnis haben. Ein Moment des Nachdenkens für uns, für die hier Beschäftigten, für die Häftlinge.“


Am 18. Dezember, ein paar Tage vor Weihnachten, wird Papst Benedikt den neuen römischen Gefängniskomplex von Rebibbia besuchen, in dem auch einige bekannte Mafiosi einsitzen. Der Gefängniskaplan von Rebibbia, Roberto Fornara, war in Civitavecchia mit beim Kreuzweg. „Wir verkünden den Gefangenen die Freiheit, die von Christus kommt, die Freiheit, die aus einem Herzen kommt, das liebt und das die Liebe anderer spürt. Es gibt keine Freiheit außer der Freiheit, die von der Person selbst ausgeht. Freiheit hängt mit Liebe und Liebesfähigkeit zusammen; sie breitet sich aus wie ein Ölfleck und schafft mitten in der Unfreiheit Räume für die Freiheit.“ In den Gefängnisalltag übersetzt ist das allerdings „eine tägliche Mühe“, wie Fornara zugibt. „Ein täglicher Neuanfang. Immer ausgehend von der Lebensgeschichte des Einzelnen, von jeder konkreten Möglichkeit.... Entscheidend ist die gute Zusammenarbeit mit der Gefängnisleitung, mit freiwilligen Helfern usw. – erst wenn alle zusammenarbeiten, bekommt man nicht nur hier und da ein paar Initiativen zustande, sondern hilft wirklich den konkreten Personen. Wir haben z.B. vor kurzem eine Wallfahrt auf den Spuren des heiligen Paulus gemacht: einen Tag lang, für alle, die eine Ausgangserlaubnis bekamen. Und das war eine außerordentliche Erfahrung von Menschlichkeit und Brüderlichkeit unter den Häftlingen, wie wir sie in vielen Pfarreien oder Familien, die sich christlich nennen, oft nicht erleben. Konkret solche kleinen Gelegenheiten zu nutzen – das ist, glaube ich, die Herausforderung an jedem Tag.“


(rv 30.11.2011 sk)









All the contents on this site are copyrighted ©.