2011-11-19 12:55:32

Das Postsynodale Schreiben: Eine Zusammenfassung


Die Kirche in Afrika im Dienst an Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden: Zu diesen Themen war im Oktober 2009 die Sonderversammlung der Bischofssynode in Rom zusammengetreten. Das Postsynodale Schreiben „Africae Munus“, Das Engagement Afrikas, das Papst Benedikt XVI. in Benin unterzeichnet und der Kirche Afrikas übergibt, schließt den Synodalprozess offiziell ab. Das Dokument des Papstes basiert auf den 57 sogenannten Propositionen, also Thesen oder Aussagen, die die Synodenväter zum Abschluss ihrer Versammlung formuliert hatten.

Das Schreiben hat zwei Teile. Im ersten geht es vor allem um Art und Struktur der Aufgabe der Kirche auf dem afrikanischen Kontinent, eine Aufgabe, die zu mehr Versöhnung, zu Gerechtigkeit und Frieden führen soll, die vor allem aber immer auf die Verkündung des Wortes Gottes zielt. Der zweite Teil wendet sich dann den einzelnen Bereichen des Dienstes der Kirche zu, im Vordergrund hierbei stehen Bildung, Gesundheit und Medien.

Den Grundton des Schreibens bildet die Hoffnung: Des eigenen geistigen Erbes, der Kultur und der Religion des Kontinentes bewusst, müssen die Herausforderungen, vor denen Afrika steht, angegangen werden. Der Papst ermutigt die Christen, mehr und mehr Christus in ihren Familien, Dörfern, Ländern und dem ganzen Kontinent willkommen zu heißen und sich zu befreien von dem, was lähmt. Dabei helfen die Kräfte, die die Geschichte Afrikas schon immer belegt hat.

Wie alle nachsynodalen Schreiben steht aber auch Africae Munus nicht isoliert da: Benedikt XVI. bezieht sich mehrfach ausdrücklich auf die erste Sonderversammlung der Bischofssynode zu Afrika und deren Postsynodales Schreiben, Ecclesia in Afrika, verfasst 1995 von Papst Johannes Paul II. Hier ist es vor allem der Gedanke, dass die Kirche Familie Gottes sei, den er hervorhebt. Der Papst spricht auch immer wieder das Postsynodale Schreiben Verbum Domini an, das er im letzten Jahr veröffentlicht hatte. Hier geht es ihm vor allem um die dort ausgedrückte Wichtigkeit des Umganges mit der Heiligen Schrift. Und er bezieht sich auf die Lineamenta, also auf das Vorbereitungsdokument, für die nächste Generalversammlung der Bischofssynode 2012 mit dem Thema Neuevangelisierung. Dieses „neu“ gelte auch für Afrika, es könne die Dynamik der Kirche auch dort beleben und die Pastoral für die nächsten Jahrzehnte der Verkündung prägen.


Der erste Teil: Die tragenden Strukturen der kirchlichen Sendung in Afrika

Benedikt XVI. beginnt den Gedankenverlauf des Schreibens mit einer Einladung: Lasst euch immer mehr auf eine Versöhnung mit Gott ein, lasst euch immer mehr auf die Versöhnung untereinander ein, denn dies ist der einzige Weg zum Frieden. Hier sei die Stimme Jesu zu hören, die Afrika so nötig habe: Die Liebe für den Nächsten, auch für den Feind (AM 13). Nur die eigene Umkehr und die Annahme der Vergebung führe zum Frieden. Damit verbunden sei aber auch Gerechtigkeit im juristischen Sinn: Täter der Vergangenheit müssten sich ihrer Verantwortung stellen.

Papst Benedikt unterstreicht, dass die Kirche ihre Rolle beim Aufbau einer gerechten Ordnung spiele, auch wenn dies in den Bereich des Politischen gehöre. Diese Rolle liege vor allem in der Formung der Gewissen der Menschen, Gerechtigkeit für die Gesellschaft benötige auch die göttliche Gerechtigkeit, und diese komme durch die Gewissen der Menschen in die Welt. Diese göttliche Gerechtigkeit sei auf Liebe aufgebaut und gehe in der Selbsthingabe weiter, als menschliche Gerechtigkeit jemals komme. Die Gerechtigkeit Jesu leben: Das heißt, der Ausbeutung der Güter von Außen ein Ende setzen (AM 24), das heißt, das Prinzip der Subsidiarität zu beachten, der Solidarität und der Nächstenliebe. Kurz gesagt: der Logik der Seligpreisungen zu folgen. Deswegen, so der Papst, müsse vor allen anderen den Armen und Hundernden, den Kranken und Gefangenen, den Flüchtlingen und Migranten die Aufmerksamkeit der Kirche gelten (AM 27). Die Kirche beteilige sich am Aufbau eines neuen Afrika durch das Hören der stillen Schreie der unschuldig Verfolgten oder der Völker, deren Herrscher ihre Gegenwart und Zukunft den Eigeninteressen opfern (AM 30).

Zur Umsetzung schlägt das Schreiben vor allem die Katechese vor, aber nicht nur eine gelehrte, sondern eine gelebte Katechese, persönlich, in den Familien und in der Gesellschaft. Die vertiefte Beschäftigung mit den örtlichen Traditionen, vor allem denen, die sich mit Versöhnung beschäftigen, kann bei der Inkulturation des Evangeliums helfen. Schließlich müsse eine neue Geschwisterlichkeit gefördert werden, um das Stammesdenken, den Rassismus und den Ethnozentrismus zu überwinden.

Der Papst wendet sich einigen Elementen der Gesellschaft zu, die besonderen Schutz bräuchten. Hier nennt er als erstes die Familien, die durch die Gefährdung des Ehe-Gedankens und der Entwertung des Mutterseins gefährdet seien. Die Banalisierung der Abtreibung, die Vereinfachung von Scheidungen und der Relativismus in der Ethik seien weitere Gefahren. Die Familien seien dazu aufgerufen, Hauskirchen zu werden und damit Orte des Friedens. Vor allem aber sei es der Respekt, den Afrika den Alten gegenüber zeige, der dem Westen Beispiel für eine stabile Gesellschaft seien könne.

Benedikt XVI. führt als zweites die Frauen an, die eine unersetzliche Aufgabe in der Gesellschaft und der Kirche erfüllen. Gewalt gegen Frauen müsse von allen Christen klar als solche benannt, bekämpft und verurteilt werden.

Der Papst spricht auch über die Kinder, Geschenk Gottes und Quell der Hoffnung und der Erneuerung. Es sei nicht hinnehmbar, dass sie als Kindersoldaten missbraucht, in Gefängnisse gesteckt, in die sexuelle Sklaverei verkauft, ihres Andersseins wegen misshandelt oder zur Kinderarbeit gezwungen werden.

Benedikt XVI. spricht außerdem über den Schutz des Lebens: Die Kirche wende sich gegen Abtreibung, gegen Drogen und gegen Alkoholismus. Sie befinde sich in vorderster Front im Kampf gegen Malaria, Tuberkulose und Aids. Vor allem gegen diese Pandemie brauche es medizinische, vor allem aber auch ethische Lösungen. Das persönliche Verhalten müsse sich ändern, der Promiskuität müsse man durch Abstinenz und durch eheliche Treue begegnen. Die Vorstellung vom Menschen solle sich auf das Naturrecht gründen und auf das Wort Gottes. Unter den zu bekämpfenden Phänomenen nennt der Papst ebenfalls den Analphabetismus und die Todesstrafe.

Das Postsynodale Schreiben unterstreicht außerdem, dass Afrika eine gute Weise des Regierens brauche, die sich in Respekt für die Verfassungen ausdrücke, in freien Wahlen, in unabhängiger Justiz, in transparenter Administration, unberührt von Korruption. Die Güter der Länder seien für das Allgemeinwohl zu gebrauchen, es brauche Respekt vor den Grundbedürfnissen etwa nach Wasser und Land. Auf internationalem Gebiet gelte es, dem Phänomen der Migration Aufmerksamkeit zu schenken, es brauche eine globalisierte Solidarität, die das Prinzip der Freigiebigkeit und die Logik des Gebens als Ausdruck der Geschwisterlichkeit einschließe (AM 86).

Besondere Aufmerksamkeit widmet der Papst dem Thema Dialog, der immer ökumenisch und interreligiös sein müsse. Ökumenisch, weil das geteilte Christentum einen Skandal darstelle. In ökumenischen Gemeinschaften gelte es, sozial zu handeln und die Erbschaft des Christentums gemeinsam zu schützen, gegen die Ausbreitung der autochtonen Kirchen Afrikas, der synkretistischen Bewegungen und der Sekten. Der Dialog müsse interreligiös sein; das, was in den traditionellen afrikanischen Religionen mit dem Evangelium überein stimme, gelte es zu schätzen und gleichzeitig die Hexerei abzulehnen. Andererseits gelte es, den Dialog mit dem Islam zu fördern, auch wenn er sich in einigen Ländern sehr aggressiv zeige. Monotheistisch wie das Christentum baue man hier auf den Dialog im Respekt vor der Religionsfreiheit und der Freiheit des Gewissens.


Zweiter Teil: Die Felder des Wirkens der Kirche

Nacheinander wendet sich der Papst direkt an einzelne Gruppen:

- Die Bischöfe: Sie seien zur Heiligkeit des Lebens und zur Einheit mit dem Nachfolge Petri eingeladen, in Gemeinschaft mit den Priestern. Sie müssten der Versuchung des Nationalismus widerstehen und sich der Aus- und Weiterbildung der Laien widmen. Die Bistümer sollten Modelle sein, wie sich Menschen zu verhalten hätten, in Transparenz und auch in der Verwaltung der Finanzen (AM 104).

- Die Priester: Sie sollen ein vorbildhaftes Leben im ehelosen Zölibat und in der Ablehnung materieller Güter führen. Sie sollen die Stammesgrenzen und den Rassismus überwinden, aber auch der Versuchung widerstehen, Politik betreiben zu wollen oder Sozialarbeiter zu werden.

- Die Priesteramtskandidaten: Sie sind berufen, sich theologisch und geistlich auf das Priesteramt vorzubereiten, in psychologischem und menschlichem Wachstum, und darauf, Apostel für die Jugend zu sein.

- Die Laien: Sie sollen die Heiligkeit in der Welt leben und zeigen, dass ihre Arbeit nicht nur ein Mittel zum Zweck ist, sondern Ort der persönlichen Verwirklichung und des Dienstes am Nächsten. Für diejenigen, die in der Öffentlichkeit arbeiten, in der Wirtschaft, in Kultur und Gesellschaft, ist es außerdem fundamental, die Soziallehre der Kirche zu kennen.

- Die Diakone, die Ordensleute und die Katecheten: Der Papst hebt ihre kontinuierliche Aus- und Weiterbildung hervor und ihre Aufgabe, Vorbilder christlichen Lebens zu sein, Zeugen für das Leben und im Dienst am Nächsten.

- Die Schulen, Universitäten und andere katholische Institutionen: Sie sollen Verbindungen des Friedens und der Harmonie in der Gesellschaft schaffen; sie sollen die Wahrheit suchen, die das menschliche Maß übersteigt; sie sollen an der Entwicklung einer afrikanischen Theologie mitarbeiten, ihre eigene Identität behaltend und die Inkulturation fördernd.

- Die katholischen Gesundheitseinrichtungen, Krankenhäuser etc.: Im jedem Kranken sieht die Kirche ein leidendes Glied am Körper Christi. Ihre Aufgabe im Einsatz gegen die Krankheit hat deswegen der ethischen Lehre der Kirche und ihrem Einsatz für das Leben treu zu sein. Ihre Fonds sind transparent zu verwenden und vor allem für das Wohl der Kranken einzusetzen. Die Anzahl der kleinen ambulanten Kliniken, die erste Hilfe leisten, sollte vermehrt werden.

- Die Medien: Die Kirche muss in den Massenmedien präsent sein, zahlreich und koordiniert, vor allem auch mit Blick auf die neuen Technologien, denn diese sind Mittel der Verkündung und der Bildung der afrikanischen Völker zur Versöhnung, zur Gerechtigkeit und zum Frieden.

Das Schreiben richtet seinen Blick dann auf die Wichtigkeit der Verkündung, der Evangelierung, sei es als Missio ad Gentes, also das Bringen der frohen Botschaft zu denen, die sie noch nicht kennen, sei es als Neuevangelisierung, also für diejenigen, die die christliche Praxis nicht mehr pflegen.


Konkrete Vorschläge:

Der Papst nimmt zum Abschluss einige Vorschläge der Synode auf, um die Versöhnung, die Gerechtigkeit und den Frieden auf dem afrikanischen Kontinent zu fördern:

- Damit das Wort Gottes die geschwisterliche Gemeinschaft neu beleben kann, soll man die Praxis der lectio divina, also der geistlichen Lesung der Schrift, und des Bibelapostolates verstärken.
- Der Papst schlägt einen kontinentalen Eucharistischen Kongress vor, denn die Eucharistie schafft Geschwisterlichkeit über Sprachgrenzen, Kulturen, Ethnien, Stammesdenken, Rassismus und Ethnozentrismus hinweg.
- Die afrikanischen Ortskirchen sollen Kandidaten zur Selig- und Heiligsprechung vorbringen, denn die Heiligen fördern in beispielhafter Weise die Gerechtigkeit und sind Apostel des Friedens.
- Die Bischöfe sollen die SECAM (Symposium of Episcopal Conferences of Africa and Madagascar, Vereinigung der afrikanischen Bischofskonferenzen) fördern, eine Einrichtung der Solidarität und der kirchlichen Gemeinschaft auf dem ganzen Kontinent.
- Benedikt XVI. ermutigt die Länder Afrikas, jedes Jahr einen Tag oder eine Woche der Versöhnung zu feiern, vor allem während des Advent oder der Fastenzeit.
- Gemeinsam könnten der Heilige Stuhl und die SECAM ein „Jahr der Versöhnung“ für den ganzen Kontinent realisieren.


Abschluss

Das postsynodale Schreiben endet mit einem starken Akzent auf der Hoffnung: Jeder solle immer mehr Bote der Versöhnung werden, der Gerechtigkeit und des Friedens, so werde die Kirche in Afrika einer der geistlichen Lungenflügel der Menschheit.

(rv 19.11.2011 ord)







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