Papstsprecher mit Clownsnase: Navarro-Valls wird 75
Er war über Jahrzehnte
hinweg der Hauptverantwortliche für die Kommunikation im Vatikan: Joaquin Navarro-Valls.
Der Spanier, der bis 2006 den Vatikanischen Pressesaal leitete, wird an diesem Mittwoch
75 Jahre alt. Grund genug für ein Porträt.
„Das weiß ich nicht – das lässt
sich nicht vorhersagen. Ich habe keine Ahnung, was der Heilige Vater den Journalisten
sagen wird.“
Oft genug wusste er nicht mehr zu sagen als das: Ich weiß
es nicht. Aber er tat es auf äußerst seriöse Weise, und in vielen Sprachen. Navarro-Valls,
der Katalane mit den gutgeschnittenen Anzügen, diente im Vatikan die längste Zeit
einem Spontifex: dem Papst Johannes Paul, der selbst ein großer Kommunikator war.
Seit 1984 stand Navarro an der Spitze der „Sala Stampa della Santa Sede“, des Pressesaals
des Heiligen Stuhls, er begleitete den Papst auf fast allen Auslandsreisen, wurde
zu einem guten Freund und guten Kenner des Eiligen Vaters. Und spricht noch heute
über ihn mit der gleichen analytischen Klarsicht, mit der er auch einstmals der beim
Heiligen Stuhl akkreditierten Journalistenmeute gegenübertrat.
„Johannes
Paul II. hatte eine neue Art und Weise entdeckt, um die menschlichen und christlichen
Werte zu vermitteln, für die er stand. Er wusste seine menschlichen Qualitäten in
den Dienst der Kommunikation zu stellen. Zunächst einmal mit der Stimme: Bariton,
musikalisch geschult. Klare Diktion. Dann Gesten. Natürlich, aber im Voraus überlegt,
und völlig im Einklang mit dem, was er ausdrücken wollte. Eine immer verständliche
Geste, niemals rätselhaft.“
Das sagt Navarro-Valls als studierter Kommunikationswissenschaftler,
aber auch als promovierter Psychiater. Mediziner, Chirurg, ist er übrigens auch –
ein Vorwissen, das ihm in den langen Jahren der Krankheit und des Sterbens Johannes
Pauls zugute kam, wenn er vor den Journalisten ärztliche Bulletins aus dem Apostolischen
Palast zu deuten hatte. Der grauhaarige Navarro ist Mitglied des Opus Dei und strahlt
bis heute eine ernste Kompetenz aus; sein Mienenspiel kann er perfekt kontrollieren,
von völliger Ausdruckslosigkeit bis hin zu Lebhaftigkeit, ein Spiel der Falten wie
bei Joschka Fischer.
„Kommunikation war für Johannes Paul nicht auf vincere,
auf siegen aus, sondern auf convincere, überzeugen. Überzeugen heißt auch: den anderen
die Wahrheit zugänglich machen. Die Wahrheit hinstellen und ihr erlauben, das Leben
derer, die sie hören, zu verändern... Er hatte die große Gabe, die Tugend sympathisch
zu machen, auch wenn sie hart war – aber sie eben nicht unsympathisch scheinen zu
lassen. Er überzeugte davon, dass man auf einem höheren Niveau leben konnte als dem,
das eine relativistische Kultur als Modell anbietet.“
Manche Journalisten
behaupten, den seriösen Navarro-Valls am Mikro auch einmal bei einer kleinen Unwahrheit
ertappt zu haben. Da spricht vielleicht der Ärger mit, dass er manchen Medien gegenüber
großzügig Interviews mit dem Papst vermittelte, während andere auf Granit bissen.
Jedenfalls hat er mit mancher Erklärung in der „Sala Stampa“ auch ein Stück Geschichte
mitgeschrieben: etwa 1995. Da half er Johannes Paul dem Zweiten unter dem Eindruck
des Massakers im bosnischen Srebrenica dabei, die Vorstellung einer humanitären Intervention
zu verbreiten. Sie ist mittlerweile ins Völkerrecht eingegangen. 1998 verschaffte
sich Navarro-Valls auch Respekt durch die Art und Weise, wie er offensiv den Mord
am Kommandanten der Schweizergarde im Vatikan klärte und erklärte. Seine Aufgabe als
Chef-Kommunikator des Vatikans erklärte Joaquin Navarro-Valls einmal so:
„Der
Pressesaal des Heiligen Stuhls hat vor allem eine Daseinsberechtigung: das Interesse
der öffentlichen Meinung an Informationen über den Heiligen Vater bzw. den Heiligen
Stuhl. Der Pressesaal gibt den Profis die Fakten an die Hand, aus der sie jeden Tag
Nachrichten bauen. Was konkreter unsere Arbeit ausmacht, würde ich zwei Dinge nennen:
Wir analysieren. Wir analysieren alles, was über den Papst und die Aktivitäten des
Heiligen Stuhls veröffentlicht wird – soweit es geht, nicht nur im italienischen Sprachraum,
sondern global. Ganz Europa zumindest, große Teile Amerikas, Teile Afrikas und Asiens.
Das Zweite: Wir geben Antworten. Antworten auf viele Anfragen, die uns täglich von
Zeitungen, Radios, Fernsehstationen erreichen, über Fax, Telefon oder per Email. Da
geht es um sehr verschiedene Fragen. An einem Tag wird gefragt: Welche Position hat
der Heilige Stuhl zu der und der Person? Ein anderes Mal geht es z.B. um diplomatische
Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und einem Staat... Es sind vielerlei Probleme.“
Vielerlei
Probleme, die von einem vielseitigen Mann angegangen wurden: Bevor ihn Johannes Paul
in den Vatikan holte, war Navarro-Valls Auslandskorrespondent der spanischen Zeitung
„ABC“, reiste für sie häufig in den Nahen Osten, nach Afrika und Japan. 1983 wählten
ihn seine Kollegen zum Präsidenten des Verbands der Auslandspresse in Italien. Seit
seinem Abschied vom Sprecherposten im Vatikan unter Benedikt XVI. trifft man ihn auf
vielen Konferenzen; er gehört zur Führungsspitze der renommierten biomedizinischen
Uni von Rom und leitet die italienische Telekom-Stiftung. Sein Lieblingsthema ist
aber immer noch seine Zeit mit „Giovanni Paolo Secondo“:
„Ich habe immer
sehr dieses Interesse – manchmal kann man fast sagen: diese Versessenheit – des Heiligen
Vaters auf den Kontakt zur öffentlichen Meinung bewundert. Oft übersetzte sich das
in Kontakte zu Journalisten, aber die waren nie instrumental. Da ging es nicht darum,
gute Stimmung für den Vatikan zu schaffen, das ging viel tiefer. Auf diesem Markt
der Ideen fühlte der Heilige Vater die Notwendigkeit, dass die Botschaft der Kirche
– seine Botschaft – präsent ist, und zwar umfassend, in ihrem ganzen Reichtum. Er
hat immer wieder die Initiative ergriffen, ist auf Journalisten zugegangen und hat
erklärt, was die Botschaft der Kirche ist. Das hat aus meiner Sicht wirklich die Struktur
des Gesprächs zwischen Kirche und Massenmedien verändert.“
Seinem Nachfolger
im Vatikanischen Pressesaal, dem Jesuiten Federico Lombardi, redet Navarro-Valls nicht
ins tägliche Geschäft hinein; aber immer wieder meldet er sich doch mit Zeitungsessays
zum Thema Vatikan zu Wort. Ein Journalist fragte ihn einmal, mit welcher Szene er
starten würde, wenn er einen Film über das Leben von Johannes Paul II. drehen würde.
Navarros Antwort:
„Das wird Ihnen ziemlich banal vorkommen; aber ich erinnere
mich daran, wie er mal im Apostolischen Palast Studenten aus vielen Teilen der Welt
empfangen hat. Das war eine sehr informelle Audienz. Und zwei von diesen Studenten
hatten sich als Zirkusclowns verkleidet, mit großen roten Nasen – die machten da ihre
Späßchen. Zu sehen, wie der Papst darüber aus vollem Herzen lachte, das war wirklich
fantastisch. So hatte man Johannes Paul nie gesehen. Und in den letzten Jahren seines
Lebens, als er unter Parkinson litt, ist sein Gesicht dann sozusagen versteinert:
Dieser Mann, der ans Lachen gewöhnt war, hatte sein Lachen verloren. Wir brauchten
aber aktuelle Fotos von ihm, die wir an die Presse geben wollten, und darum habe ich
mir eine große rote Clownsnase gekauft und dann angezogen und gesagt: Hallo, Heiliger
Vater! Da kam auf einmal – das war der einzige Moment – das Lachen wieder auf sein
Gesicht. Also, mit diesem Bild der Clowns würde ich anfangen, um zu erzählen, wohin
der christliche Glaube einen Menschen trägt: zum radikalen Optimismus, zum Lachen.
Aber nicht aus Konvention, sondern aus Conviction, aus Überzeugung eines freien Menschen,
der weiß: Die Geschichte mag noch so dramatisch sein, ihr Ende ist ein Happyend. Sie
geht gut aus!“
Beim Ende von Johannes Paul, beim Tod, war im April 2005
als einziger Journalist Navarro-Valls dabei. Auf seinen Pressekonferenzen in diesen
Tagen war ihm immer mehr anzumerken gewesen, wie schwer es ihm fiel, die Fassung zu
bewahren. Heute sagt er über das Sterben Johannes Pauls:
„Das erste Gebet,
das nach seinem Tod in diesem Zimmer gebetet wurde, war nicht eines von denen, die
die Kirche für den Hinübergang der Seele empfiehlt. Sondern es war ein Dankgebet.
Nicht weil er gestorben war, sondern ein Dank für dieses reiche, historische Leben,
das da jetzt zu Ende gegangen war.“
Kaum einer, vom Papst-Sekretär Stanislaw
Dziwisz einmal abgesehen, hat das historische Leben Johannes Pauls aus solcher Nähe
miterlebt wie Joaquín Navarro-Valls.