Technokratie allein kann Italien nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Silvio Berlusconi
nicht retten. Daran erinnert der Direktor der katholischen Tageszeitung „Avvenire“,
Marco Tarquinio. Es brauche jetzt auch „äußerst viel gute Politik“, so der Blattmacher
der italienischen Bischofskonferenz. Deren Vorsitzender, Kardinal Angelo Bagnasco,
erinnert derweil an die Unverhandelbarkeit von Grundwerten in der Politik: „In Italien
gibt es - wie überhaupt auch in Europa - inzwischen eine Grenze, an der die Kategorie
der Verhandelbarkeit zur Tötung von Werten führt. Wenn diese Werte grundlegend und
unverzichtbar sind, ist eine Verhandlung an dieser Grenze kein gutes politisches Werk,
sondern es bedeutet, gegen die Menschlichkeit vorzugehen“, warnte der Erzbischof von
Genua am Wochenende in einem Vortrag an der Universität Santa Croce in Rom. Den Rücktritt
von Silvio Berlusconi kommentierte der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz
dabei nicht explizit.
Auch der Vatikan hat sich nach der Rücktrittsankündigung
von Berlusconi zur politischen Lage in Italien bisher zurückhaltend geäußert. Die
Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ gab die Forderung von Staatspräsident Giorgio
Napolitano nach raschen und verantwortungsvollen Entscheidungen angesichts der Regierungskrise
wider.
Auch katholische Experten in Notregierung Nach dem
Rücktritt von Silvio Berlusconi am Samstagabend hat Staatspräsident Giorgio Napolitano
am Sonntag Gespräche mit politischen Parteien und Parlamentsführern zur Bildung einer
neuen Regierung aufgenommen. Ziel ist es, eine Notregierung aus Fachleuten zu bilden,
die dem hochverschuldeten Land so schnell wie möglich Handlungsfähigkeit zurückgeben.
In einer solchen „Technokraten-Regierung“ gilt der ehemalige EU-Kommissar Mario Monti
als Favorit. In dessen Regierungsteam dürften nach ersten Prognosen auch einige katholische
Fachleute wie zum Beispiel der Vatikanberater und Professor Cesare Mirabelli sitzen,
der an der Lateran-Universität unterrichtet. Um einen weiteren Platz in der Notregierung
konkurrieren laut italienischen Medienberichten der Leiter der römischen Basisgemeinschaft
„Sant’Egidio“ Andrea Riccardi und der Volkswirt Stefano Zamagni, Mitglied im Lenkungsausschuss
der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften und beteiligt an der Publikation
der Papstenzyklika „Caritas in veritate“.