D: „Mit 150 Euro im Monat kann man kein Kind erziehen“
Deutschland ist aktuell
das kinderärmste Land Europas. Das geht aus aktuellen Angaben des Statistischen Bundesamtes
hervor. Und trotzdem gibt es für die im Land lebenden Kleinkinder immer noch keine
flächendeckenden staatlichen Betreuungsangebote. Ab 2013 sollen alle Eltern Rechtanspruch
auf Betreuung ihrer Ein- bis Dreijährigen haben; um die 750.000 Betreuungsplätze sollen
dann geschaffen sein. Knapp ein Drittel dieser Plätze fehlt aber nach wie vor. Und
auch die jetzt von der Bundesregierung entschiedene Einführung der Betreuungsprämie
„greift zu kurz“. Das meint die Bundesgeschäftsführerin des Familienbundes der Katholiken,
Claudia Hagen gegenüber dem Domradio.
„Mit 150 Euro im Monat kann man kein
Kind erziehen, das ist klar. Das ist eine kleine Anerkennungsprämie. Es ist ein erster
Schritt, aber eine wirkliche Entlastung von Familien ist es nicht.“
Laut
Plan des Koalitionsausschusses vom Sonntagabend sollen ab 2013 monatlich mindestens
100 Euro pro Kind an Eltern gezahlt werden, die auf einen Kitaplatz verzichten und
zu Hause erziehen. Das ist dem katholischen Familienbund zu wenig - er wünscht sich
dagegen „eine Anschlussleistung an das Elterngeld in Höhe von 300 Euro für das zweite
und dritte Lebensjahr“, so Hagen.
„Das würde dem Sockelbetrag des Elterngeldes
entsprechen. Vor allen Dingen aber: Für alle Eltern. Weil wir der Meinung sind, dass
sowohl die häusliche Erziehung anerkannt werden sollte, aber Eltern, die beide arbeiten
gehen wollen oder müssen, um den Lebensstandard zu decken, auch die Kinderbetreuungskosten
irgendwie schultern müssen. Und die sind ja nicht gerade günstig. Die dreijährige
Elternzeit, auf die Eltern ja einen Anspruch haben, muss finanziell flankiert werden.“
Verbände
und der Deutsche Städtetag sehen derweil den Rechtsanspruch auf das Betreuungsangebot
für Kleinkinder in Gefahr. Das Ziel werde für 2013 kaum erreicht werden, sagte der
Bundesvorstand der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wolfgang Stadler, am Dienstag in Berlin.
Der Ausbau gehe „viel zu langsam voran“. Zum beschlossenen Betreuungsgeld sagte Stadler,
dass vielen Frauen nichts anderes übrig bleibe, dieses anzunehmen. Mit der versprochenen
Wahlfreiheit habe das aber nichts zu tun, so Stadler: Eine gut zu erreichende, qualitativ
hochwertige und bedarfsgerechte Kinderbetreuung sei „Grundvoraussetzung für eine Vereinbarkeit
von Familie und Beruf“.
Hintergrund Die geplante Einführung
des Betreuungsgeldes hatte in den Reihen von CDU, CSU und FDP jahrelang für Streit
gesorgt. Am Sonntagabend hatte der Koalitionsausschuss nun entschieden, die Prämie
einzuführen. Geplant ist, ab 2013 zunächst eine Unterstützung von monatlich 100 Euro
für Kinder im Alter von zwei Jahren zu gewähren. Voraussetzung: Die Eltern betreuen
den Nachwuchs zu Hause und geben ihn nicht in eine Kita. Ab 2014 soll das Betreuungsgeld
dann auf 150 Euro steigen und auf Kinder im Alter von zwei und drei Jahren ausgeweitet
werden.