2011-11-06 14:09:47

CH: Metropolit Damaskinos verstorben


Der orthodoxe Metropolit Damaskinos ist vergangenen Freitag in Genf verstorben. Das teilte die Freiburger Theologieprofessorin Barbara Hallensleben Radio Vatikan mit. Damaskinos war ein wichtiger, im deutschen Sprachraum tätiger Ökumeniker, den eine langjährige Freundschaft mit Kardinal Josef Ratzinger verband. Bekannt wurde ein Briefwechsel zwischen den beiden aus dem Jahre 2000/2001 zur Erklärung „Dominus Iesus“ und die „Note über den Ausdruck Schwesterkirchen“ der Glaubenskongregation aus dem Jahr 2000.
(pm 06.11.2011 mc)


Im folgenden ein Nachruf von Prof. Dr. Barbara Hallensleben:


Freund des Papstes und Wegbereiter der Verständigung unter Schwesterkirchen.
Metropolit Damaskinos (Papandreou) am 5. November in Genf verstorben
Geboren am 23. Februar 1936 in Kato Chryssovitsa in Ätolien/Griechenland als jüngstes Kind einer Priesterfamilie, besuchte Basil Papandreou von 1955 bis 1959 die Theologische Hochschule des Ökumenischen Patriarchats in Chalki. Nach der Diakonatsweihe 1959, bei der er den Namen Damaskinos annahm, erhielt er ein Stipendium des Ökumenischen Patriarchats für das Studium an den deutschen Universitäten Bonn und Marburg (1959–1965). Sein besonderes Interesse galt der Kirchengeschichte, den vergleichenden Religionswissenschaften und der Religionsphilosophie. 1966 promovierte er mit einer Arbeit über „Die Gründung und Organisation der armenischen Kirche bis zum IV. Ökumenischen Konzil“ an der Universität Athen (1994 ins Armenische übersetzt).

Mit der Priesterweihe 1961 erhielt er zugleich den Titel eines Archimandriten und übernahm die Betreuung der griechischen Gastarbeiter in der Region um Bonn. In dieser Zeit gründete er die ersten drei griechischen Volksschulen in Deutschland. 1963/64 war er an der Höheren Schule für griechische Sozialarbeiter in Michaelshofen (Rodenkirchen) bei Köln als wissenschaftlicher Leiter tätig.

Von 1965 bis 1969 wirkte der Archimandrit im Auftrag des Ökumenischen Patriarchen Athenagoras und der Synode des Ökumenischen Patriarchats als Vorsteher des neuen orthodoxen Mönchszentrums in Taizé/Frankreich.

Der besondere Einsatz von Archimandrit Damaskinos für die Verständigung der Kirchen führte dazu, dass er vom Ökumenischen Patriarchat immer wieder in diesem Aufgabenbereich eingesetzt wurde. 1968 nahm er als theologischer Berater an der 4. Vollversammlung des Weltkirchenrates in Uppsala teil. 1969 ernannte ihn der Ökumenische Patriarch Athenagoras zum Direktor des 1966 errichteten Orthodoxen Zentrums des Ökumenischen Patriarchats in Chambésy bei Genf und gleichzeitig zum Sekretär für die Vorbereitung des Heiligen und Großen Konzils der byzantinischen orthodoxen Kirchen. In dieser Eigenschaft war er für die Einberufung interorthodoxer Kommissionen und panorthodoxer Konferenzen zuständig. Im Alter von 34 Jahren wurde er am 6. Dezember 1970 zum Bischof geweiht und erhielt den Titel des Metropoliten von Tranoupolis. In den über 30 Jahren seines Wirkens in Chambésy wurde die Schweiz – oft unbemerkt – zur Schlüsselstelle für die innerorthodoxen Entwicklungen wie für die Beziehungen zwischen West- und Ostkirchen.

Der Metropolit reflektierte seinen unermüdlichen Einsatz für die Verständigung der Kirchen auch auf theologischer Ebene. Seit 1971 war er Mitherausgeber der Zeitschrift „Una Sancta“. In der Kommission „Glauben und Kirchenverfassung“ des Weltkirchenrates war er als orthodoxer Vertreter tätig. Als Gastprofessor wirkte er an mehreren Universitäten wie auch am Ökumenischen Institut von Bossey bei Genf.

Den Ausbau des Orthodoxen Zentrums in Chambésy stellte der Metropolit in den Dienst seiner vielfältigen Aufgaben und seiner großen Visionen. 1975 erfolgte die feierliche Einweihung der neuen Gebäude und des kirchlichen Zentrums mit der St. Pauls-Kirche. Das Zentrum entfaltete reichhaltige Aktivitäten und förderte unter der Leitung von Metropolit Damaskinos die innerorthodoxe Gemeinschaft, die innerchristliche Einheit und die interreligiöse Begegnung. Hier gründete der Metropolit 1996 das „Zentrum für höhere Studien in orthodoxer Theologie“, wo in Zusammenarbeit mit den Theologischen Fakultäten der Universitäten Genf und Freiburg bislang über 100 orthodoxe Studierende ein Aufbaustudium zur Vertiefung ihrer theologischen Kenntnisse im Horizont der Vielgestaltigkeit der christlichen Traditionen absolviert haben.

Am 2. Oktober 1982 erklärte die Synode des Ökumenischen Patriarchats das Territorium der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein zu einer unabhängigen Metropolie. Gleichzeitig wurde Metropolit Damaskinos zum „Metropoliten der Schweiz und Exarchen von Europa“ ernannt – unter Beibehaltung seiner bisherigen Aufgaben. Die Inthronisation erfolgte am 21. November 1982 in Zürich. In den folgenden Jahren setzte sich der Metropolit erfolgreich für eine bessere pastorale Betreuung der griechischen orthodoxen Gläubigen ein, errichtete Gemeindezentren und andere pastorale Strukturen. Am 18. Juni 1995 konnten die neue Kirche und das Zentrum des hl. Dimitrios in Zürich eingeweiht und der griechischen Gemeinde übergeben werden.

In seinen Bemühungen um die Annäherung der Kirchen verfolgte Metropolit Damaskinos aufmerksam die Entstehung und Entwicklung der verschiedenen bilateralen Dialogkommissionen. Seit 1980 war er Kopräsident der gemischten Kommission für den orthodox-altkatholischen Dialog, seit 1988 Kopräsident des Dialogs der Byzantinischen Orthodoxen Kirchen mit den Orientalisch-Orthodoxen Kirchen. Auch bei den Vorbereitungsarbeiten für den Dialog der Orthodoxen Kirche mit den Reformierten wirkte er mit (1986). Von 1986 bis 1992 war er Mitglied des Präsidiums der „Konferenz Europäischer Kirchen“. Mehrfach gehörte er zur Delegation des Ökumenischen Patriarchats, die am 29. Juni die Kirche von Rom anlässlich ihres Patronatsfestes besuchte. Ein großer Vertrauenserweis war die Einladung, am Vorabend des Pfingstfestes 1981 an Stelle des durch ein Attentat verwundeten Papstes im Petersdom zu Rom vor dem dort versammelten Episkopat anlässlich des 1600jährigen Jubiläums des Konzils von Konstantinopel (381) die Homilie zu halten.

Aufgrund seiner theologisch-wissenschaftlichen Tätigkeit und als Förderer kirchlicher Dialoge sowie Initiator interreligiöser Gespräche wurde Metropolit Damaskinos Mitglied mehrerer Gremien von internationalem Renommée: 1974 wurde er in die „Académie Internationale de Sciences religieuses“ (AISR) aufgenommen und 1993 zu ihrem ersten Vizepräsidenten, 1999 zu ihrem Präsidenten gewählt. 1984 ernannte ihn die Stiftung „Pro Oriente“ in Wien zu ihrem Ehrenmitglied. 1987 wurde er Mitglied der „Société européenne de culture“ und 1991 korrespondierendes Mitglied der Akademie von Athen. 1999 war er Mitgründer der von Prinz Hassan von Jordanien ins Leben gerufenen „Foundation for Interreligious and Intercultural Research and Dialogue“.

Seine theologische Tätigkeit, die sich in zahlreichen Veröffentlichungen niederschlug, wurde durch mehrere Ehrendoktorate gewürdigt: Bukarest (1981), Belgrad (1982), Thessaloniki (1985), Bonn (1986), Bern (Christkatholische Fakultät, 1987), Prešov (1987), Athen (1990), Moskau (1992), Minsk (1995), Manila (1998), Sofia (1999), Genf (1999). 1992 wurde ihm der Abt-Emmanuel-Heufelder-Preis der Abtei Niederaltaich verliehen.

Als sich Metropolit Damaskinos im Jahr 2003 aufgrund der Folgen eines Gehirnschlags von der Leitung der Metropolie zurückziehen musste, wurde er zum Metropoliten von Adrianupolis ernannt. Er lebte weiterhin zurückgezogen in Genf und nahm im Rahmen seiner gesundheitlichen Möglichkeiten an den Aktivitäten des Orthodoxen Zentrums teil. Im März 2011 hatte ihn in Genf Metropolit Philaret von Minsk besucht. In den letzten Monaten verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zunehmend.

Eine wegweisende Bedeutung hat der Briefwechsel zwischen Metropolit Damaskinos und Kardinal Joseph Ratzinger, die eine langjährige Freundschaft miteinander verband. Die offenen Briefe vom 30. Oktober 2000 (Damaskinos an Ratzinger) und vom 20. Februar 2001 (Ratzinger an Damaskinos) reagierten auf die Erklärung „Dominus Iesus“ und die „Note über den Ausdruck Schwesterkirchen“ der Glaubenskongregation aus dem Jahr 2000. Im Zentrum steht die Frage, ob der Rede von „unseren zwei Kirchen” im Plural, bezogen auf die jeweilige Gemeinschaft der katholischen und der orthodoxen Lokalkirchen, ein geschichtlich konkreter Singular der „einen Kirche” entspricht. Metropolit Damaskinos hält an der Formulierung fest, wonach die römisch-katholische Kirche und die orthodoxe Kirche „zwei Kirchen” sind, „die sich als Schwesterkirchen wieder entdeckt haben”. Demgegenüber betont Kardinal Ratzinger mit der „Note”: „Es gibt nur eine einzige Kirche, darum ist der Plural Kirchen nur auf die Teilkirchen anwendbar“. In diesem Briefwechsel wurde anhand der Theologie der „Schwesterkirchen“ erstmals klar die ekklesiologische Problemstellung herausgearbeitet, die bis heute den Dialog zwischen Westkirchen und Ostkirchen bestimmt.
Kardinal Ratzinger und Metropolit Damaskinos reden sich gegenseitig als „Bruder und Freund“ an, und der Metropolit schließt seinen Brief: „In der Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe, die uns verbindet“. Diese Gemeinschaft besteht über seinen Tod hinaus.








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