2011-11-05 12:51:29

Grüne Pilgerstätten: Religionsvertreter treffen sich in Assisi


RealAudioMP3 Es gehört sicherlich zu den ersten Dingen, die wir mit dem heiligen Franziskus von Assisi verbinden: Die Vogelpredigt. Mehr als alles andere ist sie Zeichen für eine Verbundenheit dieses Heiligen mit der Natur, die ihn zum Patron gemacht hat für die Bewahrung der Schöpfung. Mehr als recht also, dass sich in seiner Stadt Assisi in dieser Woche Religionsvertreter trafen, um über Ökologie zusprechen. Alliance of Conservation and Religions, die Allianz von Bewahrung der Schöpfung und Religion, so heißt die Organisation, die den Geist von Assisi hier lebendig halten will.

Mary Colwell, Katholikin, Wissenschaftlerin und Produzentin von Naturfilmen für die BBC, hat vor Jahren schon begonnen, die Welt der Ökologie mit der Welt des Glaubens zusammen zu bringen, zuerst persönlich, dann aber auch in ihrer Pfarrei und jetzt auf internationaler Ebene.

„Alle großen Glaubensrichtungen der Welt sind alle zu dieser Einsicht gekommen, einige schneller als andere, so dass es in allen Religionen jetzt dieses Bewusstsein gibt. Was unsere Kirche angeht, wird das von unten her angetrieben, von den Grasswurzeln, von den normalen Kirchgängern. Es gab natürlich auch starke Vorgaben von Johannes Paul II. und von Papst Benedikt XVI. Diese zweifache Bewegung bringt uns weiter.“

Genauso werde Fortschritt von beiden Seiten geschehen, die Kirchenleitung müsse überzeugt werden, diese Anliegen ernst zu nehmen, gleichzeitig müsse jeder Christ aber auch mit gutem Beispiel voran gehen. Dem Geist von Assisi und der Treffen der Religionen dort entspricht es aber auch, dass das Thema dann auch zu einem gemeinsamen Thema zwischen den Religionen wird. Seit dem Start dieser Initiative vor 25 Jahren sind mongolische und armenische Vertreter dazu gekommen, zuletzt auch chinesische Taoisten.

„Ich denke, dass das sehr, sehr wichtig ist. Es gibt so viele Dinge, die die Religionen trennen, theologische Aussagen zum Beispiel. Aber wir alles essen und trinken und brauchen frisches Wasser und saubere Luft. Wir brauchen eine gesunde und sich entwickelnde Umwelt für unsere mentale Gesundheit, für unsere geistliche Gesundheit und für unsere körperliche Gesundheit. Die Sorge um die Welt geht quer durch alle Grenzen, politische oder auch religiöse. Wir können hier zusammen arbeiten, ohne unseren eigenen Glauben aufzugeben.“

Wie aber beginnen? Die meisten Fragen, die sich dem Westen stellen, sind idealistischer Natur und kaum in die Welt der Menschen zu übersetzen, die sich noch nicht einmal ernähren können.

„Natürlich ist es irgendwie ein Luxus, dass ich überlegen kann, ob ich jetzt diese organische Mango kaufe oder einen vor Ort gewachsenen Apfel esse. Es ist ein Privileg, auswählen zu können. Wenn aber nicht jeder und jede einzelne ihren Beitrag leistet, wenn wir alle egal in welcher Umwelt nicht das tun, was wir können, dann werden die Dinge noch schlimmer werden. Die Armen werden ärmer. Es geht uns alle an, es geht jeden an. Es ist keine Sache von arm oder reich, es ist eine ganz persönliche Sache.“

Die Welt des Glaubens hat der Umweltbewegung viel zu sagen, und umgekehrt müsse der Glauben sehr genau zuhören, wie die Umweltbewegungen mit der Schöpfung umgehen. Dort gebe es viel gemeinsamen Grund.

Der gemeinsame Grund der Religionen, die sich in Assisi versammeln, ist das Pilgern. Jede Religion kennt das Pilgern, das Unterwegssein, in allen Religionen wird es heute in irgendeiner Form praktiziert.

„Die traditionellen Wallfahrten im Judentum hießen übersetzt ‚Zu Fuß unterwegs sein’. Und es geht dabei nicht darum, dass man damals keine Autos und Flugzeuge hatte.“

Rabbi Julian Sinclair, Rabbiner in Jerusalem: Unter anderem hat er gemeinsam mit anderen eine Firma gegründet, die Öko-Städte entwickelt.

„In alten Quellen kann man lesen, dass auch Menschen, die auf anderen Wegen nach Jerusalem kommen konnten, dort angekommen aus ihren Fahrzeugen ausstiegen oder vom Pferd abstiegen und den letzten Teil zu Fuß gingen. Das ist ein wichtiger Wesenszug des Pilgerns ganz allgemein. Laufen drückt eine Art von Respekt aus, den das Nutzen eines Autos oder ein Reisebusses nicht ausdrücken kann. Hier kommt die religiöse Bedeutung des Pilgerns zusammen mit Erfordernissen des Umweltschutzes.“

Dagegen würden sich viele sogenannte Pilger verhalten wie dereinst Kaiser Wilhelm II., der bei seinem Besuch ein Loch in die Mauer von Jerusalem sprengen ließ, damit er mit dem Auto hereinfahren konnte. So würde die geistliche Infrastruktur durch das sogenannte moderne Pilgern beschädigt. Unsere Konsumkultur, die längst auch schon eine Pilgerindustrie entwickelt hat, muss sich kritische Fragen gefallen lassen.

Aber auch bei Rabbi Sinclair wird deutlich, dass die Gemeinsamkeiten im Umweltschutz auch den Menschen zugute kommen. Gerade in Israel gebe es Beispiele von Zusammenarbeit, die nicht nur die Umwelt schonten, sondern auch die verschiedenen Religionen zusammen bringen würden.

„Es gibt eine ganze Reihe aufregender interkultureller und unterreligiöser Projekte, zum Beispiel ein gemeinsames israelisch-jordanisch-palästinensisches Projekt, den Jordan zu retten. Das zeigt, dass die Umwelt etwas ist, das Brücken bauen kann. Es ist etwas sehr Starkes, dadurch Brücken zu bauen, dass man etwas gemeinsam tut. Es ist wichtiger als hundert Dialoggruppen, in denen man sitzt und feststellt, wo man übereinstimmt und wo nicht.“

Zurück zur Pilgeridee: In Assisi wurde das Green-Pilgrimage-Project gegründet, ein Netzwerk von Heiligen Stätten, vertreten durch die religiösen wie durch die zivilen Autoritäten, die den Umweltgedanken mit dem Pilgergedanken verbinden wollen, aus Rücksicht auf die Umwelt genauso wie um die alten Traditionen zu stärken. Noch einmal die Journalistin, Umweltaktivistin und Katholikin Mary Colwell:

„Dieses Netzwerk setzt sich innerhalb der Tradition des jeweiligen Glaubens ein, aber es spricht darüber hinaus. Ganz gleich, ob du ein muslimischer, hinduistischer oder christlicher Pilger bist: Denke nach, was du da gerade tust. Es geht nicht nur um den geistlichen Aspekt, sondern auch um die Wirkung auf die Welt, denn die gehört auch zum Glauben dazu. Es geht nicht nur um die Heilige Stätte, es geht um die ganze Wallfahrt, um die Art und Weise, hinzukommen, um das, was man einmal angekommen dort tut und um das, was man zurückbringt. Die Herausforderungen für einzelne Pilgerstätten in Nigeria oder England oder Norwegen ist sehr verschieden. Es sind unglaubliche Verschiedenheiten und Lebensstandards. Aber uns allen ist das Pilgern gemeinsam, und wir können austauschen, was wir tun. Das macht dieses Projekt so spannend.“

(rv 05.11.2011 ord)







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