D: „Finanzspekulationen sind an sich nichts Böses“
Beim G20-Gipfeltreffen
in Cannes ging es nicht nur um die Eurokrise, die Staatsschulden oder Währungsreformen.
Auf der Tagesordnung am zweiten und letzten Tag des G20-Treffen standen am Freitag
unter anderem die Themen Energie und Klima. Die Energiekosten und die Umweltkatastrophen
haben aber einen verheerenden Einfluss auf die Spekulationen von Nahrungsmittelpreise.
Der Referent für Welthandel und Ernährung bei Misereor, Armin Paasch, erläutert im
Gespräch mit dem Kölner Domradio, wie sich die Spekulationen in den armen Ländern
auswirken:
„Wir haben zum Beispiel im Jahr 2008 Berichte aus Kamerun bekommen,
dass die Reispreise so extrem angestiegen sind, dass die Armen sich nur noch eine
statt zwei Mahlzeiten leisten konnten. Aus El Salvador haben wir Berichte bekommen,
dass die Maispreise inzwischen so hoch liegen, dass der monatliche Nahrungsmittelbedarf
dreimal höher liegt als der Mindestlohn. Dieses Verhältnis, das sowieso nicht im Lot
war, hat sich noch zu Ungunsten der Armen verschärft.“
Spekulation ist
nicht der einzige Faktor, auch Agrartreibstoffe spielen eine wichtige Rolle. Aber
Spekulation verstärke die Wirkung und erhöhe die Preisspitzen - und das sei es, was
sich am Ende massiv auswirke auf die Hungernden, so Paasch.
„Man muss zunächst
sagen, dass Spekulation an sich nichts Böses ist. Termingeschäfte mit Agrarrohstoffen
gibt es schon lange. Sie haben auch eine gewisse Berechtigung, zum Beispiel wenn Produzenten
und Händler für die Zukunft einen Kauf vereinbaren zum Beispiel für eine Tonne Mais
zu einem fixierten Preis. Sowohl die Produzenten als auch die Konsumenten sichern
sich so gegen Preisschwankungen in der Zukunft ab. Das nennt man Hedging. Das ist
überhaupt nicht zu kritisieren, da fordern wir auch keinerlei Einschränkung. Das Problem
ist aber, dass ungefähr seit der Jahrtausendwende neue Akteure aus dem Finanzsektor
in diese Termingeschäfte eingestiegen sind, beispielsweise Investmentbanken, Hedgefonds,
Pensionsfonds. Sie haben diesen Terminhandel überflutet und eine künstliche Nachfrage
geschaffen.“
Das Problem sei, dass diese Akteure immer dann auf Kauf setzen,
wenn die Preise steigen, und die Preisdifferenz werde dann einfach „eingesackt“. Nur
zwei Prozent dieser Kontrakte führen letztendlich zu einem physischen Handel, trotzdem
haben diese Termingeschäfte einen enormen Einfluss auf die tatsächlichen Agrarpreise.
„Über
das Ausmaß wird gestritten, das DIW (Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, Anm.
d. Red.) hat gesagt, dass zwanzig Prozent der Steigerungen im Jahr 2008 auf die Spekulationen
zurückgegangen sind. Das hat natürlich gravierende Folgen für solche Entwicklungsländer,
die stark abhängig sind von Importen.“