Trotz des Wahlsiegs der islamistischen Ennahda-Partei in Tunesien sieht die Friedrich-Ebert-Stiftung
das Land nicht auf dem Weg in einen Gottesstaat. Die Tunesier hätten die Diktatur
nicht gestürzt, „um sie gegen ein religiös-autoritäres Regime einzutauschen“, sagte
die Büroleiterin der Stiftung in Tunis, Elisabeth Braune, am Donnerstag der Katholischen
Nachrichten-Agentur (KNA). Zudem sei die Führung der Ennahda (Wiedergeburt) gemäßigt,
ihr Programm beinhalte auch keine fundamentalistischen Ziele. Bei den Wahlen zur Verfassungsgebenden
Versammlung am Wochenende hat die Ennahda nach derzeitigem Stand rund 45 Prozent der
Stimmen gewonnen.
Die Partei wirke glaubwürdig, weil sie unter dem beseitigten
Präsidenten Ben Ali massiv unterdrückt worden sei. „Viele Tunesier sind überzeugt,
dass Ennahda besonders kompromisslos die Reste des alten Regimes beseitigt“, so Braune.
Ihren Wählern, die vor allem unter der wertkonservativen Landbevölkerung zu finden
seien, verspreche der Islam Sicherheit in Zeiten des Umbruchs. Sie wollten jedoch
keinen Gottesstaat, denn eine Abschirmung gegen den Westen sei schon mit Blick auf
den wirtschaftlich wichtigen Tourismus „keine gute Option“. Braune betonte, auch die
liberalen westlich orientierten Parteien hätten große Stimmenanteile errungen. „Das
gesellschaftliche Korrektiv ist also gegeben.“ Die Menschen sehnten sich allgemein
nach Bürgerrechten und einer freiheitlichen Gesellschaft. Dafür habe Tunesien „exzellente
Voraussetzungen“. Die Ennahda-Partei müsse sich nun vor allem auf wirtschaftlichem
Feld bewähren, sagte Braune mit Blick auf die hohe Arbeitslosigkeit in Tunesien. Das
spreche für eine pragmatische Politik und gegen islamistische Experimente.