Religionen rufen in Assisi zu religiöser Toleranz auf
Der erste Weg des
Pilgerreise für den Frieden führte die Delegationen in die Kirche Santa Maria degli
Angeli in der Unterstadt von Assisi, dort, wo vor 800 Jahren der Franziskanerorden
um eine kleine Kirche herum entstand.
„Wir wollen Zeugnis ablegen für die
Kraft der Religionen, ihren Beitrag für den Frieden zu leisten.“ So begann Kardinal
Peter Kodwo Appiah Turksonden Reigen der Wortmeldungen. Und er gab den
Ton vor, dem die übrigen Sprecher folgten. Der Präsident des Päpstlichen Rates „Iustitia
et Pax“ würdigte die Fortschritte im interreligiösen Dialog seit dem ersten Weltfriedenstreffen.
In dieser Zeit sei das Gefühl der Brüderlichkeit und Solidarität zwischen den Religionen
gestärkt worden, sagte Turkson.
Bartholomaios I., ökumenischer Patriarch
von Konstantinopel, sprach vom Keim der Verwandlung, den jede Religion in sich trage.
Die Rolle von Religion in der Welt sei aber unsicher, gerade auch mit Blick auf den
„arabischen Frühling“; ein weiteres an den Rand gedrängt werden zum Beispiel im Nahen
Osten sei eine Gefahr, die Religionen träfen sich in Assisi in einer Position der
Schwäche, nicht der Stärke.
Der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Rowan
Williams, betonte, dass man nicht hergekommen sei, um den kleinsten gemeinsamen
Nenner festzustellen. Man wolle in aller Verschiedenheit aus der Tiefe des eigenen
Glaubens sprechen; die Welt solle erkennen, wie viel Weisheit die Religionen im Angesicht
der Unkenntnis und des Misstrauens der Welt zu bieten hätten.
Olav Fykse
Tveit – Generalsekretär des Weltkirchenrates – richtete seinen Blick auf die nachfolgenden
Generationen: Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit seinen Gefahren für den Frieden,
man dürfe mit der Zukunft der Jugend nicht spielen.
Der Vertreter des israelischen
Großrabbinats, David Rosen, betonte, Frieden stelle mehr als nur eine pragmatische
Notwendigkeit dar. Glaubende strebten nach einem höheren, göttlichen Frieden. Rosen
dankte Benedikt XVI. für seine Initiative zu einem weiteren Weltfriedenstreffen 25
Jahre nach der ersten Zusammenkunft, zu der Johannes Paul II. im Jahr 1986 eingeladen
hatte.
Den besonderen Beitrag der Ur-Religionen betonte Wande Abimbola
Awise Agbaye, Sprecher der afrikanischen Religionen der Ifu und der Yoruba. Gemäß
seiner religiösen Tradition sang er Teile seines Beitrages. Zusammenarbeit und das
Erkunden der eigenen Wurzeln müsse zusammen geschehen, so Abimbola, ebenso der Respekt
sowohl für den Menschen als auch für die Natur, unsere Mutter.
Der Vertreter
der Hindu, Scharia Shri Shrisvatsa Goswami, betonte den inneren Weg des Pilgerns.
Rein äußerlich ließen sich die obersten Werte der Menschen nicht erreichen. Friede
sei dieser Weg. Die vergangenen 25 Jahre seit dem ersten Treffen hätten aber gezeigt,
dass auf diesem inneren Weg noch viel zu tun sei.
Dem fügte der Vertreter des
Buddhismus Ja-Seung hinzu, dass das nur gemeinsam zu schaffen sei. Menschen
seien nicht getrennte Individuen, sie seien in ihrem Menschsein miteinander verbunden,
es brauche „Bruderschaften des Lebens“, „Bruderschaften für Frieden“, „Bruderschaften
des Teilens“. Bei allen kulturellen Unterschieden sei Wahrheit nur gemeinsam zu finden.
Dass
Menschen des Glaubens oft Teil der Problems und nicht Teil der Lösung sind betonte
der Vertreter des Islam, Kyai Haji Hasym Muzadi, wohl auch im Blick auf den
Terrorismus. Umso wichtiger sei es, den jeweils eigenen Glauben richtig verstehen
zu wollen. Jede Religion besitze ihre eigene Identität, zwischen den Religionen gebe
es Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten, das alles gelte es als Reichtum zu erkennen
und nicht als Gefahr.
Das Friedenstreffen von Assisi ist nicht einfach nur
eine Weiterführung einer Idee, es ist eine Weiterentwicklung. Durch die Einladung
an Nichtglaubende hat Benedikt XVI. dem Treffen eine eigene Prägung hinzugefügt. So
interpretierte die Philosophin Julia Kristeva die Worte Johannes Pauls II.
„Habt keine Angst“ als nicht nur an Gläubige gerichtet, weil sie dazu aufforderten,
dem Totalitarismus zu widerstehen. Zum ersten Mal sei die Menschheit in der Lage,
sich selbst zu zerstören. Aber dieses Treffen in Assisi sei Zeugnis dafür, dass die
Annahme der Zerstörung nicht die einzig mögliche Annahme sei. „Wir müssen auf die
Fähigkeit von Männern und Frauen setzen, gemeinsam zu glauben und zu erkennen“. So
würde der Humanismus auch in Zukunft seine kreativen Fähigkeiten erhalten, so Kristeva.